Bei weit über 200 verschiedenen Ataxien ist wahre Detektivarbeit notwendig, um die richtige Diagnose zu stellen. Eine aktualisierte Leitlinie gibt Hilfestellung.
Bei einem schwankenden, unsicheren Gang ist der Fall meist schnell geklärt, wenn Alkohol im Spiel ist – Diagnose: Vollrausch, Therapie: Ausnüchterung. Ansonsten ist das Feld der Ataxien, definiert als nicht fokale Krankheiten des Kleinhirns und seiner Verbindungen, extrem groß. Bei weit über 200 Formen mit bekannten Ursachen und einer relativ geringen Prävalenz von 10 bis 20 Betroffenen pro 100.000 sind die meisten Ataxien entsprechend selten.
Um bei der anspruchsvollen Diagnose eine Hilfestellung zu geben, hat die Deutsche Gesellschaft für Neurologie als federführende Fachgesellschaft jetzt die 42 Seiten starke S1-Leitlinie „Ataxien des Erwachsenenalters“ überarbeitet. Adressaten sind etablierte sowie angehende Neurologen und Humangenetiker sowie Interessierte anderer Berufsgruppen.
Die Leitlinie legt ihr Hauptaugenmerk auf die Diagnosestellung. Auf die Familienanamnese folgt in der Regel ein MRT des Gehirns, auch mit dem Ziel, fokale Kleinhirnkrankheiten wie Tumoren, Hirninfarkte oder Multiple Sklerose auszuschließen. Selten ist dann bereits eine Diagnose möglich. Meist schließen sich biochemische und molekulargenetische Untersuchungen an. Tabellen im Anhang der Leitlinie listen 18 biochemische Parameter und 37 verschiedene Antigene auf. Ganz neue Möglichkeiten bietet das Next Generation Sequencing, das auch komplette Genomsequenzierungen erlaubt.
Die Leitlinie bespricht auch Therapieoptionen, betont jedoch, dass es in vielen Fällen keine etablierten Behandlungen gibt und die Evidenz insgesamt sehr dürftig ist. Es fehlt vor allem ein unabhängig von der Krankheitsursache wirkendes Medikament – so rät die Leitlinie von Riluzol, Acetyl-DL-Leucin und anderen Mitteln ab. Der Schwerpunkt der Behandlungen liegt auf Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie. Für sogenannte Exergames, ganzkörperkontrollierte Videospiele, scheint es ebenfalls Hinweise auf einen Nutzen zu geben. Auch Begleitsymptome wie zum Beispiel Tremor, Restless-Legs-Syndrom oder Dranginkontinenz können unter Umständen behandelt werden.
Die Leitlinie teilt Ataxien in drei großen Gruppen ein:
Die Leitlinie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Zach Lezniewicz, Unsplash