Dass die Ernährung die Zusammensetzung unseres Darmmikrobioms verändern kann, ist bekannt. Was aber sind die Folgen für unser Immunsystem? Wie sich vegane im Vergleich zu ketogener Diät auswirkt, lest ihr hier.
Energiebedarfsdeckung, Mikronährstoffbalance, Vermeidung von Viszeralfett-getragener Übergewichtsentwicklung, metabolische Funktionalität und einiges mehr – an gesunde Ernährung werden im Zeitalter der sich rasant ausbreitenden Adipositaspandemie zunehmend strengere Anforderungen gestellt. Darunter fällt auch eine roborierende Wirkung auf das Immunsystem, die im Hinblick auf therapeutische Ernährungsinterventionen, etwa bei Krebs- und chronisch-entzündlichen Erkrankungen, von Belang sein könnte.
In dem ungebremsten Tsunami aus restriktiven und immer feiner verästelten Ernährungstrends bilden „vegan“ und „ketogen“ zwei vergleichsweise stabile, aber in der Praxis recht gegensätzliche Pole. Zwar ist theoretisch auch eine keto-vegane Ernährung möglich, praktisch kommt das aber selten vor. In der veganen Küche spielen Kohlenhydratlieferanten wie Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Obst gewöhnlich eine maßgebliche Rolle. Eine ketogene Stoffwechsellage (Ketose) lässt sich damit nicht erreichen. Umgekehrt decken Ketoniker ihren Eiweiß- und essentiellen Aminosäurebedarf großenteils über Fleisch, Fisch und Milchprodukte. Außer Nüsse haben die meisten pflanzlichen Proteinlieferanten zu viele Kohlenhydrate im Gepäck und kohlenhydratarme Fleisch-, Fisch- und Milchersatzprodukte sind wegen ihres hohen Verarbeitungsgrades keine sinnvolle Lösung.
Wie zu den meisten der aktuell kursierenden Ernährungsphilosophien gibt es auch zu veganer und ketogener Ernährung ein Bündel qualitativ sehr unterschiedlicher Studien. Wie so oft im Bereich der Ernährung dominieren auch hier retrospektive Assoziationsstudien, die kaum Kausalitätsrückschlüsse zulassen. Unter Berücksichtigung dieser Unsicherheit mehren sich die Hinweise, dass eine pflanzlich dominierte Ernährung antiinflammatorisch wirksam die Risiken für kardiovaskuläre und bestimmte neoplastische Erkrankungen minimieren könnte. Umgekehrt werden extrem kohlenhydratarme Ketogenstrategien momentan intensiv in der Adipositas-Therapie evaluiert, aber auch als symptomlindernd bei bestimmten Formen von Epilepsie, sowie im Kontext mit der Reduktion neuroinflammatorischer Prozesse (z. B. hier und hier) diskutiert.
Hinsichtlich der Wirkung beider Ernährungskonzepte auf immunologische Parameter herrscht insgesamt ein Mangel an Daten. Vor diesem Hintergrund verdient eine kürzlich von einer Arbeitsgruppe am National Institute of Health Bethesda, USA, in Nature Medicine publizierte Studie Beachtung. Die Einschränkung vorweg: Die geringe Zahl von 20 Probanden und eine auf vier Wochen begrenzte Studiendauer setzen dem Erkenntnisgewinn Grenzen. Aber das klinische Interventionsdesign mit Cross-over-Ansatz in vollstationärer Ausführung erhöht die Datensicherheit.
Für ihre Studie rekrutierte das Forscherteam 20 Probanden (9 Frauen, 11 Männer), die sie zum Erreichen bestmöglicher Interventionskontrolle über die vierwöchige Studiendauer vollstationär betreuten. Nach Randomisierung auf zwei 10er-Gruppen folgte eine Kohorte zwei Wochen lang einem kohlenhydratbetonten veganen (10 % Fett, 75 % KH), die andere einem fettreichen ketogenen (76 % Fett, 10 % KH) Ernährungsregime. Nach Ablauf der 14 Tage erfolgte ohne Auswaschphase der Umstieg auf die jeweils andere Strategie, die dann ebenfalls zwei Wochen lang praktiziert wurde.
Sowohl in den veganen als auch in den ketogenen Speiseplänen bildeten ein hoher Anteil stärkefreier/-armer Gemüsesorten mit minimalen Mengen an verdaulichen Kohlenhydraten sowie der weitestgehende Verzicht auf hoch verarbeitete Lebensmittel die Basis. Darauf aufbauend umfasste das von den Probanden frei wählbare vegane Nahrungsangebot zusätzlich Hülsenfrüchte, Reis, Wurzelgemüse, Sojaprodukte, Mais, Linsen, Erbsen, Vollkorngetreide, Brot und Obst. Während der ketogenen Phase dominierten tierische Produkte wie Fleisch (rotes Fleisch und Geflügel), Fisch, Eier und Milchprodukte sowie Nüsse die tägliche Ernährung. Als wichtiges Unterscheidungsmerkmal war somit die vegane Intervention durch einen höheren Ballaststoffanteil und die ketogene durch höhere Amino- und Fettsäureaufnahme gekennzeichnet.
Als Endpunkte ihrer Arbeit definierten die Wissenschaftler die Aufdeckung ernährungsabhängiger Veränderungen im Gehalt immunologisch relevanter Zelltypen im Blut sowie in der intestinalen Mikrobiota-Komposition. Dazu erfolgten entsprechende Messungen direkt vor Beginn, zu mehreren Zeitpunkten während sowie am Ende der jeweiligen Interventionsphase.
Die Bestimmung der individuellen Ernährungssituation am Studienstart erfolgte über einen Fragebogen. Aus den entnommenen Blutproben wurde per Durchflusszytometrie die Zusammensetzung der immunologisch relevanten Zellpopulation – darunter Dendritische Zellen, Monozyten, CD19+ B-Lymphozyten, Basophile Granulozyten, Natürliche Killerzellen, CD8- und CD4-Zellen – bestimmt. Transkriptom-(Bulk mRNA-Sequenzierung) und Proteom-Analysen lieferten Informationen über mögliche Veränderungen in der Genexpression und Proteinzusammensetzung. In regelmäßig abgenommenen Stuhlproben erfolgte eine Mikrobiom-Charakterisierung mittels metagenomischer Sequenzierung. Hinzu kam eine Metaboliten-Analyse in Blut- und Urinproben.
Erwartungsgemäß zeigte sich bei der Basisanalyse am Studienbeginn eine hohe Messwert-Variabilität zwischen den verschiedenen Probanden, die etwa beim Gehalt naiver CD4-T-Zellen besonders ausgeprägt war. Während beider Interventionsphasen kam es bereits nach kurzer Zeit zu signifikanten Veränderungen in den Immunzellmustern. Übereinstimmend zeigte sich sowohl in der veganen als auch in der ketogenen Phase eine gegenüber der Basisanalyse signifikante Abnahme naiver CD8-T-Zellen bei gleichzeitig signifikantem Anstieg aktivierter CD4-T-Zellen, Effektor-CD4-T-Zellen und Effektor-CD8-T-Zellen.
Allerdings – so der Hinweis der Studienautoren – sei unklar, ob diese Veränderungen Folge der speziellen Ernährungsweisen (vegan/ketogen) seien oder auf dem plötzlichen Verzicht auf hoch verarbeitete Lebensmittel beruhten. In anderen zellulären Parametern zeigten sich charakteristische Unterschiede zwischen veganer und ketogener Ernährungsweise, wobei die Interventionsreihenfolge (vegan – ketogen oder ketogen – vegan) keinen Einfluss hatte. So kam es während der veganen Phase zu einem signifikanten Anstieg aktivierter T-Helferzellen und aktivierter Natürlichen Killerzellen, wohingegen die ketogene Ernährung mit einer signifikanten Vermehrung aktivierter regulatorischer T- sowie CD16+-NK-Zellen einherging. Offenbar nehmen somit beide Ernährungsumstellungen unmittelbar Einfluss auf das Immunsystem und induzieren dabei unterschiedliche Veränderungen im Immunzellmuster und den Aktivierungszuständen.
Die mRNA-Sequenzierungen bestätigten eine spezifische epigenetische (genregulatorische) Wirkung beider Ernährungsmuster. Die Transkriptome zeigten besonders bei stark abgelesenen Genclustern markante Unterschiede sowohl zwischen beiden Ernährungsweisen als auch innerhalb jeder Kohorte zwischen den Einzelindividuen.
Ohne hier auf weitere Details einzugehen, ging die vegane Ernährung mit der Aktivierung von Signalwegen einher, die dem angeborenen Immunsystem zuzuordnen sind. Dazu gehören verstärkte antivirale Reaktionen durch Erhöhung von Makrophagen- und Interferon-Produktion. Dagegen war die ketogene Ernährungsintervention mit dem Hochregulierung von Signalwegen des adaptiven Immunsystems verbunden. Neben der Anreicherung von B-, Plasma- und NK-Zellen waren oxidative Phosphorylierungsprozesse, maßgebend für die T-Zell-Aktivierung und die Bildung von Gedächtniszellen, bei der ketogenen Ernährung deutlich verstärkt.
Ein weiteres interessantes Ergebnis war die Aktivierung von 308 krebsassoziierten Signalwegen, von denen 242 durch die vegane und 66 durch die ketogene Ernährung eine stärkere Aktivierung erfuhren. Mit Nachdruck weisen die Autoren aber darauf hin, dass sich aus diesen Beobachtungen allein keine unterschiedlichen Krebsrisiken oder im Erkrankungsfall Therapiechancen ableiten lassen. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass sowohl ketogene als auch vegane Ernährung das Krebsergebnis beeinflussen könnten“, lautet die Interpretation.
Rund 1.300 Plasmaproteine nahmen die Wissenschaftler ins Visier. Die Varianzanalyse ergab eine deutlich höhere Proteinabundanz bei Befolgen der ketogene Diät. Sie beeinflusste signifikant die Proteinsekretion in mehrere Gewebearten – darunter Leber, Blut, Gehirn, Knochenmark und sekundäre lymphatische Organe. Die vegane Ernährung offenbarte einen weit schwächeren Einfluss und veränderte das Ausgangsproteinmuster kaum. Lediglich einige von der Leber und sekundären lymphatischen Organen sekretierte Proteine waren betroffen. Auch bei dieser Analyse spielte es keine Rolle, ob zuerst vegan oder ketogen interveniert wurde.
Erwähnenswert ist, dass es einige geschlechtsspezifische Unterschiede in der Proteomreaktion gab. Insbesondere nach der ketogenen Diät fielen die Veränderungen im Proteinmuster bei den weiblichen Probanden deutlich stärker aus. Betroffen waren besonders Proteine, die mit dem Glukosestoffwechsel sowie der Immunität in Verbindung stehen.
Darüber hinaus zeigten die Proteomdaten, dass die vegane Ernährung den Häm-Stoffwechsel ankurbelt, was wiederum bei Frauen in stärkerem Ausmaß erfolgte. Beide Beobachtungen passen zu der bekanntermaßen schlechteren Eisen-Verfügbarkeit aus pflanzlichen Quellen.
Insgesamt liefert die Proteomanalyse Hinweise auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Reaktivität auf Ernährungsumstellungen, die bislang in der Ernährungsberatung kaum Beachtung finden.
Dass Ernährungsumstellungen zeitnah die Zusammensetzung und metabolische Aktivitäten der Darmflora verändern, ist mittlerweile gut belegt (z. B. hier und hier). So zeigten auch die im Rahmen der Studie durchgeführten metagenomischen Mikrobiom-Sequenzierungen Veränderungen in der Mikrobiota-Komposition, die für beide Diäten deutliche Unterschiede aufwiesen. Insgesamt fielen die ketogenen Mikrobiomveränderungen erheblich weitreichender aus. Am markantesten war hier eine deutliche Abnahme mikrobieller Genaktivitäten, die für die Biosynthese essentieller und verzweigtkettiger Aminosäuren sowie für die Produktion der Vitamine B1, B5 und B12 bedeutsam sind. Das Herunterregulieren der mikrobiellen Aminosäuresynthese bei ketogener Diät dürfte auf die im Vergleich zur veganen Ernährung höhere alimentäre Aufnahme von (essentiellen) Aminosäuren zurückzuführen sein. Aussagen über den möglichen gesundheitlichen Wert der ermittelten Mikrobiomverschiebungen lassen sich aus den Daten nicht ableiten.
Unter Berücksichtigung der niedrigen Teilnehmerzahl und kurzen Interventionsdauer deutet die Arbeit auf eine im Tempo und Ausmaß bemerkenswerte, je nach praktizierter Ernährungsweise unterschiedliche Neujustierung des Immunsystems sowie des eng damit assoziierten Darm-Mikrobioms hin. Aus der gewonnenen Erkenntnis, dass die vegane Ernährung mit der unspezifischen angeborenen Immunität eher die „erste Abwehrreihe“ zu aktivieren scheint, wohingegen die Ketose stärker auf Ebene der spezifischen Abwehr des adaptiven Immunsystems Wirkung entfaltet, lässt sich keine Empfehlungen für eine bestimmte Ernährungsstrategie ableiten. Das gilt umso mehr, da auch diese Arbeit (wie so viele zuvor) erhebliche individuelle Unterschiede in der Reaktion auf bestimmte Ernährungsstrategien gezeigt hat.
Im Hinblick auf mögliche präventive und therapeutische Ernährungsinterventionen motivieren die Ergebnisse durchaus, die Durchführung gut überwachter Interventionsstudien im Bereich Ernährung zu intensivieren. Nichtsdestotrotz wird die Hoffnung über derartige Studien die ultimative Ernährung zu eruieren, wohl unerfüllt bleiben. Dazu sind die individuellen Lebensweisen und Stoffwechseleigenheiten zu divergent. Für den Einzelnen wird wohl seine anekdotische Evidenz das Maß aller Dinge bleiben. Optimierung setzt immer die Bereitschaft und Energie voraus, gegebenenfalls an eingefahrenen Ernährungsroutinen etwas zu verändern. Und da fährt das „schwache Fleisch“ dann oft dem „willigen Geist“ in die Parade.
Quellen:
Link V.M., Subramanian P., Cheung F. et al., Differential peripheral immune signatures elicited by vegan versus ketogenic diets in humans. Nat Med, 2024 Feb; 30(2):560–572. DOI: 10.1038/s41591-023-02761-2
Sampaio L.P., Ketogenic diet for epilepsy treatment. Arq Neuropsiquiatr, 2016 Oct; 74(10):842–848. DOI: 10.1590/0004-282X20160116
Verrotti A., Lapadre G., Di Francesco L. et al., Diet in the Treatment of Epilepsy: What We Know So Far. Nutrients, 2020 Aug 30; 12(9):2645. DOI: 10.3390/nu12092645
Koh S., Dupuis N., Auvin S., Ketogenic diet and Neuroinflammation. Epilepsy Res, 2020 Nov; 167:106454. DOI: 10.1016/j.eplepsyres.2020.106454
Tao Y., Leng S.X., Zhang H., Ketogenic Diet: An Effective Treatment Approach for Neurodegenerative Diseases. Curr Neuropharmacol, 2022 Nov 15; 20(12):2303–2319. DOI: 10.2174/1570159X20666220830102628
Zhang P., Influence of Foods and Nutrition on the Gut Microbiome and Implications for Intestinal Health. Int J Mol Sci, 2022 Aug 24; 23(17):9588. DOI: 10.3390/ijms23179588
Gomaa E.Z., Human gut microbiota/microbiome in health and diseases: a review. Antonie Van Leeuwenhoek, 2020 Dec; 113(12):2019–2040. DOI: 10.1007/s10482-020-01474-7
Sakkas H., Bozidis P., Touzios C., Kolios D. et al., Nutritional Status and the Influence of the Vegan Diet on the Gut Microbiota and Human Health. Medicina (Kaunas), 2020 Feb 22; 56(2):88. DOI: 10.3390/medicina56020088
Bildquelle: Lefteris kallergis, Unsplash