Wie sich eine Krebserkrankung entwickelt, ist oft schwer vorherzusagen. Nun haben Forscher bei Melanompatienten gezeigt, dass sich durch die Anzahl der gestreuten Krebszellen in den Wächterlymphknoten genauer prognostizieren lässt, wie groß die Überlebenschance ist.
Im Vergleich zum weißen Hautkrebs tritt das Melanom viel seltener auf, verursacht aber deutlich mehr Todesfälle. Die Prognose von Melanompatienten und die damit verbundene Wahl der Therapie hängen nicht nur von der Dicke des Primärtumors ab, sondern auch davon, ob sich in den nächstgelegenen Lymphknoten schon Krebszellen angesiedelt haben. Die Analyse der sogenannten Wächterlymphknoten ist allerdings sehr zeitaufwändig, da bislang jeder entnommene Lymphknoten Schicht für Schicht von einem Pathologen auf Krebszellen untersucht werden musste. Nun konnte ein Forscherteam der Universitäten Tübingen und Regensburg zeigen, dass sich die Anzahl der gestreuten Krebszellen in den Wächterlymphknoten rasch mit einem immunozytologischen Test bestimmen lässt. Wie die Wissenschaftler um Prof. Anja Ulmer und Prof. Christoph Klein im Fachmagazin PLOS Medicine berichten, besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Anzahl der gestreuten Zellen und dem Risiko, an der Krankheit zu sterben. Im Rahmen einer Studie untersuchte das Forscherteam 1.834 Wächterlymphknoten von 1.027 Melanompatienten, die noch keine Metastasen hatten und deren Primärtumoren mit wenigen Ausnahmen dicker als ein Millimeter waren. Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit betrug 49 Monate; 138 Patienten verstarben an ihrem Melanom.
Die entnommenen Lymphknoten teilten die Forscher in zwei Teile. Eine Hälfte analysierten sie mit herkömmlichen Methoden, die andere Hälfte mit dem Verfahren, das Kleins Team einige Jahre zuvor entwickelt hatte. Dafür mussten die Forscher das Lymphknotengewebe zuerst mit einem rotierenden Messer in einzelne Zellen zerteilen. „Tumorzellen sind im Lymphknoten nicht gleichmäßig verteilt. Deshalb sind vor allem kleine Krebsnester mit histopathologischen Methoden nicht einfach aufzufinden“, sagt Klein. „Indem wir die Lymphknoten homogenisierten, konnten wir dieses Problem umgehen.“ Die so gewonnenen Zellen trugen Klein und seine Mitarbeiter anschließend als Suspension auf einen Objektträger auf und markierten Krebszellen mithilfe eines Antikörpers gegen gp100 – ein Protein, das als Biomarker für das Melanom dient. In 525 der Patienten fanden die Forscher gp100-positive Zellen. „Auf dem Objektträger können wir die Krebszellen genau zählen“, sagt Klein. „Dadurch lässt sich ihre Ausbreitung im Lymphknoten genau quantifizieren.“ Die Anzahl der gp100-positiven Zellen wird pro eine Millionen Lymphknotenzellen angegeben und ist proportional zum Risiko, dass der Patient an seiner Erkrankung verstirbt: Jede Verzehnfachung der Krebszelldichte, so Klein, führe ungefähr zu einer Verdoppelung des Risikos.
In 45 von 46 getesteten Patienten konnten Klein und sein Team Erbgutveränderungen in den gp100-positiven Zellen entdecken. Auch wenn Krebszellen in den Lymphknoten die Prognose des Melanompatienten verschlechtern, bedeutet das noch lange nicht, dass jede dieser Zelle zu einer Metastase heranwächst: „Wir wissen seit kurzem, dass Streuung und Metastasierung nicht dasselbe sind“, sagt Klein. „Die meisten der gestreuten Krebszellen sind Versager und wachsen nicht weiter.“ Er und sein Team konnten in einer weiteren Analyse auch zeigen, dass die Krebszelldichte im Wächterlymphknoten in Kombination mit den Prognosefaktoren Dicke und Ulzerationsgrad des Primärtumors besser die Überlebenswahrscheinlichkeit der Melanompatienten vorhersagt als die bisherige TNM-Klassifikation. „Es ist wichtig, den Primärtumor in die Prognose miteinzubeziehen, da er nicht nur Krebszellen streut, sondern wahrscheinlich auch molekulare Faktoren aussendet, die darauf einen Einfluss haben, ob die gestreuten Zellen in der Lage sind, Metastasen zu begründen“, sagt Klein. Nach seiner Ansicht sollte die quantitative Immunozytologie zur Bestimmung der Krebszelldichte in Lymphknoten und dem daraus resultierenden Klassifikationssystem aber erst dann zum klinischen Einsatz kommen, wenn eine unabhängige Studie die Ergebnisse bestätigt.
Für andere Experten wie Prof. Dirk Schadendorf, Leiter des Hauttumorzentrums Essen, ist der von Kleins Arbeitsgruppe gewählte Ansatz nicht etwas völlig Neues: „Es gibt bereits eine Methode, mit deren Hilfe die Ausbreitung von Melanomzellen in Lymphknoten abgeschätzt wird“, sagt Schadendorf. „Dabei zählt man keine Zellen, sondern bestimmt die Größe der Krebszellnester. Sind diese kleiner als 0,1 Millimeter, ist die Prognose fast so gut, wie wenn keine Krebszellen im Lymphknoten wären. Sind die Nester größer als ein Millimeter, ist die Prognose außerordentlich ungünstig und eine weitere Metastasierung sehr wahrscheinlich.“ Dieses Klassifikationssystem, das nicht auf Frischgewebe des Lymphknotens angewiesen sei, so der Mediziner, werde bereits in klinischen Studien bei der Diagnoseabschätzung von Patienten verwendet. „Darüber hinaus“, findet Schadendorf, „wird es in Zukunft immer wichtiger werden, das molekulare Profil der Krebszellen zu analysieren, da die Art der vorhandenen Mutationen große Auswirkungen auf die Therapie hat.“