Ärzte wünschen sich neue Therapien bei Sprachstörungen nach einem Schlaganfall. Eine klinische Studie zeigt, dass die Akupunktur Beschwerden lindern könnte. Na, ob da wirklich was dran ist?
Patienten mit Aphasie haben Sprachstörungen aufgrund von erworbenen Läsionen des Gehirns. Rund zwei Drittel aller Überlebenden eines Schlaganfalls leiden daran – nach 12 Monaten sind es immer noch 61 Prozent. Ihre Lebensqualität ist je nach Ausprägung der Aphasie teilweise stark eingeschränkt. Als Intervention erhalten Betroffene meist Sprachtherapien. Katecholaminerge, glutamaterge, cholinerge und serotonerge Pharmakotherapien befinden sich noch im experimentellen Stadium. Der Bedarf an weiteren Interventionen ist groß.
In China empfehlen Ärzte die Akupunktur bei Aphasie nach einem Schlaganfall – zu Recht? Das sollte nach zahlreichen Fallberichten und Kohortenstudien nun eine randomisierte klinische Studie mit Akupunktur versus Scheinbehandlung (Sham) zeigen.
Dabei handelte es sich um eine multizentrische, einfach verblindete, randomisierte klinische Studie mit einer Behandlungsdauer von 6 Wochen und einer Nachbeobachtungszeit von bis zu 6 Monaten nach Beginn der Aphasie. Die Forscher haben Patienten im Alter von 45 bis 75 Jahren eingeschlossen. Voraussetzung war eine Aphasie nach dem ersten ischämischen Schlaganfall. Teilnahmeberechtigt waren Personen mit einem Aphasie-Schweregrad von 0 bis 3 laut Boston Diagnostic Aphasia Examination (BDAE). Diese Skala reicht von 0 bis 5, wobei höhere Werte auf eine schwächer ausgeprägte Aphasie hinweisen.
Ausgeschlossen wurden Patienten mit einer Aphasie, die nicht durch einen Schlaganfall verursacht wurde, Patienten mit einer Aphasie vor Beginn des Schlaganfalls, Patienten mit schweren Herzerkrankungen, Nierenfunktionsstörungen, Leberfunktionsstörungen, mit Demenz, mit psychischen Erkrankungen, mit audiovisuellen Beeinträchtigungen sowie schwangere und stillende Frauen. Patienten mit schlechter Compliance, Patienten, die die Studie freiwillig abbrachen oder Patienten mit einem neuerlichen Schlaganfall wurden bei der Analyse nicht berücksichtigt.
Studienärzte haben alle Teilnehmer im Verhältnis 1:1 randomisiert. Sie erhielten entweder manuelle Akupunktur oder Scheinakupunktur – und zwar jeweils 30 Sitzungen in 6 aufeinanderfolgenden Wochen. Dabei setzen Ärzte die Akupunkturnadeln entweder laut Xingnao-Kaiqiao-Akupunktur an 8 Akupunkturpunkten oder an 8 Scheinakupunkturpunkten. Alle Patienten bekamen zusätzlich ein Sprachtraining und je nach Bedarf eine konventionelle Behandlung.
Insgesamt haben die Forscher 252 Personen randomisiert, darunter 198 Männer. Das mittlere Alter lag bei 60,7 Jahren. Bei der Analyse konnten sie Daten von 231 Teilnehmern berücksichtigen. Von ihnen waren 115 in der Gruppe mit Akupunktur, während 116 die Scheinintervention erhalten hatten. Der Effekt wurde anhand verschiedener Scores quantifiziert.
Unter Verum kam es zu statistisch signifikanten Verbesserungen der Sprachfunktion, der Lebensqualität und der neurologischen Beeinträchtigung von der 6. Behandlungswoche bis zum Ende der Nachbeobachtung 6 Monate nach Beginn der Erkrankung. Das klingt erst mal gut. Doch hält die Studie einer kritischen Überprüfung stand? Das britische Science Media Centre hat Experten dazu befragt. Sie waren allesamt nicht an dem Forschungsprojekt beteiligt.
„Oberflächlich betrachtet sieht dies wie eine gewissenhaft durchgeführte Studie aus“, sagt Prof. Edzard Ernst, emeritierter Professor für Komplementärmedizin an der University of Exeter. „Wir sollten jedoch bedenken, dass mehrere Forschergruppen, darunter auch meine, gezeigt haben, dass fast alle chinesischen Akupunkturstudien positive Ergebnisse liefern.“ Dies deute darauf hin, dass die Zuverlässigkeit solcher Studien nicht gerade ermutigend sei. „Außerdem geben die Autoren an, dass die echte Akupunktur ein De Qi ausgelöst hat, die Scheinakupunktur dagegen nicht.“ Dies zeige, dass Patienten streng genommen nicht verblindet gewesen seien. Personen beschreiben das sogenannte De-Qi-Gefühl als Druck oder Schwere im Bereich der Einstichstelle einer Akupunkturnadel.
Methodische Schwächen spricht auch Les Rose, ein Experte im Bereich der klinischen Forschung aus Großbritannien, an: „Wenn man davon ausgeht, dass De Qi ein echter Effekt ist […], müssen sich die Patienten über ihre Behandlungsgruppen im Klaren gewesen sein.“ Er moniert darüber hinaus die mangelhafte Verblindung des Studienteams: „Die Behandler waren offensichtlich nicht verblindet und hätten die Akupunkturpunkte so lange stimulieren können, bis der Patient ein Gefühl verspürt. Bei der Scheinbehandlung hätten sie sich diese Mühe vielleicht nicht gemacht.“ Außerdem sei unklar, ob verblindete Prüfer und verbildete Statistiker die Auswertung durchgeführt hätten.
Alles in allem ist Rose von den Schwächen nicht wirklich überrascht, denn „in der Literatur gibt es viele Berichte über die Unzuverlässigkeit von Akupunkturstudien, die in China durchgeführt wurden“.
Bildquelle: Erda Estremera, Unsplash