Inzwischen sind sie in fast jedem Supermarkt zu finden: Vitaminwasser, die die Leistungsfähigkeit ankurbeln und die Gesundheit verbessern sollen. Ist das Quatsch oder ist doch was dran?
Alle, die bei „Vitaminwasser“ an Wasser mit Zitronenscheiben und frischer Minze denken, müssen sich keine Sorgen machen, dass sie zu viel Zeit in den sozialen Medien verbringen. Dort werden nämlich bereits seit einiger Zeit mit Vitaminen angereicherte Erfrischungsgetränke von zahlreichen Influencern beworben. Die Produktwerbung für die Getränke suggeriert, dass ihr Konsum zu einer verbesserten Gesundheit oder Leistungsfähigkeit beiträgt. Mittlerweile sind sie in fast allen Supermärkten und Drogerien erhältlich. Ob sich der Kauf lohnt, erklären wir in diesem Artikel.
Vitaminwasser wird so vor allem von Verbrauchern genannt. Es handelt sich hierbei um aromatisierte Erfrischungsgetränke, denen Vitamine und oftmals auch Pflanzenextrakte, Mineralstoffe, Koffein oder andere bioaktive Inhaltsstoffe zugesetzt werden. Die Zutatenliste verspricht, zusammen mit reichweitenstarkem Influencer-Marketing, wahre Wunderwirkungen der Getränke. Die enthaltenen Vitamine und „Superfoods“ sollen zum Beispiel für eine gesteigerte Ausdauer, Konzentration und Leistungsfähigkeit oder gar mentale Gesundheit sorgen.
Die zugesetzten Vitamine beschränken sich zumeist auf B-Vitamine und Vitamin C, da diese Verbindungen wasserlöslich sind. Sie werden bei einem Überschuss in den meisten Fällen wieder aus dem Körper ausgeschieden. Die gute Nachricht ist, dass die Dosierung der zugesetzten Vitamine in den allermeisten Fällen kein Gesundheitsrisiko darstellt. Die schlechte Nachricht: Einen gesundheitlichen Nutzen bringen die Erfrischungsgetränke ebenso wenig. Grund dafür ist, dass wir hier in Deutschland mit den meisten der betreffenden Vitamine in der Regel ausreichend versorgt sind. Zwar ist eine Unterversorgung mit einzelnen Vitaminen per se nicht ausgeschlossen und vor allem bei einigen Subgruppen (z. B. alten Menschen, Schwangeren) wahrscheinlich. Im Falle eines tatsächlichen Mangels sollte dieser jedoch immer gezielt mit Hilfe entsprechender Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel ausgeglichen werden.
Der Glaube, dass eine besonders hohe Vitamin-Zufuhr – über den Bedarf hinaus – auch besonders positive Effekte auf die eigene Gesundheit hat, hält sich hartnäckig. Eine Mikronährstoff-Überversorgung hat jedoch größtenteils keinen Viel-hilft-viel-Effekt. In der Praxis bedeutet das: wenn unsere Ernährung einigermaßen abwechslungsreich ist und ausreichend wasserlösliche Vitamine liefert, dann haben zusätzliche trinkbare Vitamine (jedenfalls die, die Vitaminwasser üblicherweise zugesetzt werden) keinen zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen.
Je nachdem, welches Getränk man betrachtet, kann man feststellen, dass es heimische Früchte mit dem Vitamingehalt pro 100 ml leicht aufnehmen können. Wer sich mit einer gesunden Ernährung schwertut und deshalb zu den Lifestyle-Getränken greift, sollte beachten, dass der Körper noch weitere essenzielle Makro- und Mikronährstoffe für eine langfristige Gesundheit benötigt, die das Getränk nicht liefert. Außerdem sind einige Vitamine, zum Beispiel Vitamin B12, lichtempfindlich, sodass der tatsächliche Vitamingehalt in transparenten Flaschen, die für eine Weile im Supermarktregal standen, vom deklarierten Gehalt abweichen kann.
Wer nach dem Trinken von Vitaminwasser einen Energiekick verspürt, der sollte einen Blick aufs Etikett werfen und die Zutatenliste auf Koffein oder koffeinhaltige Pflanzenextrakte (z. B. Guarana) überprüfen. Oft ist unser liebstes bioaktives Molekül verantwortlich für die gesteigerte Energie. Zugesetzte Extrakte oder Säfte vermeintlicher Superfoods (z. B. Ashwagandha, Ginseng, Gingko oder Kokosnuss) sind in den Erfrischungsgetränken in so geringen Dosierungen enthalten, dass sie keinerlei Wirkung erwarten lassen.
Die Hersteller arbeiten, wie es im Marketing für Nahrungsergänzungsmittel üblich ist, mit sogenannten gesundheitsbezogenen Angaben (engl.: Health Claims). Das sind wissenschaftlich belegte und von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassene Aussagen zur Wirkung einzelner Verbindungen. Beispiele für solche zugelassenen Claims sind: „Vitamin C trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei.“ oder „Vitamin B5 trägt zu einer normalen geistigen Leistung bei“. Hier gilt: die Aussagen beziehen sich in den allermeisten Fällen auf eine ausreichende Versorgung mit den jeweiligen Vitaminen (nicht auf eine Überzufuhr!) – die genauso gut über die alltägliche Ernährungsweise erreicht werden kann.
Darüber hinaus wird gern der Einsatz sogenannter Superfoods betont. Dieser Begriff ist rechtlich nicht geschützt oder definiert. Für die allermeisten Superfoods gibt es keine von der EFSA zugelassenen gesundheitsbezogenen Aussagen, die wissenschaftlich ausreichend belegt sind.
Da die Werbung mit konkreten Gesundheitseffekten über Health Claims hinaus nicht rechtens ist, bedienen sich Hersteller einem subtilen Marketing (Bilder von durchtrainierten Personen und von frischem Obst und Gemüse) und vagen Versprechen wie „perfekt für harte Arbeitstage, im Studienstress, im Fitnessstudio oder beim Gaming“. Auch die Formulierung „functional water“ suggeriert beispielsweise einen solchen Gesundheitseffekt, ohne, dass dieser (über die Deckung des Nährstoffbedarfes hinaus!) belegt wäre. Ein weiteres Schlupfloch ist die Werbung über Influencer, die ihrer Followerschaft von den Wirkungen des Vitaminwassers auf ihre eigene Gesundheit berichten oder sich einfach über geltendes Recht hinwegsetzen und Wirkungen versprechen, wofür die Hersteller selbst vermutlich rasch abgemahnt werden würden.
Von den gesundheitlichen Wirkungen sollte man sich also nicht allzu viel erhoffen. Wer die Erfrischungsgetränke einfach lecker findet, der sollte auf deren Zuckergehalt achten. Auch wenn viele der Getränke weniger als 5 g Zucker pro 100 ml enthalten, so summiert sich der verzehrte Gesamtzucker bei Konsum einer ganzen Flasche. Die Folgen eines hohen Zuckerkonsums sind zwar allseits bekannt, rücken jedoch in den Hintergrund, wenn das Produktmarketing ein vermeintlich gesundes Getränk verspricht. Einige Hersteller verwenden zum Süßen Fructose. Der Mythos von Fructose als gesunde Alternative zum Haushaltszucker hält sich leider hartnäckig. Tatsächlich begünstigt Fructose die Entstehung von Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 2 und einer Fettleber und wirkt sich negativ auf die Blutlipide aus.
Der gesundheitliche Mehrwert von Vitaminwasser ist begrenzt bis gar nicht vorhanden. Wer dennoch das nötige Kleingeld dafür ausgeben möchte, sollte auf den Zuckergehalt achten und nicht den gesamten Flüssigkeitsbedarf damit decken. Statt Vitaminwasser empfehlen wir Vitamine in Lebensmitteln (!) und Wasser. Die Leistungssteigerung durch flüssige Vitamine klingt verlockend. Für eine ausreichende Leistungsfähigkeit benötigt der Körper jedoch auch weitere Nährstoffe. Wer diese im Rahmen einer abwechslungsreichen Ernährung zu sich nimmt, braucht auch kein Vitaminwasser. Wer sich dagegen eher eintönig ernährt, braucht mehr als Vitaminwasser.
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