Polatuzumab-Vedotin wird zur Behandlung des diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms eingesetzt. Eine Studie sollte nun klären, ob es einen Zusatznutzen in Kombination mit anderen Präparaten bringt. Das Ergebnis verwundert.
Da der Umsatz des Arzneimittels mit der gesetzlichen Krankenversicherung in den letzten 12 Monaten einen Betrag von 30 Millionen Euro überschritten hat, hat der Hersteller ein Dossier zum Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie eingereicht. Der Hersteller hat seine Studie zwar sowohl auf die Zulassung als auch auf Health Technology Assessments (HTA) ausgelegt, aber die für HTA geplanten Analysen wurden nicht vorgelegt.
In einer frühen Nutzenbewertung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun untersucht, ob Polatuzumab-Vedotin in Kombination mit Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin und Prednison bei erwachsenen, bislang unbehandelten Patienten einen Zusatznutzen gegenüber Rituximab in Kombination mit Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison bietet.
In den eingereichten Studiendaten zeigen sich sowohl positive als auch negative Effekte von Polatuzumab-Vedotin, insgesamt ist ein Zusatznutzen nicht belegt. So weit nichts Besonderes – bemerkenswert ist jedoch: Es fehlen Analysen, die im statistischen Analyseplan explizit für Health Technology Assessments wie der Nutzenbewertung in Deutschland vorgesehen waren.
Der Hersteller hat in seinem Dossier Daten aus der Studie POLARIX eingereicht. In dieser noch laufenden doppelblinden RCT waren laut statistischem Analyseplan eigene Auswertungen für HTA geplant, die getrennt vom primären Studienbericht berichtet werden sollten. Darin sollte es um weitere Wirksamkeitsendpunkte und patientenberichtete Endpunkte gehen, etwa das vollständige Ansprechen zwei Jahre nach der Randomisierung. In den Studienunterlagen und den weiteren mit dem Dossier übermittelten Unterlagen sind jedoch keine Auswertungen zu diesen Endpunkten enthalten.
„So folgt der Freude über eine Studie, die nicht nur der Zulassung, sondern auch Nutzenbewertungen dienen sollte, die Enttäuschung auf dem Fuße“, kommentiert Philip Kranz, Bereichsleiter im Ressort Arzneimittelbewertung des IQWiG. „Uns liegen zwei Fassungen des Studienprotokolls vor: aus dem Dossier die vollständige, in der spezielle Auswertungen für HTA vorgesehen sind, und daneben die veröffentlichte Fassung, in der ‚for HTA‘ geschwärzt wurde. Einen Grund für dieses Vorgehen liefert der Hersteller nicht. Eine ergebnisgesteuerte Berichterstattung liegt hier nahe.“
Zeitgleich hat das IQWiG ein weiteres Anwendungsgebiet von Polatuzumab-Vedotin bewertet; hier lagen keine geeigneten Daten vor.
Die Dossierbewertungen sind Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der G‑BA verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertungen führt der G‑BA Stellungnahmeverfahren durch und fasst abschließende Beschlüsse über das Ausmaß des Zusatznutzens.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Die Publikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Anmerkung der Redaktion: Den vom IQWiG geäußerten Vorwurf einer ergebnisgesteuerten Veröffentlichung von Studiendaten weist der Hersteller ausdrücklich zurück. Dem G-BA und IQWiG lägen sowohl das ungeschwärzte Studienprotokoll als auch alle vorhandenen Studienberichte vor.
Der Prozess der Nutzenbewertung laufe aktuell. Im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens sei geplant, auf die Punkte des IQWIG einzugehen und weitere Analysen vorzulegen.
Bildquelle: Clem Onojeghuo, Unsplash