Nach der Geburt leiden viele Frauen am Baby-Blues, bei manchen entsteht daraus sogar eine Depression. Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass sich postpartale Stimmungsschwankungen an hohen Monoaminoxidase-A-Werten ablesen lassen.
Die Geburt eines Kindes stellt für die Mutter alles auf den Kopf. Zu Freude und Glück gesellen sich bald auch Müdigkeit und Erschöpfung. Die überwiegende Mehrheit der Frauen erlebt im Wochenbett für einige Tage ein vorübergehendes Stimmungstief. Dieser „Baby-Blues“ ist noch keine Erkrankung, lässt aber manchmal schon erste Anzeichen für eine sich anbahnende depressive Verstimmung erkennen: Für 13 Prozent aller Mütter führt die Achterbahnfahrt der Gefühle direkt in den Keller; sie entwickeln das Vollbild einer Wochenbettdepression. Diese schadet nicht nur der Mutter, sondern auch dem Kind. Eine effektive Behandlung ist schwierig, da die genauen neurobiologischen Ursachen bisher unbekannt waren. Die neue Studie zeigt, dass die Wochenbettdepression mit stark erhöhten Monoaminoxidase-A-Werten im Gehirn einhergeht, besonders im präfrontalen Cortex und im anterioren cingulären Cortex. Bei Frauen mit postpartaler Depression lagen die Werte 21 Prozent über denen von Frauen, die nach der Geburt nicht von negativen Gefühlen geplagt wurden. Die Frauen, die keine volle Depression entwickelten, aber öfter und häufiger in Tränen ausbrachen, zeigten ebenfalls moderat erhöhte Werte.
„Man sollte also alles fördern, was die Monoaminoxidase-A-Werte senkt und alles vermeiden, was die Werte ansteigen lässt“, erklärt Sacher. Zu Letzterem gehören starkes Rauchen, Alkoholkonsum und chronischer Stress, zum Beispiel, wenn die Mutter sich vom Partner und ihrer Familie alleingelassen und vernachlässigt fühlt. „Mein Ziel ist es, den Frauen und ihren Familien eines Tages ganz konkrete Hinweise für einen Lebensstil zu geben, mit denen sie einer postpartalen Depression vorbeugen können“, erklärt die Psychiaterin. Auch eine neue Generation von altbekannten Medikamenten könnte in Zukunft bei der Behandlung von Wochenbettdepressionen eine wichtige Rolle spielen. Bisher erhalten die depressiven Mütter hauptsächlich Medikamente, die die Konzentration von Serotonin im Gehirn erhöhen. Da die Monoaminoxidase-A jedoch nicht nur Serotonin, sondern auch andere Monoamine wie Dopamin und Noradrenalin abbaut, könnte die Erfolgsrate mit einer Behandlung, die direkt auf die Monoaminoxidase-A abzielt, in besonders schwerwiegenden Fällen vielversprechender sein: Diese Alternative bieten Wirkstoffe, die das Enzym an der Arbeit hindern. „Die ersten Monoaminoxidase-A-Hemmer hatten oft schwere Nebenwirkungen, zum Beispiel Bluthochdruckkrisen, die es erforderlich machten, eine strenge Diät zu halten“, erläutert Sacher, „doch die neuen selektiven Medikamente sind besser verträglich.“ In klinischen Studien sollte als nächster Schritt die Wirksamkeit dieser reversiblen Hemmstoffe der Monoaminoxidase-A bei der Behandlung von postpartalen Depressionen überprüft werden.
Da man das Enzym im Gehirn nur mit aufwändiger Technik messen kann, eignet es sich nicht für Routineuntersuchungen. Die Forscher fahnden deshalb außerdem nach einem Molekül, dessen Werte sich ähnlich verhalten, sich aber im Speichel oder im Blut nachweisen lässt. Bereits vor vier Jahren konnten Julia Sacher und ihre Kollegen vom CAMH Krankenhaus in Toronto zeigen, dass in der ersten Woche nach der Geburt die Konzentration des Enzyms Monoaminoxidase-A im Gehirn aller Mütter um durchschnittlich 40 Prozent höher war als bei Frauen, die nicht gerade ein Kind zur Welt gebracht hatten. „Die Werte verhalten sich genau entgegengesetzt zum Östrogenspiegel. Wenn der nach der Geburt akut abfällt, steigt die Konzentration der Monoaminoxidase-A extrem an. Diese drastische Änderung beeinflusst auch das als Glückshormon bekannte Serotonin“, sagt Sacher. Bei den meisten Frauen normalisieren sich die Werte schnell wieder. Bei anderen bleiben sie erhöht – und begünstigen damit das Entstehen einer Depression. Originalpublikation: Relationship of Monoamine Oxidase A Distribution Volume to Postpartum Depression and Postpartum Crying Julia Sacher et al.; Neuropsychopharmacology, doi: 10.1038/npp.2014.190; 2014