Ein Spermium befruchtet die Eizelle – in den meisten Fällen. Doch was passiert mit dem Rest? Eine neue Studie zeigt jetzt, wie Zona pellucida Proteine die Eizelle vor Polyspermie schützen.
Mit Hilfe der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) haben Forscher des Karolinska Institutet in Schweden den Fortpflanzungsmechanismus entdeckt, der Polyspermie dauerhaft blockiert – ein pathologischer Zustand, der entsteht, wenn mehr als ein Spermium mit der Eizelle verschmilzt, und der für die Entwicklung des Embryos tödlich ist. Sie haben auch die atomare Architektur der Eihülle aufgedeckt, die eine Reihe von genetischen Mutationen erklärt, die zu Unfruchtbarkeit führen, und die einen Einfluss auf die Entwicklung nicht-hormoneller Verhütungsmittel haben könnte. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Cell veröffentlicht.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit etwa 15 % der Paare von Unfruchtbarkeit betroffen. Einige Fälle von Unfruchtbarkeit werden mit Mutationen in den Genen in Verbindung gebracht, die für die Bildung der Eihülle verantwortlich sind. Die Eihülle, auch Zona pellucida (ZP) genannt, ist eine extrazelluläre Matrix, die für das Wachstum der Eizelle, die Befruchtung und den Schutz des Embryos bis zur Einnistung in die Gebärmutter unerlässlich ist. Die ZP besteht aus mehreren Proteinen, die zu langen Filamenten polymerisieren, die ein „Netz“ um die Eizelle bilden. Mutationen in ZP-Proteinen können Defekte oder ein Fehlen dieses Netzes verursachen.
Derzeit ist unklar, wie viele Menschen pathogene Mutationen in ZP-Genen tragen, da nicht bei allen unfruchtbaren Frauen das Genom sequenziert wurde. Bislang wurden jedoch mehrere verschiedene Arten solcher Mutationen gemeldet. „Wir müssen die Prozesse, die während der Befruchtung ablaufen, auf molekularer Ebene verstehen“, sagt Luca Jovine, Professor am Karolinska Institutet in Schweden und Leiter der Studie. Gemeinsam mit Forschern der Universitäten von Osaka, Tokio und Pittsburgh sowie der ESRF haben sie herausgefunden, wie die Umordnung der ZP-Filamente die Befruchtung einer Eizelle durch mehr als ein Spermium verhindert.
Bis heute wussten Wissenschaftler, dass die Eizelle nach der Verschmelzung mit einem Spermium, ein Enzym freisetzt, das das ZP-Protein ZP2 spaltet. Auch war lange bekannt, dass die Eihülle nach der Befruchtung „aushärtet“ und die Spermien sie nicht mehr durchdringen können. Der Zusammenhang zwischen diesen Prozessen und der Ursache für den Polyspermieblock blieb jedoch unklar. „Wir wussten, dass diese Vorgänge miteinander verbunden sind, aber es fehlte ein molekularer Mechanismus, der die verschiedenen Teile des Puzzles miteinander verbindet“, erklärt Jovine.
Das Team wollte die Struktur von ZP2 vor und nach der durch die Eizellen-Spermien-Fusion ausgelösten Spaltung untersuchen und herausfinden, wie die ZP2-Spaltung die Gesamtstruktur des ZP-Netzes verändern kann. Zu diesem Zweck bestimmten sie verschiedene ZP2- und Eihüllenfilamentstrukturen mit Hilfe der Röntgenkristallographie an der ESRF, der Diamond Light Source und BESSY II sowie der Kryo-Elektronenmikroskopie im SciLifeLab in Stockholm. Daniele de Sanctis, verantwortlicher Wissenschaftler für die Beamline ID29 zur Kristallographie an der ESRF und Mitautor der Studie, erklärt: „Es ist einfach erstaunlich, die atomaren Details eines so grundlegenden Prozesses des Lebens zu sehen. Im Laufe der Jahre haben wir den neuesten Stand der Technik der ESRF-Beamlines genutzt, um die Struktur der molekularen Bausteine zu entschlüsseln, aus denen ZP besteht“.
Jovine und seine Kollegen entdeckten, dass der abgespaltene Teil des ZP2, der aus dem Filament der Eihülle herausragt, es ihm ermöglicht, neue Wechselwirkungen mit anderen ZP2-Molekülen zu bilden. Durch diese Wechselwirkungen entsteht ein umfangreiches Netz von Querverbindungen, die die Filamente näher zueinander bringen. Durch die Versteifung der Eihülle und die Straffung ihrer Maschen wird verhindert, dass weitere Spermien in die ZP eindringen. „Es ist wie ein Reißverschluss, der zugemacht wird“, sagt Jovine.
Das System blockiert die Polyspermie nicht, indem es die Bindung der Spermien an die ZP aufhebt (wie bisher angenommen wurde), sondern indem es das Eindringen der Spermien in die Eihülle verhindert. „Das von uns entdeckte mechanische System ist aus evolutionärer Sicht sehr logisch, weil es die Spermien dauerhaft blockiert, unabhängig davon, wie sie sich an die Eihülle anlagern, was bei verschiedenen Arten unterschiedlich sein kann“, erklärt Jovine.
Diese Erkenntnisse sind zwar von grundlegender Bedeutung, haben aber wichtige Auswirkungen auf die zukünftige Reproduktionsmedizin: „Zum ersten Mal haben wir einen molekularen Überblick darüber, wie die Eihülle ihre Architektur nach der Befruchtung verändert und wie dies ihre Funktion beeinflusst. Dieses Wissen ermöglicht es uns, die wachsende Zahl menschlicher ZP-Genmutationen zu interpretieren, die mit weiblicher Unfruchtbarkeit in Verbindung gebracht werden“, erklärt Jovine. „Da die Eihülle in vivo für die Fruchtbarkeit erforderlich ist, könnten detaillierte Informationen über ihre Struktur diagnostische Anwendung finden und theoretisch für die Entwicklung nicht-hormoneller Verhütungsmittel genutzt werden“, schließt er ab.
Die strukturbiologischen Beamlines der ESRF haben bei diesem Vorhaben eine wichtige Rolle gespielt. Bereits 2017 haben sie erstmals gezeigt, wie sich Eihülle und Spermien zu Beginn der Befruchtung gegenseitig erkennen, und 2010 haben sie die 3D-Struktur von ZP3 gelöst, einer weiteren wichtigen Untereinheit der Eihülle, von der man annimmt, dass sie auch als Rezeptor für Spermien fungiert. „Wir planen bereits jetzt neue Experimente, die durch die neue ‚Extremely Brilliant Source‘ an der ESRF möglich geworden sind“, so De Sanctis abschließend.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der European Synchrotron Radiation Facility. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Justus Hinz, Unsplash