Bei herzchirurgischen Operationen kann der Herzmuskel verletzt und in Folge kardiale Biomarker freigesetzt werden. Troponin kann aber auch auf einen Herzinfarkt hinweisen. Forscher wollen jetzt effizientere Testverfahren entwickeln.
Pro Jahr werden in Deutschland rund 88.100 Herzoperationen durchgeführt. Allein zur Behandlung der koronaren Herzkrankheit (KHK) und des Herzinfarkts sind für das Jahr 2021 über 36.000 Bypass-Operationen (isoliert und kombiniert) und zur Behandlung von Aortenklappenerkrankungen über 13.200 operative Eingriffe (isoliert und kombiniert) zu verzeichnen (Deutscher Herzbericht 2022).
Im Rahmen einer herzchirurgischen Operation kann es zu einer Herzmuskelverletzung kommen, wodurch kardiale Biomarker wie beispielsweise das hochsensitive Troponin in das Blut freigesetzt und dort nachgewiesen werden können. Troponin kann dabei auf eine Minderdurchblutung des Herzmuskels hindeuten, die auf eine mechanische Verletzung des Herzmuskels im Zuge des chirurgischen Eingriffs, aber nicht unbedingt auf einen Herzinfarkt zurückführen ist. „Im klinischen Alltag ist es extrem wichtig, einen im Zuge der Operation erwartbaren Anstieg kardialer Biomarker wie Troponin von einem unerwünschten Troponin-Anstieg nach einem Herzinfarkt in zeitlicher Nähe zur Herz-OP sofort unterscheiden zu können“, betont der Herzchirurg Prof. Armin Welz, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF).
Um mehr Erkenntnisse für ein effizienteres Testverfahren zu gewinnen, untersucht ein Forscher-Team um Dr. Tim Knochenhauer, Assistenzarzt an der Klinik und Poliklinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universitären Herz- und Gefäßzentrum Hamburg, die Dynamik kardialer Biomarker nach herzchirurgischen Eingriffen. „Unser Ziel ist es, die Dynamik neuer und etablierter Biomarker bei herzchirurgischen Eingriffen noch besser zu verstehen. Nur so können wir nach einer Operation eine relevante Herzmuskelschädigung infolge einer Minderdurchblutung des Herzens, beispielsweise einen Herzinfarkt, schneller und gezielter feststellen und behandeln“, erklärt Dr. Knochenhauer.
In der alltäglichen Diagnostik eines Herzinfarktes ist die Untersuchung von im Blut messbaren Biomarkern, vor allem dem hochsensitiven kardialen Troponin, längst etabliert. Serielle Troponinmessungen können inzwischen mit hoher Genauigkeit einen Herzinfarkt bestätigen oder ausschließen. Alternative Ursachen für einen Troponinanstieg im Blut nach herzchirurgischen Operationen sind beispielsweise die mechanische Manipulation am Herzmuskel oder die Operation am nicht-schlagenden Herzen unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine.
Aktuell hat die Europäische Gesellschaft für Herz-Thorax-Chirurgie (EACTS) in einem Konsensuspapier zum perioperativer Myokardinfarkt (PMI) eine Empfehlung mit Grenzwerten etablierter kardialer Biomarker (Kreatinkinase CK, die MB-Unterform CK-MB und Troponin) publiziert. Grenzwerte sind für eine Unterscheidung zwischen negativem oder positivem Befund wichtig. „Allerdings beziehen sich die Empfehlungen ,nur‘ auf die etablierten Biomarker, nicht aber auf weitere weniger etablierte Marker. Diese möchten wir im Rahmen der Diagnosestellung eines PMI erforschen“, sagt Knochenhauer.
Auch seien viele der diagnostischen Empfehlungen aufgrund der aktuellen Datenlage verbunden mit einer Troponinkontrolle zum Zeitpunkt postoperativ und 24 Stunden später. Eine Myokardischämie gelte es jedoch so früh wie möglich, bereits in der frühen postoperativen Phase, festzustellen, um die Sterblichkeit und das Outcome nach einer Bypassoperation zu verbessern, betont der Arzt und Forscher am UKE. „Ein perioperativer Herzinfarkt ist mit einer hohen Sterblichkeit verbunden und erfordert eine unmittelbare Therapie mit rascher Verbesserung der Durchblutung.“
Zur Diagnose des PMI ist die Zusammenschau mehrerer Befunde (Biomarker, Symptomatik, EKG, Echokardiographie) notwendig. Für Ärzte stellt ein PMI zudem eine Herausforderung dar, „weil die typischen Herzinfarkt-Symptome aufgrund von Narkose, Sedierung im Zuge der Operation fehlen oder Schmerzen im Brustkorb aufgrund des Eingriffs fehlinterpretiert werden könnten“, erklärt Knochenhauer. Die Studie soll zur schnelleren Diagnose des PMI beitragen und dabei helfen, weitere bisher nicht-etablierter Biomarker zu identifizieren.
In einer Pilotphase der Studie von April bis November 2022 wurden bereits 412 Patienten nach herzchirurgischem Eingriff (Bypass-/Herzklappen-OP) eingeschlossen und untersucht. In dieser Kohorte konnten Knochenhauer und Kollegen bereits signifikante Unterschiede in der Troponinveränderung nach der Operation zwischen Patienten mit und ohne aufgetretenem Herzinfarkt nachweisen. Zudem konnten sie zeigen, dass die höchsten Troponinwerte im Durchschnitt vier Stunden nach herzchirurgischem Eingriff nachzuweisen waren. Überdies wiesen männliche und weibliche Patienten innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Operation zu allen untersuchten Zeitpunkten signifikante Unterschiede zwischen den Troponinwerten auf, wobei bei Frauen höhere Werte gemessen wurden.
Basierend auf der Pilotstudie wird nun eine Fortführung der Studie geplant, um auch eine Nachbeobachtung der Studienteilnehmenden zu ermöglichen und eine Biobank mit Blut- und Gewebeproben aufzubauen. Die hierfür gewonnenen Biomaterialien sollen zur Erforschung noch nicht etablierter Biomarker und deren Nutzen für eine schnellere und spezifische Diagnostik eines Herzinfarktes nach herzchirurgischem Eingriff verwendet werden. Die Hamburger Herzforscher planen, die Studienkohorte auf über 1.500 Teilnehmer zu erweitern.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Stiftung für Herzforschung. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Frank Flores, Unsplash