Mittlerweile haben wir uns in der Apotheke daran gewöhnt, Patient:innen vertrösten zu müssen, weil Medikamente nicht lieferbar sind. Diese Engpässe zu lösen ist längst schon ein eigenes Tätigkeitsfeld – aber zu 90% findet man spätestens im Laufe des Tages eine Lösung um adäquat zu versorgen.
Seit zwei Wochen dürfen Apotheken nun Patient:innen komplett vertrösten: „Technikausfall. Ich kann ihr E-Rezept aktuell leider nicht abrufen, kommen Sie vielleicht heute Nachmittag wieder, oder fragen Sie Ihre Ärztin nochmal, ob sie Ihnen ein Papierrezept ausstellt.“
Das E-Rezept wird über ein abgesichertes Netzwerk, die Telematik-Infrastruktur (TI) bereitgestellt. Ärzte verordnen ein Rezept, dieses wird auf einem zentralen Server der TI gespeichert. Patient:innen erhalten einen Schlüssel für das E-Rezept. Den legen sie in der Apotheke vor, diese kann dann das Rezept abrufen und beliefern.
Dazu laufen viele technische Prozesse ab, die sicherstellen, dass nur berechtigte Nutzer an die Daten kommen. Jede Arztpraxis und Apotheke haben digitale Ausweise für ihre Betriebsstätte und einen Konnektor (ähnlich wie ein Router), der sie an die TI anbindet. Im Hintergrund kommunizieren die technischen Anwendungen miteinander und gleichen die Identität des Anwenders bei jeder Aktion ab.
Aktuell ist jedoch die Kommunikation zweier Komponenten der TI regelmäßig gestört: täglich zwischen ca. 8-9 Uhr versagt vereinfacht gesagt die Identitätsabfrage bei dem Anbieter der digitalen Ausweise für Ärzte und Apotheken, medisign. Kann nicht überprüft werden, wer gerade auf die TI zugreift, ist nichts mehr möglich. Apotheken, die ihre Ausweise von medisign haben, stehen seit 2 Wochen fast täglich komplett handlungsunfähig da und müssen ihre Patient:innen morgens unversorgt wegschicken.Bei vier Anbietern, die es auf dem Markt gibt, sind etwa ein Viertel der Apotheken und somit Patient:innen davon betroffen, am frühen Morgen kein Rezept oder Arzneimittel zu bekommen. Gerade die Zeit, in der die meisten wegen akuten Beschwerden zum Arzt gehen und schnell Medikamente brauchen. Solche Totalausfälle dürfen in solch einer kritischen Infrastruktur wie der Arzneimittelversorgung dem Maße nicht vorkommen, wenn deren Digitalisierung verpflichtend eingeführt wird.Seit 2020 wurden die Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Prozesse in der Telematikinfrastruktur geschaffen. Apotheken und Arztpraxen mussten sich zu dem Zeitpunkt bereits die benötigte technische Ausstattung – Konnektor, Institutions- und Heilberufsausweise, und TI-Terminals kaufen. Die Corona-Pandemie verzögerte den E-Rezept-Start immer wieder, 2022 wurde dann zunächst für Apotheken die technische Umsetzung verpflichtend. Ab diesem Jahr sollen nun Ärztinnen und Ärzte auch verpflichtend elektronische anstatt gedruckte rosa Rezepte ausstellen. Seit der verbindlichen Einführung gab es bereits über 20 größere Störungen. Die erste bundesweit großflächige Störung trat bereits nach nur sechs Wochen nach dem Start, am 14. Februar auf: Grund war ein Ausfall eines zentralen Dienstes der TI. Seit Ende Februar besteht die aktuelle Störung die erst sporadisch, nun täglich den Apothekenbetrieb behindert.
Am Ende ist den Patient:innen aber egal, was die Ursache für die Störung ist. Wenn jeden Tag die gleichen Probleme auftreten, und man sich nicht mal mehr darauf verlassen kann, auch seine Medikamente zu erhalten, wenn man aus der Arztpraxis kommt, bleibt in den Köpfen hängen: „In der Apotheke klappt alles nicht!“ Wir stehen am Ende doof dar, als die unfähigen, die nicht in der Lage sind, mit der neuen Technik umzugehen. Verhöhnend kommt dann noch der Hinweis der Gematik – der Betreiber der Telematik-Infrastruktur – für Nutzer:innen der E-Rezept-App hinzu: „Der digitale Einlöseprozess ist für viele Apotheken noch ungewohnt […]wir empfehlen, vorsichtshalber telefonisch nochmal nachzufragen“. Auch schon vor dem E-Rezept haben die meisten Apotheken erfolgreich digitale Bestellsysteme wie Shops oder Apps in ihrer Warenwirtschaft betrieben, die in der Regel sogar funktioniert haben. Und würden uns keine periodisch auftretenden Ausfälle daran hindern, könnten wir das mit dem E-Rezept ebenso weiterführen.Unter den jetzigen Umständen ist der Apothekenbetrieb und die Arzneimittelversorgung allerdings eine Katastrophe.