Ein Medulloblastom bei Erwachsenen ist selten – oft fehlen dann Daten, um Folgeschäden zu vermeiden und die Behandlung effektiver zu machen. Eine neue Studie zur personalisierten und risikoadaptierten Therapie soll die Wissenslücke nun schließen.
Hämmernde Kopfschmerzen, andauernder Schwindel, schnell einsetzende Übelkeit gefolgt von Erbrechen. Was grundsätzlich erst einmal nach einem Infekt klingt, entwickelte sich für Michael H. von einem Tag auf den anderen zu einem Alptraum. Er konsultierte Ärzte verschiedener Fachrichtungen und durchlief umfangreiche Untersuchungen. Dann stand die Diagnose fest: ein sehr seltener Kleinhirntumor, ein sogenanntes Medulloblastom. In der Folge musste der heute 32-jährige mehrere Gehirnoperationen auf sich nehmen. Zwar konnte der Tumor lokalisiert und entfernt werden, doch die Folgeschäden der Erkrankung belasten Michael H. auch Wochen und Monate später noch.
An einen normalen Tagesablauf ist nicht zu denken. Damit sich das ändert, nimmt der zweifache Familienvater nun an einer Studie der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums Regensburg teil. Ziel der Studie ist es, die Wirksamkeit der Behandlung zu verbessern und zusätzlich die Folgeschäden der Erkrankung sowie der Therapie zu untersuchen und in weiteren Schritten zu minimieren. „Der Patient wurde an einem anderen Klinikum operiert und dann zu uns überwiesen. Seine Erkrankung ist sehr selten, gerade in seinem Alter. Im Normalfall kommt ein solcher Tumor des Kleinhirns eher bei Kindern vor der Pubertät vor“, erklärt Prof. Peter Hau, Oberarzt der Klinik und Poliklinik
Nur etwa 450 Menschen sind jährlich in Europa von einem Medulloblastom betroffen. Doch während es die zweithäufigste Hirntumorform bei Kindern ist, ist ein Fall wie der von Michael H. extrem selten und muss, weil schnell wachsend, auch schnell entfernt werden. Was zusätzlich zum chirurgischen Eingriff folgt, sind Strahlen- und Chemotherapie. „Das Problem, wenn der Tumor entfernt ist, sind die Folgeschäden, die durch die Strahlen- und Chemotherapie verursacht werden, da die Nebenwirkungen dieser Behandlung extrem hoch sind. Kognitive Störungen wie zunehmende Vergesslichkeit, herabgesetzte Aufmerksamkeit, Konzentrationsprobleme, Sprech- und Hörstörungen, Orientierungsprobleme und Fatigue können die Betroffenen in ihrem Alltag extrem einschränken und belasten“, so Hau weiter.
Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung bei erwachsenen Patienten, existieren kaum verwertbare medizinische und wissenschaftliche Daten, um klinische Fortschritte in der Behandlung zu dokumentieren. „Gerade bei Betroffenen nach der Pubertät ist das Risiko, an einem Medulloblastom zu versterben oder an schweren Folgeerkrankungen zu leiden, hoch. Hier wissen wir noch zu wenig und wollen mit unserer Forschungsarbeit einen Beitrag leisten, um diese Wissenslücke zu schließen.“ Dazu wurde am UKR und weiteren deutschen und internationalen Kliniken die Phase-II-Studie „Personalisierte risikoadaptierte Therapie bei postpubertären Patienten mit neu diagnostiziertem Medulloblastom (PersoMed-I)“ initiiert. Patienten werden hierbei gezielt mit einer geringeren Strahlentherapie-Dosis behandelt, um die Toxizität zu reduzieren und somit mögliche Folgeschäden zu minimieren.
„Wir erhoffen uns, aus der systematischen Untersuchung von Tumormaterial, Blut und Liquor Erkenntnisse zu gewinnen, die zu einer weiteren Verbesserung der Behandlung beitragen. Zusätzlich werden wir die Lebensqualität, die kognitive Funktion sowie Aspekte zu Fertilität und Kinderwunsch in die Auswertungen einbeziehen“, resümiert Hau. „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir das Wissen über das Medulloblastom bei Patienten nach der Pubertät erheblich verbessern und Ergebnisse erzielen werden, die sich direkt in die Klinik übertragen lassen und für die Gestaltung künftiger Therapien und klinischer Studien unmittelbaren Nutzen haben werden.“ Für Patienten wie Michael H. würde das eine nachhaltige Verbesserung seiner Lebensqualität bedeuten.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikum Regensburg (UKR).
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