Bei Entzündungen im Rachenraum stehen mehrere Therapieoptionen zur Wahl. Die aktualisierte Leitlinie legt dafür klare Spielregeln fest. Holt euch hier euer Wissens-Update!
Wenn das Kind leidet, weil ihm der Hals weh tut und jeder Schluck zur Tortur wird, denkt man als Eltern: Nicht schon wieder die Mandeln! Und irgendwann ist man so mürbe, dass man nur noch denkt: Bloß raus damit, dann ist endlich Ruhe. Elterliches Wunschdenken und verantwortliches ärztliches Handeln ist jedoch mitunter zweierlei, wie die kürzlich veröffentlichte S3-Leitlinie Therapie der Tonsillo-Pharyngitis Version 4.0 zeigt.
Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC) entwirft die Leitlinie klare Definitionen und Algorithmen für die Therapie von Patienten ohne Red Flags, wie Scharlach, Immunsuppression und andere schwere Komorbiditäten. Für die Empfehlungen stützt sie sich auch auf einen Evidenzbericht des IQWiG, aktuelle Daten der NATTINA-Studie sowie die DEGAM-Leitlinie Halsschmerzen von 2020.
Laut DEGAM-Leitlinie dienen Antibiotika dazu, die Dauer der Beschwerden um durchschnittlich 16 Stunden zu verringern, und nicht dazu, Komplikationen zu vermeiden. Wird eine antibiotische Therapie erwogen, sollte zunächst ein klinischer Score, etwa der Centor-Score, ermittelt werden. Nur bei einem Wert ≥ 4 sollte auch eine sofortige Antibiotikagabe angeboten werden. Ab einem Wert ≥ 3 kann man auch einen Schnelltest auf eine Streptokokken-Infektion heranziehen.
Von einem routinemäßigen Schnelltest rät die aktuelle Leitlinie explizit ab. Schlägt die Antibiotikatherapie gut an, sollten die Mittel nach fünf Tagen abgesetzt werden. Eine Eradikation ist nur in besonderen Fällen sinnvoll. Interessant ist die Erwähnung weiteren Forschungsbedarfs – so könnte es durchaus sein, dass nur eine zweimalige Einnahme der Antibiotika ausreicht.
Für die Entscheidung zur Operation sind die Mandelgröße und die Anzahl der Halsschmerzepisoden relevant. Um als Episode zu zählen, muss eine Tonsillitis ärztlich bestätigt sein. Die Vorteile einer Operation überwiegen die Nachteile dann, wenn es sieben und mehr Halsschmerzepisoden im vergangenen Jahr gab, oder fünf und mehr in den vergangenen zwei Jahren oder drei und mehr in den vergangenen drei Jahren. Bei weniger Episoden empfiehlt die Leitlinie, weitere sechs bis zwölf Monate abzuwarten.
Ist die Entscheidung zur Operation gefallen, kommt entweder die vollständige oder die teilweise Entfernung der Gaumenmandeln in Frage. Auf lange Sicht ist die Tonsillektomie von Vorteil, weil weit seltener Nachoperationen notwendig sind. Allerdings ist auch mit dem „Mandel raus“ nicht immer „endlich Ruhe“, weil sich die Rachenschleimhaut nach wie vor entzünden kann. Auf kurze Sicht ist die Tonsillotomie von Vorteil, weil sie zu weniger Schmerzen und Nachblutungen führt.
Zur ärztlichen Leitlinie wird auch eine Patientenleitlinie angeboten. Leider ist sie zu knapp gehalten, zu umständlich formuliert und zu vage in den Aussagen, um vermutlich eine Hilfe, oder gar eine Entscheidungshilfe zu sein. Und während die ärztliche Leitlinie schreibt, dass bei negativem Schnelltest auf Antibiotika verzichtet werden sollte, schreibt die Patientenleitlinie hier kann. Das verfälscht die Empfehlung massiv.
Bildquelle: National Cancer Institute, unsplash