Ein hoher Grad von chromosomaler Instabilität (CIN) verschlechtert die Prognose bei Östrogenrezeptor positiven (ER+) Mammakarzinomen, die etwa 75 Prozent aller Brustkrebsfälle ausmachen. Dies motivierte Forscher, zu untersuchen, wie CIN die Aktivität anderer Gene beeinflusst.
Ein Großteil aller Krebszellen weist auffällige chromosomale Veränderungen auf, beispielsweise ein erhöhte oder erniedrigte Anzahl ganzer Chromosomen oder einzelner Chromosomenabschnitte. Diese Eigenschaft vieler Tumore heißt Aneuploidie und tritt oft zusammen mit chromosomaler Instabilität (CIN) auf, einer erhöhten Rate, mit der Chromosomen oder Chromosomenabschnitte hinzugewonnen oder verloren werden. Die Aneuploidie von Krebszellen wurde vor 100 Jahren zuerst von dem deutschen Biologen Theodor Bovery beobachtet. Bis heute verstehen die Wissenschaftler aber nicht, wie Krebszellen mit diesen scheinbar chaotischen Anlagen zurechtkommen und manchmal sogar ein erhöhtes Wachstumspotential aufweisen. Ein hoher Grad von CIN verschlechtert die Prognose bei Östrogenrezeptor positivem (ER+) Mammakarzinomen, welche ungefähr 75 Prozent aller Brustkrebsfälle ausmachen. Dies motivierte zwei Teams, geleitet von dem Biomathematiker Maik Kschischo (Hochschule Koblenz) und dem Onkologen Charles Swanton (Cancer Research UK, London) zu untersuchen, wie CIN die Aktivität anderer Gene beeinflusst und welche phänotypischen Eigenschaften damit verbunden sind. Die Wissenschaftler entwickelten ein computergestütztes Analyseverfahren, mit dem sie zentrale Regulatorgene herausfiltern konnten, deren DNA-Kopienzahl in hochgradig instabilen Tumoren die Expression (RNA-Menge) vieler anderer Gene beeinflusst. Interessanterweise ist die DNA-Kopienanzahl zweier dieser zentralen Regulatorgene, TPX2 und UBE2C, stark mit dem Signal von Genexpressionstests korreliert, die schon heute benutzt werden, um die Erfolgsaussichten chemotherapeutischer Behandlungen vorherzusagen. Außerdem zeigten diese Gene auch einen starken Zusammenhang mit Markern für das Zellwachstum.
Diese Ergebnisse eröffnen einen neuen Blickwinkel auf zwei weiterhin offene Fragen: In den letzten Jahren wurden verschiedene Genexpressionstests zugelassen, welche die Überlebenschancen und den Erfolg chemotherapeutischer Behandlungen bei ER+ Brustkrebserkrankungen vorhersagen. Damit unterstützen diese Genexpressionssignaturen die behandelnden Ärzte dabei, eine optimale Therapieentscheidung zu treffen. Allerdings war bisher unklar, warum in verschiedenen Signaturen so wenige gemeinsame Gene vorkommen und warum kein naheliegender biologischer Prozess identifiziert werden konnte, der die Vorhersagekraft dieser Signaturen erklärt. Die Teams um Kschischo und Swanton konnten zeigen, dass ein Teil der in den Signaturen enthaltenen Information mit CIN und den CIN-Regulatorgenen TPX2 und UBE2C zusammenhängt. Zum anderen unterstützen die Resultate die Sichtweise, dass CIN und Aneuploidie nicht einfach Nebenprodukte des krebsartigen Zustands sind, sondern maßgeblich für die evolutionären Prozesse bei der Krebsentstehung sind. Durch natürliche Auslese verändert sich die DNA-Kopienanzahl von bestimmten Regulatorgenen, welche sowohl die Anpassung an CIN und Aneuploidie als auch eine Veränderung des Zellwachstums bewirken können. Originalpublikation: Chromosomal instability selects gene copy number variants encoding core regulators of proliferation in ER+ breast cancer David Endesfelder et al.; Cancer Res. , doi: 10.1158/0008-5472.CAN-13-2664; 2014