Sildenafil wird gerne gestohlen – ob wegen seiner stimulierenden Wirkung als Viagra oder zum Mischen mit Drogen. Ein aktueller Fall zeigt: Es wird nicht genug getan, um den Dieben den Garaus zu machen.
Ein Diebstahl von Arzneimitteln sorgte kürzlich für viel Aufregung auf dem Pharmasektor. Der Hersteller Neuraxpharm meldete Ende Januar den Verlust von insgesamt 1.344 Packungen Sildenafil-Neuraxpharm® 100 mg Filmtabletten, 12 Stück, mit der Charge 230108. Trotz technischer Markierung in Securpharm blieben die gestohlenen Packungen weiterhin als abgabefähig gekennzeichnet. Der Rückruf dieser Packungen seitens des Herstellers ist zum aktuellen Zeitpunkt auch weiterhin nicht geplant, so die offizielle Stellungnahme der Firma.
Die Branche wird immer wieder mit vergleichbaren Vorfällen konfrontiert. In der Vergangenheit wurde bereits Sildaristo® bei einem Großhändler gestohlen, was anschließend zu ähnlichen Sicherheitsmaßnahmen und erhöhter Wachsamkeit innerhalb der Vertriebskette führte. Das gestohlene Arzneimittel, Sildenafil, ist kein Unbekannter in der Pharmawelt. Vor genau 25 Jahren erhielt es die US-Zulassung zur Behandlung von Männern mit erektiler Dysfunktion (ED) und wurde unter dem Namen Viagra® weltweit bekannt. Seitdem hat sich Sildenafil auch in der Behandlung von pulmonaler arterieller Hypertonie (PAH) bewährt. Ein Antrag auf Entlassung aus der Rezeptpflicht wurde im Jahr 2022 vom BfArM jedoch abgelehnt.
Die Wirkweise von Sildenafil beruht auf seiner Eigenschaft als Hemmstoff der Phosphodiesterase Typ 5 (PDE5). Durch diese Hemmung kommt es zu einer Erhöhung des intrazellulären Botenstoffs zyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP), was wiederum eine Vasodilatation bewirkt und somit die Gefäßerweiterung und damit eine verbesserte Erektion unterstützt. Die Anwendung von Sildenafil ist jedoch nicht frei von Risiken und Nebenwirkungen. Insbesondere die möglichen Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen, wie beispielsweise Nitraten oder CYP3A4-Hemmern, erfordern eine sorgfältige Abwägung und Überwachung durch Fachpersonal. Zudem unterliegt die Therapie mit Sildenafil nicht umsonst einer ärztlichen Diagnostik, denn die ED ist oft ein Vorbote für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und mit vielen anderen Störungen assoziiert. Das waren die Hauptgründe, die Verschreibungspflicht beizubehalten, obwohl eine Freigabe möglicherweise positive Auswirkungen auf den illegalen Handel mit Sildenafil gehabt hätte (DocCheck berichtete). Hier wird auch eine Gefahr für die Gesundheit gesehen, weshalb der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht des BfArM den Wirkstoff im vergangenen Jahr nicht aus der Verschreibungspflicht entlassen wollte.
Die lebensbedrohliche pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) ist durch einen erhöhten Blutdruck in den Lungenarterien gekennzeichnet, was zu einer Überlastung des rechten Herzens und letztendlich zu Herzversagen führen kann. Sildenafil wirkt hier durch die Erweiterung der Lungengefäße und kann so den Blutdruck senken und die Belastung des Herzens verringern, was eine deutliche Verbesserung für die Lebensqualität der Patienten bedeutet.
Obwohl Sildenafil als effektive Behandlungsmöglichkeit bei ED und PAH bereits etabliert ist, kann die Anwendung durchaus mit Risiken verbunden sein. Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Gesichtsrötung und Verdauungsstörungen sind nicht selten und erfordern eine sorgfältige Abwägung der potenziellen Vorteile und Risiken durch den behandelnden Arzt.
Die Zukunft von Sildenafil könnte sich jedoch noch weiterentwickeln. Es gibt Diskussionen darüber, ob Sildenafil in zusätzlichen Indikationen wirksam sein könnte, wie z. B. bei pulmonaler Hypertonie im Zusammenhang mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder Fibrose, bei chronisch-thromboembolischer pulmonaler Hypertonie und anderen vaskulären Erkrankungen. Diese Potenziale könnten die Bedeutung von Sildenafil als vielseitiges Medikament weiter stärken und seinen Stellenwert in der medizinischen Praxis erweitern.
Sildenafil hat sich aber natürlich in erster Linie als eines der wichtigsten, da wirksamsten, Medikamente bei der Behandlung von erektiler Dysfunktion (ED) bewährt und ist vor allem für diese Eigenschaft innerhalb der breiten Bevölkerung bekannt geworden. Dieser Erfolg hat jedoch auch dazu geführt, dass Sildenafil schon früh in den Fokus von Dieben geraten ist, die illegal damit handeln – denn es wird bei weitem nicht nur medizinisch genutzt.
Bereits kurz nach der Markteinführung wurden zahlreiche Fälle bekannt, in denen das Medikament für illegale Zwecke entwendet wurde. Ein besonders spektakulärer Vorfall ereignete sich beispielsweise am Flughafen Heathrow in London, wo ein Container mit 230 Pfund des Wirkstoffs gestohlen wurde – sein Inhalt hatte damals einen Wert von mehr als 10 Millionen Mark. Die Diebe hatten es offensichtlich ganz gezielt auf das Sildenafil abgesehen, um es anschließend mit Ecstasy zu mischen und auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Dieser gefährliche Mix, bekannt als „Sextasy“, wurde in der Clubszene gehandelt und stellt nach wie vor eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit dar, da er zu Herzversagen führen kann. Diese Vorfälle verdeutlichen die Dringlichkeit, die Sicherheitsmaßnahmen entlang der gesamten Lieferkette zu verstärken.
Insgesamt ist und bleibt Sildenafil für die Apotheken ein wichtiger Wirkstoff. Es ist jedoch unerlässlich, dass die Sicherheit und Integrität der Vertriebskette gewährleistet werden, um den illegalen Handel mit diesem Medikament – und die damit verbundene Kriminalität – einzudämmen.
Die jüngsten Diebstähle von Sildenafil verdeutlichen die Notwendigkeit einer verstärkten Sicherheitsüberwachung entlang der gesamten Vertriebskette. Apotheker werden daher vom BfArM dazu aufgerufen, besonders wachsam zu sein und verdächtige Aktivitäten unverzüglich zu melden. Doch seien wir ehrlich: Wie häufig kommt es vor, dass einem in der Apotheke plötzlich aus dunklen Kanälen verschreibungspflichtige Medikamente angeboten werden? So etwas passiert nicht, und die gestohlenen Sildenafil Tabletten werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie wieder eine Apotheke von innen sehen. Da hilft auch keine Securpharm-Registrierung, denn die Diebe werden es nirgendwo mehr ausbuchen.
Bildquelle: erstellt mit Midjourney