Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass 17 Prozent aller Kinder und Jugendlichen mindestens einmal pro Monat Kopfschmerzen haben, sieben Prozent der Befragten sogar wöchentlich. Viele Kinder könnten ihre Kopfschmerzen mit Entspannungstechniken lindern, so eine Studie.
Im Rahmen einer Studie mit mehr als 200 unter Kopfschmerzen leidenden Jungen und Mädchen haben Psychologen der Universität Göttingen nun ein Trainingsprogramm entwickelt, das sich als Alternative zu einer Behandlung ausschließlich mit Analgetika erwiesen hat. Mit diesem Selbsthilfetraining können betroffene Kinder ihre Kopfschmerzfrequenz deutlich senken. Das Training ist für Kinder und Jugendliche entwickelt worden, die unter häufigen Kopfschmerzen leiden und selbst etwas dagegen unternehmen möchten. Achtzig Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 8 und 14 Jahren haben an der Studie teilgenommen. Über einen Zeitraum von zwei Monaten absolvierten sie verhaltenstherapeutische Trainingsprogramme. „Die Kopfschmerzen haben sich während der Therapie bei ca. 60 Prozent der Patienten nach eigenen Angaben sehr verbessert“, resümierte Prof. Dr. Birgit Kröner-Herwig, Leiterin der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Göttingen. 11 Prozent der Kinder erklärten nach der Behandlung, sie wären beschwerdefrei. Auch ein halbes Jahr nach dem Training waren die Kopfschmerzen bei einem Großteil der Kinder um bis zu 15 Prozent verringert. „Wichtig ist eine kindgerechte Edukation über Kopfschmerzen. Kinder müssen über die letztendlich ungefährlichen Symptome aufgeklärt werden“, so Gaul und Ebinger in einer Übersichtsarbeit.
„Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass nicht-medikamentöse prophylaktische Maßnahmen, insbesondere Verfahren der kognitiven Verhaltenstherapie, eine sehr hohe Erfolgsrate aufweisen“, so die Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) und der Gesellschaft für Neuropädiatrie. Hilfreich sind Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson und Phantasiereisen, Biofeedback-Verfahren sowie mit Einschränkungen das Autogene Training. Diese Programme berücksichtigen neben dem Erlernen von Techniken auch die Elternarbeit und die Edukation. Kognitiv-verhaltenstherapeutische Multikomponentenprogramme setzen sich meist aus folgenden Bausteinen zusammen:
Knapp 100 Studien belegten, dass Biofeedback bei Kopfschmerzen langfristig und ausgesprochen gut hilft, sagt die Juniorprofessorin und Psychologin Yvonne Nestoriuc von der Universität Marburg. Die Zahl der Anfälle reduziert sich um mindestens die Hälfte. Selbst Patienten, die jahrelang versucht haben, ihre Kopfschmerzen mit Tabletten zu bekämpfen, sprechen auf Biofeedback an. Wissenschaftler um Damen et al. haben im Jahr 2006 19 Studien unter die Lupe genommen, die nicht-medikamentöse Methoden, die einer Migräne bei Heranwachsenden vorbeugen sollten, als Studienziel hatten. Insgesamt nahmen gut 800 Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren an den Studien teil. Die Ergebnisse der Studien deuten darauf hin, dass eine Entspannungstherapie, kombiniert mit Biofeedback oder einer kognitiven Verhaltenstherapie, prophylaktische Wirkungen haben kann. Entspannungsverfahren allein reichen vermutlich jedoch nicht aus, um eine bedeutsame Besserung zu erreichen.
Nach Untersuchungen der Aktion „Gläserne Schule in Schleswig-Holstein“ des Instituts für Suchtprävention und Angewandte Pädagogische Psychologie in Bremen gehören Kopfschmerzen heute zu den Hauptgesundheitsproblemen von Schulkindern. Je nach Schultyp geben zwischen 20 und 50 Prozent der Schüler Kopfschmerzen als wichtiges und hartnäckiges Gesundheitsproblem an. Die Grundschullehrerin Karin Frisch und der Neurologe Prof. Dr. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel, haben ein Paket für Lehrer entwickelt. Die Unterrichtsreihe sieht drei Doppelstunden vor. Ziel ist es, gesundheitsschädliche Verhaltensweisen im alltäglichen Kontext der Jugendlichen aufzugreifen und Lösungsmuster zur Vermeidung zu vermitteln.
In einer randomisierten klinischen Studie wurde das kognitiv-behaviorale Selbstmanagement-Programm „Headstrong“ evaluiert. An der im Jahr 2014 publizierten Studie von Rapoff et al. nahmen 35 Kinder im Alter zwischen 7 und 12 Jahren mit mindestens einer Migräneattacke pro Woche teil. Nach Randomisierung absolvierten 18 Kinder über vier Wochen das CD-gestützte „Headstrong“-Programm und 17 Kinder der Vergleichsgruppe ein Edukationsprogramm ohne Coping-Elemente. 57 Prozent der Kinder wurden mit Ibuprofen und/oder Nortriptylin behandelt. Als Coping-Strategien wurden Triggersituationen, Entspannungstechniken und kognitive Restrukturierung angewendet. Die Datenlage zur Wirksamkeit von Verhaltenstherapien bei Kopfschmerz und Migräne im Kindesalter ist gut, es existieren viele unterschiedliche kognitive Programme und Angebote. Diese Datenbasis wirft die Frage auf, warum derartige Therapien nicht viel häufiger adjuvant eingesetzt werden.