Nach acht Jahren sind nun die neuen Nationalen Versorgungsleitlinien zur chronischen Herzinsuffizienz erschienen. Sie enthält Empfehlungen für einen Medikationsplan und für die koordinierte Versorgung der Patienten. Neue Medikamente werden kritisch beleuchtet.
Wenn neue Nationale Versorgungsleitlinien (NVL) herausgegeben werden, ist das eine große Sache: Jahre zuvor haben die Mitarbeiter vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (AZQ) nationale und internationale Studien durchforstet und ausgewertet. Experten der beteiligten Fachgesellschaften haben in langen Gesprächen beraten, die Öffentlichkeit wurde befragt, Konsense gefunden und Flyer vorbereitet. Jetzt ist es wieder soweit: Nach acht Jahren wurden im Oktober die neue NVL zu chronischer Herzinsuffizienz herausgegeben, es ist die zweite Auflage. „In der neuen Nationalen Versorgungsleitlinie zu Herzinsuffizienz gibt es Neuerungen in der medikamentösen und invasiven Therapie sowie bei der Versorgungskoordination“, sagt Peggy Prien, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Evidenzbasierte Medizin und Leitlinien beim AZQ.
AZQ-Mitarbeiterin Peggy Prien So habe es in den vergangenen Jahren einige neue Medikamente gegeben, unter anderen Ivabradin, das die Herzfrequenz senke: „Es sollte bei Patienten eingesetzt werden, die nicht ausreichend auf Betablocker ansprechen. Bei Patienten, die in den Studien mindestens 50 Prozent der empfohlenen Dosierung an Betablockern eingenommen haben, hat Ivabradin keine zusätzliche Wirkung gehabt“, so Prien. Darum empfehle die Leitlinie dieses Medikament nur dann, wenn Patienten wegen Kontraindikation oder Unverträglichkeit keine Betablocker nehmen dürften oder wenn sie schon eine hohe Dosis Betablocker nähmen, die Herzfrequenz aber trotzdem noch zu hoch sei. „Allerdings soll Ivabradin nicht gegeben werden, wenn Patienten Herzrhythmusstörungen haben“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin: „Sie sollten auch regelmäßig daraufhin kontrolliert werden, denn Vorhofflimmern ist eine typische Nebenwirkung von Ivabradin. Wenn das passiert, soll man das Medikament absetzen.“
Eine weitere Neuerung gäbe es auch bezüglich des Medikaments Sacubitril/Valsartan, so Prien. „Dieses Medikament wurde gegen ACE-Hemmer getestet. Es erhält in vielen internationalen Leitlinien eine ‚Soll-Empfehlung‘, unsere Experten haben sich aber auf die schwächere ‚Sollte- Empfehlung‘ geeinigt.“ Der Grund: Bisher habe es nur eine, wenn auch große Studie gegeben, die aber die Probanden stark selektiert habe. Zusätzlich habe es eine Einführungsphase gegeben, in der alle Patienten mit Nebenwirkungen ausgeschlossen worden seien. „Deshalb empfehlen die Experten der NVL Sacubitril/Valsartan erst dann, wenn Patienten trotz Behandlung mit richtig dosierten ACE-Hemmern, Beta-Blockern und Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten (MRA) symptomatisch bleiben“, erklärt Prien, „die Experten weisen auch auf die Unsicherheit bezüglich der Neben- und Langzeitwirkungen hin.“ Ein weiteres Ergebnis der überarbeiteten NVL ist, dass bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion nach wie vor kein Medikament empfohlen wird, mit Ausnahme von Diuretika bei Ödemen: „Nach unseren Recherchen haben wir nicht feststellen können, dass irgendein Medikament den Patienten wirklich einen Nutzen für die Prognose bringt“, sagt Prien: „Das heißt, alle Patienten, die diese Form der Herzinsuffizienz haben, sollen nach ihren Begleiterkrankungen wie etwa Bluthochdruck behandelt werden. Spezielle Medikamente für diese Form der Herzinsuffizienz gibt es nach wie vor nicht.“ Die neue NVL empfiehlt zudem einen Mediaktionsplan, da Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz oft viele Medikamente einnehmen müssen. Dieser soll der regelmäßig von Ärzten und Apothekern überprüft werden und auch OTC-Präparate einschließen.
Die Indikation für eine kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) wird Patienten mit Sinusrhythmus anhand von Schenkelblockmorphologie und QRS-Breite gestellt. Bei Vorhofflimmern ist eine CRT jedoch nur in Ausnahmefällen ratsam. Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie empfiehlt die NVL einen implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (ICD) als Prophylaxe für den plötzlichen Herztod. Insgesamt sollten nach der neuen Leitlinie alle Patienten, die an chronischer Herzinsuffizienz leiden, in ein Programm für Herzkranke eingebunden werden. Auch eine gut koordinierte multidisziplinäre Versorgung unter Einbeziehung aller Beteiligten sollte angestrebt und diese kontinuierlich geschult werden, damit sie auf dem neuesten Wissensstand sind. Die NVL hebt hervor, dass insbesondere Patienten mit schlechter Prognose durch spezialisierte Pflegekräfte, telefonische Betreuung oder Telemedizin intensiver als bisher betreut werden sollen. Für die tägliche Praxis in der hausärztlichen Versorgung haben die Mitarbeiter des AZQ Informationen für spezifische Gesprächs- und Entscheidungssituationen entwickelt, die Ärzte unterstützen sollen. „Alle weiteren Grundsätze der medikamentösen Therapie für die chronische Herzinsuffizienz sind gleich geblieben und auf unserer Homepage nachzulesen“, sagt AZQ-Mitarbeiterin Prien. „Die Basis-Therapie arbeitet nach wie vor mit ACE-Hemmern, Betablockern sowie mit den Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten Eplerenon und Spironolacton. Bei Ödemen kommen Diuretika dazu.“