Besuch vom Tierarzt kann Milchkühe stressen. Wie die Versorgung der Tiere leichter gelingt und sich nebenbei auch das Verletzungsrisiko reduzieren lässt, zeigen erstmals Versuche mit positiver Verstärkung. Hier erfahrt ihr mehr.
Manche Eingriffe, insbesondere das Festhalten während medizinischer Prozeduren, können stressig für Milchkühe in landwirtschaftlichen Betrieben sein. Das Training mit positiver Verstärkung hat sich als vielversprechend erwiesen, um diese Angst bei anderen Tierarten zu verringern. In einer kürzlich im Journal of Dairy Science veröffentlichten Studie ging ein Forscherteam der Frage nach, ob diese Trainingstechnik auch für Rinder geeignet ist. Jennifer Heinsius, Doktorandin an der Fakultät für Land- und Nahrungsmittelsysteme, Tierschutzprogramm, Universität von British Columbia, erklärt: „Eine wachsende Zahl von Forschungsergebnissen zeigt, dass ein Training mit positiver Verstärkung das Wohlergehen der Tiere verbessert.“
Gelegenheiten zum Lernen können Stressreaktionen auf Verfahren wie die tierärztliche Versorgung reduzieren, das Verletzungsrisiko verringern und den Tieren helfen, sich mit neuen Reizen vertraut zu machen. Heinsius: „Bislang wurde nur sehr wenig von dieser Forschung auf Nutztiere angewandt, daher haben wir uns vorgenommen, die Auswirkungen des Trainings von Milchkühen mit positiver Verstärkung in einer Rinderrutsche zu testen – eine häufige Erfahrung für Milchkühe, die tierärztlich versorgt oder gehalten werden.“
Das Team begann mit einer Gruppe von 20 Holstein-Milchkühen im Alter von drei bis sechs Monaten, die bereits Erfahrung mit der Rinderrutsche und im Umgang mit Menschen hatten. Die Tiere wurden nach dem Zufallsprinzip entweder einer Gruppe zugeteilt, die ein Training mit positiver Verstärkung erhielt, oder einer Kontrollgruppe, die die übliche Behandlung in der Rutsche erfuhr. Die Studie umfasste 28 Trainingssitzungen für jedes Tier an vier Tagen pro Woche mit einer Sitzung pro Tag. Die Färsen wurden zunächst in einen Wartebereich (Startbox) gebracht und durften dann den Trainingsbereich betreten, wo sie Zugang zur Rutsche hatten.
In der Trainingsgruppe wurde Getreide als Futterverstärker verwendet, um die einzelnen Stufen zu durchlaufen. Die Färsen wurden darauf trainiert, ein Ziel mit ihrer Schnauze zu berühren; dieses Ziel wurde dann schrittweise bewegt, bis die Tiere vollständig in die Rutsche eintraten. Die Kontrollfärsen wurden mit der gleichen Rutsche vertraut gemacht, erhielten jedoch keine Futterbelohnung und wurden stattdessen von einem Betreuer mit aufmunternden Worten, ruhigen Körperbewegungen und sanftem Stupsen geführt, um sie am Zurückweichen zu hindern.
Um zu beurteilen, wie diese beiden Gruppen von Tieren ihre Erfahrungen wahrnahmen, zeichneten die Forscher das Erwartungs- und Spielverhalten während der Zeit auf, in der die Färsen in der Startbox warteten, bevor sie den Trainingsbereich betraten, um ihre tägliche Trainingseinheit zu beginnen. Heinsius erklärt: „Insgesamt zeigten die mit positiver Verstärkung trainierten Milchkühe in der Startbox mehr antizipatorisches Verhalten als die Kontrollgruppe; insbesondere wechselten sie häufiger zwischen den Verhaltensweisen, was darauf hindeutet, dass sie den Beginn ihrer Trainingseinheiten und die Futterbelohnung erwarteten.“ Die Trainingsgruppe zeigte auch mehr Spielverhalten, wie Springen und Laufen, was darauf hindeutet, dass die Tiere die Trainingserfahrung als positiv empfanden.
Heinsius führt aus: „Die Zunahme des Spielverhaltens deutet darauf hin, dass sich das Training mit positiver Verstärkung positiv auf den emotionalen Zustand der Tiere vor der Behandlung auswirkt, und unseres Wissens ist dies die erste Studie, die die Auswirkungen des Trainings auf den emotionalen Zustand von Rindern untersucht.“
Das Studienteam betont, dass weitere Forschungen notwendig sind, z. B. zu den langfristigen Vorteilen des Trainings, und wies auf die praktischen Grenzen hin, die sich aus dem Zeitaufwand ergeben, der für die Schulung und das Training einzelner Kühe erforderlich ist. Heinsius erläutert: „Wir hoffen, dass in Zukunft die Effizienz der Trainingsmethoden und die Arbeit mit den Rindern in einem früheren Lebensstadium verbessert wird. Und es könnten vielversprechende automatisierte Ansätze entwickelt werden, bei denen die vorhandene Automatisierung in den Betrieben, wie z. B. computergesteuerte Futterautomaten, genutzt wird.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
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