Bei der Diskussion um den Ärztemangel in Deutschland wird die Zahl deutscher Studenten im Ausland weitgehend ignoriert. Eine aktuelle Publikation schätzt ihren Anteil auf 7.500 Personen – mehr als es laut Politik bräuchte.
Humanmedizin gehört zu den beliebtesten Studienfächern in Deutschland, ist aber bundesweit zulassungsbeschränkt. Auch deshalb suchen viele Studieninteressierte nach Studienangeboten im Ausland. Der aktuelle CHECK „Medizinstudium in Europa“ des CHE Centrum für Hochschulentwicklung gibt einen detaillierten Überblick über die verfügbaren Angebote, Zulassungsbedingungen und Studienkosten für 86 internationale Medizinstudiengänge an 84 europäischen Hochschulen.
Österreich und Ungarn gehören dabei zu den stark nachgefragten Ländern bei deutschen Medizinstudenten im Ausland. 2021 waren an österreichischen Hochschulen 2.585 deutsche Studenten in einem Medizinstudiengang eingeschrieben. In Ungarn waren es 2.051. Ebenfalls beliebt sind Polen (859), Tschechien (422), Großbritannien (421) und Litauen (413).
Eine Gesamtzahl deutscher Medizinstudenten in Europa zu berechnen ist allerdings nicht möglich, da die Zahlen für einige Länder, wie etwa Italien oder Bulgarien, nicht vorliegen. Eine Schätzung der CHE-Experten auf Grundlage der verfügbaren Daten des Statistischen Bundesamtes geht aber von mindestens 7.500 Studenten aus. Dies entspräche einem Anteil von mindestens 8 % aller deutschen Medizinstudenten insgesamt.
„Noch lückenhafter als die Datenlage zu den aktuellen Medizinstudierenden im Ausland ist die zu deren Verbleib nach dem Studium“, konstatiert Gero Federkeil. „Zwar haben einige internationale Hochschulen in unserer Befragung angegeben, dass die Mehrzahl ihrer deutschen Absolvent*innen nach Deutschland zurückgekehrt sind, aber diese Angaben können nicht generalisiert werden. Selbst die für die Anerkennung und Approbation zuständigen Länderbehörden in Deutschland haben nahezu flächendeckend keine Informationen und Daten über die Anerkennung eines Studiums von Deutschen im Ausland“, so der Leiter internationale Projekte beim CHE.
Angesichts des Fachkräftemangels im Medizinbereich sei es bemerkenswert, dass die mindestens 7.500 deutschen Studenten im Ausland in der Diskussion kein Thema zu sein scheinen. Aktuell fordern die Bundesärztekammer und das Gesundheitsministerium rund 6.000 zusätzliche Medizinstudienplätze in Deutschland, um den Bedarf langfristig zu decken. In einigen Bundesländern werden sogenannte „Landarztmodelle“ eingesetzt. Bei diesen erhalten Studieninteressierte einen Medizinstudienplatz, wenn sie sich verpflichten, später als Hausarzt in ländlichen Regionen tätig zu werden.
Für den „CHECK Medizinstudium in Europa“ haben Gero Federkeil und Caroline Friedhoff die Studienbedingungen von 86 Medizinstudiengängen in Europa zusammengetragen, die sich auch oder speziell an internationale Studenten richten. Hierbei gibt es eine kompakte Übersicht über das Studienangebot in Österreich, Italien, der Schweiz und den Niederlanden sowie detaillierte Übersichten für 44 Studienangebote in elf Ländern in Südosteuropa.
Besonders groß sind die Unterschiede im internationalen Vergleich bei den Studiengebühren. Die Preisspanne reicht von etwa 3.000 bis zu 29.800 Euro pro Studienjahr. „Bei einer Studiendauer von durchschnittlich sechs Jahren sind das Kosten von bis zu 178.800 Euro allein für Studiengebühren“, bilanziert Caroline Friedhoff. „Für eine solche Investition sollten alle Angebote und Kosten, etwa auch die je nach Land unterschiedlichen Lebenshaltungskosten verglichen werden“, rät die Studienautorin des CHECKs.
Die meisten internationalen Medizinstudiengänge in Südosteuropa werden in englischer Sprache angeboten, deutschsprachige Angebote gibt es u. a. in Ungarn und Kroatien. Für die klinische Ausbildung sind dann im späteren Verlauf des Studiums in der Regel Kenntnisse der jeweiligen Landessprache erforderlich. Die Zulassung für einen Studienplatz erfolgt meist über einen kostenpflichtigen Aufnahmetest. Oft müssen zudem für die Bewerbung Nachweise über sehr gute Noten in naturwissenschaftlichen Fächern sowie entsprechende Englischkenntnisse erbracht werden.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). Die Publikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Joshua Hoehne, Unsplash