Bei der Behandlung von chronisch rezidivierenden Harnwegsinfekten denken viele Ärzte zuerst an Antibiotika. Dabei gibt es eine Reihe anderer Möglichkeiten, die ihr kennen solltet. Ein Refresher.
Ein Text von Lotte Büchner
Harnwegsinfekte sind eine der häufigsten Ursachen für Arztbesuche. Das ist auch kein Wunder, denn das Lebenszeitrisiko, einen Harnwegsinfekt (HWI) zu erleiden, beträgt bei Frauen annähernd 50 %, wobei davon ca. 25 % von einer oder mehreren Reinfektionen betroffen sind. Auch wenn ein unkomplizierter HWI – also ohne funktionelle oder anatomische Behinderungen, ohne Nierenfunktionsstörungen und relevante Komorbiditäten – oft folgenlos und zum Teil ohne notwendige antibiotische Therapie ausheilt, kann es zu großen Problemen führen, wenn er immer wieder auftritt. Einerseits bedeutet dies für die Betroffenen eine deutlich verminderte Lebensqualität durch die vorhandenen Beschwerden und andererseits besteht die Gefahr, dass durch eine ständige antibiotische Therapie die Anzahl an resistenten Keimen steigt. Also was tun?
HWI gelten als chronisch rezidivierend, wenn sie mindestens zweimal in 6 Monaten oder mindestens dreimal im Jahr auftreten. Die häufigsten Erreger sind Escherichia coli (ca. 80 %), daneben spielen unter anderem noch Proteus mirabilis und Staphylococcus saprophyticus eine Rolle. Die Diagnostik wird einerseits durch die typische Klinik mit Dysurie, Pollakisurie, zum Teil Makrohämaturie und andererseits durch eine Keimbelastung des Mittelstrahlurins von mindestens 103 KBE/ml (KBE = koloniebildende Einheit) gestellt.
Bei rezidivierenden HWI ist das Anlegen einer Urinkultur sinnvoll, da dadurch der ursächliche Keim mit möglichen Resistenzen gegenüber Antibiotika ermittelt werden kann. Es ist jedoch zu beachten, dass es bei nichtinvasiver Uringewinnung, wie beispielsweise dem Mittelstrahlurin, im Gegensatz zu invasiven Methoden, wie der sterilen Einmalkatheterisierung, in bis zu 40 % zu einer Kontamination kommt.
Außerdem muss bei rezidivierenden HWI zunächst eine Basisdiagnostik durchgeführt werden, um möglicherweise behandelbare Ursachen für die wiederkehrenden HWI auszuschließen. Dazu gehört zunächst einmal der Ultraschall, mit welchem festgestellt werden kann, ob beispielsweise Restharn nach Miktion besteht, ob z. B. ein Harnblasendivertikel vorliegt, ob die Nieren ektatisch sind, Blasen- oder Nierensteine vorhanden sind, oder eine Ureterozele die Beschwerden verursacht. Falls sich in der Basisdiagnostik Auffälligkeiten ergeben sollten, kann die Diagnostik mittels Uroflow, CT-Abdomen oder Miktionszystourethrographie bei V. a. vesikoureteralen Reflux, Miktionsstörungen oder Blasendivertikel erweitert werden. Wenn sich nun in der Diagnostik keine Auffälligkeiten ergeben und somit die wahrscheinliche Ursache der rezidivierenden HWI nicht beispielsweise operativ behoben werden kann, muss man zu anderen Methoden greifen.
Zunächst einmal muss der unkomplizierte HWI natürlich behandelt werden. Dafür werden z. B. Pivmecillinam, Nitrofurantoin oder Fosfomycin empfohlen. Dabei stellt sich die Frage, ob wirklich immer gleich eine antibiotische Therapie notwendig ist. In Studien konnte gezeigt werden, dass durch eine rein symptomatische Therapie mit Ibuprofen der Antibiotikabedarf stark reduziert werden konnte, es jedoch bei den Patientinnen vermehrt zu Beschwerden und Komplikationen wie z. B. einer Pyelonephritis kam, welche dann eben doch durch eine antibiotische Therapie behandelt werden mussten. Somit lässt sich schlussfolgern, dass bei symptomarmen Patientinnen zunächst eine analgetische Therapie und Erhöhung der Trinkmenge ausreichend sein könnte, diese sollten sich jedoch bei Zunahme der Beschwerden umgehend nochmals beim Arzt vorstellen.
Wenn die HWI nun immer wieder auftreten, gibt es verschiedene Möglichkeiten, diesen Kreislauf zu unterbrechen. Dabei steht zunächst einmal eine Verhaltensschulung im Vordergrund. Allein durch eine Trinkmenge von 2–3 Liter pro Tag, Vermeidung von Unterkühlung, lieber häufigere Miktion als den Urin lange zurückzuhalten, die Blasenentleerung nach dem Geschlechtsverkehr und die richtige Abwischtechnik von vorne nach hinten, kann einigen Patientinnen das Auftreten regelmäßiger HWI erspart werden.
Reicht die alleinige Verhaltensänderung nicht aus, so gibt es noch andere Optionen zur Prophylaxe der chronisch rezidivierenden HWI. Bei postmenopausalen Frauen kann durch eine vaginale Östrogenisierung die Rate an rezidivierenden HWIs signifikant gesenkt werden. Dabei stellte sich in verschiedenen Studien heraus, dass dies nur für die vaginale Östrogenisierung, nicht jedoch für die orale Einnahme von Östrogenen gilt. Bei jungen Frauen hingegen kann durch die vaginale Gabe von Lactobacillus crispatus die Anzahl an rezidivierenden HWI signifikant reduziert werden.
Daneben besteht die Möglichkeit, sich mit inaktivierten E. coli-Stämmen impfen zu lassen. Dies kann klassisch i. m. (z. B. Strovac®) oder oral (z. B. Uro-Vaxom®) erfolgen, wobei bei der intramuskulären Impfung für die Grundimmunisierung 3 Dosen im Abstand von 1–2 Wochen und bei der oralen Impfung zur Grundimmunisierung die Einnahme einer Kapsel täglich für drei Monate erforderlich ist. Auch diese beiden Methoden reduzieren signifikant die Rezidivrate an HWI.
Phytopharmaka sind ebenfalls eine gute Ergänzung zur antibiotischen Therapie, dabei sind unter anderem Bärentraubenblätter und Canephron (Kombination aus Rosmarin, Liebstöckel und Tausendgüldenkraut) zu nennen. Für die Kombination aus einer siebentägigen antibiotischen Therapie mit der dreimonatigen Einnahme von Canephron (3x 2 Tabletten pro Tag) zeigte sich im Vergleich zur alleinigen antibiotischen Therapie eine bessere Symptomlinderung unter der Behandlung und nach 12 Monaten eine signifikant geringere Rezidivrate der chronisch rezidivierenden HWI.
Auch für den Zucker D-Mannose konnte eine wirksame Prävention von chronisch rezidivierenden HWI nachgewiesen werden. Dabei wurden in einer randomisierten klinischen Studie drei Gruppen von Frauen mit chronisch rezidivierenden unkomplizierten HWI nach Therapie der akuten Infektion miteinander verglichen. Eine Gruppe erhielt eine Prophylaxe mit 2 g D-Mannose in 200 ml Wasser täglich für 6 Monate, eine Gruppe 50 mg Nitrofurantoin täglich und die letzte keine Prophylaxe. Dabei stellte sich heraus, dass in der Gruppe mit der Einnahme von D-Mannose und in der Gruppe mit der antibiotischen Prävention das Risiko eines erneuten HWI im Vergleich zur Gruppe ohne Prophylaxe signifikant reduziert werden konnte und es bezüglich der Wirksamkeit zwischen diesen beiden Gruppen keinen Unterschied gab, während das Risiko von Nebenwirkungen bei der Einnahme von D-Mannose deutlich reduziert war.
Somit gibt es neben der antibiotischen Prophylaxe einige Alternativen zur Prävention von chronisch rezidivierenden HWI, was für die Vermeidung von Antibiotikaresistenzen von großer Bedeutung ist. Wenn jedoch all dies nicht zum Erfolg führt, sowie wenn ein hoher Leidensdruck besteht oder Komplikationen wie z. B. eine Pyelonephritis auftreten, ist eine antimikrobielle Langzeitprophylaxe notwendig. Diese kann je nach vermeintlicher Ursache als postkoitale Einmalprävention oder als niedrigdosierte Reinfektionsprophylaxe über 3–6 Monate durchgeführt werden. Für beide Indikationen sind z. B. Nitrofurantoin und Norfloxacin in zum Teil unterschiedlichen Dosierungen empfohlen.
Somit lässt sich zusammenfassend sagen, dass bei Patientinnen mit chronisch rezidivierenden HWI mit niedrigem Risiko für Komplikationen zunächst einmal eine Immunprophylaxe durch eine Impfung und bei postmenopausalen Frauen eine vaginale Östrogenisierung erfolgen sollte. Bleibt dies erfolglos, so kann auf Phytotherapeutika, Laktobazillen oder D-Mannose zurückgegriffen werden. Wenn auch dies den Kreislauf der wiederkehrenden HWI nicht durchbrechen kann, oder wenn von Anfang an das Risiko für das Auftreten von Komplikationen hoch ist, so muss letztlich doch eine antibiotische Langzeitprophylaxe erfolgen. Insgesamt soll dies aber nicht direkt die erste Wahl darstellen.
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