Eine Patientin berichtet von unerträglichen Kopfschmerzen und Sehstörungen. Im CT zeigt sich eine Einblutung in die Hypophyse – ein absoluter Notfall. Wie geht’s jetzt weiter?
Eine 50-jährige Patientin kommt in die Notaufnahme und berichtet von einem Tunnelblick, d. h. die Randbereiche ihres Gesichtsfeldes beidseits sind verdunkelt. Zudem klagt die Patientin über plötzlich aufgetretene starke Kopfschmerzen (auf der visuellen Schmerzskala 9/10) und Lichtempfindlichkeit.
In der internistischen Untersuchung ergibt sich ein leicht erhöhter Puls mit 95 bpm. Die neurologische Untersuchung zeigt eine Ptosis links und bei Anheben des Augenlides eine Achsenabweichung des linken Bulbus nach links unten mit Adduktions- und Elevationschwäche sowie eine Mydriasis und ergibt zudem den Befund einer bitemporalen Hemianopsie sowie einer Visusminderung rechts, welche laut Patientin zunehmend ist. Die Laborwerte sind bis auf eine leichte Anämie normwertig. Im Serum ist der Natriumwert im unteren Normbereich. Es wird zügig ein CT des Schädels durchgeführt, welche eine Einblutung in die Hypophyse zeigt. Außerdem ergänzen die Kollegen der Radiologie zur ätiologischen Eingrenzung eine cMRT, in der sich ein eingeblutetes Hypophysenadenom mit deutlicher Kompression des Chiasma opticum nachweisen lässt.
Die Patientin erhält Hydrocortison und wird in die neurochirurgische Abteilung verlegt, wo nach ausführlicher Abwägung aufgrund der Progredienz der Symptome eine operative Dekompression durchgeführt wird. Es erfolgen zudem regelmäßige Elektrolytkontrollen. Die vor Hydrocortisongabe gewonnene Blutentnahme zur Bestimmung der Hormone der Hypophysenachse ergibt einen Mangel an ACTH und Cortisol. Die Hydrocortisontherapie wird fortgeführt. Die Oculomotorius-Parese links zeigt sich im weiteren stationären und Rehabilitations-Verlauf regredient. Eine geringe Sehkraftminderung bleibt auf dem rechten Auge bestehen.
Akute Schlaganfälle der Hypophyse nennt man Hypophysenapoplexie. Diese Ereignisse treten meist im Zusammenhang mit größenprogredienten Hypophysentumoren, in der Schwangerschaft, im Rahmen von großem Blutverlust z. B. postpartum, unter Antikoagulation, bei einer Thrombozytopenie oder einer Hypophysitis auf. Auch ein vermehrtes Auftreten nach Angiographien und orthopädischen oder herzchirurgischen Operationen sowie unter Therapie mit Dopaminagonisten und GnRH-Analoga wurde beobachtet. Neben dem Auftreten eines Donnerschlagkopfschmerz präsentieren sich die Ischämien und Blutungen häufig auch mit Ausfallserscheinungen, die durch eine Kompression von Hirnnerven verursacht werden und durch Symptome einer Hypophyseninsuffizienz.
Aufgrund ihres Hypophysen-nahen Verlaufes durch den Sinus cavernosus sind meist der Nervus oculomotorius und das Chiasma opticum betroffen. Die verschiedenen Symptome die durch eine Kompression oder Insuffizienz auftreten können, sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Allgemeine Symptome sind Donnerschlagkopfschmerz, Lichtempfindlichkeit, Übelkeit, Erbrechen und Bewusstseinsminderung.
Die Symptome können akut, aber auch subakut auftreten. Wenn eine Augenbewegungsstörung oder Sehstörung in Kombination mit starken oder zunehmenden Kopfschmerzen und ggf. einer Bewusstseinsminderung sowie eine Kreislaufinstabilität auftritt, sollte daher dringend auch an die Hypophyse gedacht werden. Es gibt harmlose aber auch gefährliche Differentialdiagnosen, die es ebenfalls abzuklären gilt. Dazu zählen:
Zur Notfalldiagnostik wird in der Regel aufgrund der flächendeckenden Verfügbarkeit zunächst ein cCT durchgeführt und bei unauffälligem cCT und/oder zur ätiologischen Eingrenzung ein cMRT (diagnostisches Mittel der Wahl). Hier können auch Ischämien dargestellt werden, welche im cCT normalerweise nicht abgrenzbar sind. Regelmäßige, engmaschige Elektrolytkontrollen und Hormonspiegel-Bestimmungen (insbesondere ACTH) sind essentiell, da eine Hypophyseninsuffizienz potentiell tödlich ist. Auch Wochen nach dem Ereignis kann weiterhin eine Insuffizienz bestehen, weswegen auch eine gewissenhafte Nachsorge erfolgen sollte.
Bei progredienten Hirnnervenparesen, zunehmenden Sehstörungen oder einer Bewusstseinsstörung empfiehlt sich eine operative Dekompression innerhalb von 24 Stunden. Bevorzugte Zugangswege sind je nach Verfügbarkeit mikroskopisch endonasal oder sublabial transsphenoidal. Bei stabiler oder rückläufiger Symptomatik kann auch eine konservative Therapie erwogen werden. Sowohl nach einer Operation als auch beim konservativen Management wird häufig eine deutliche Besserung der Symptome beobachtet. In bis zu 2 % der Fälle endet die Erkrankung jedoch tödlich. Auch wenn das Krankheitsbild insgesamt selten ist, sollte daher eine Hypophysenapoplexie bei entsprechender Symptomatik differentialdiagnostisch erwogen werden.
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