Nicht nur für die Raumfahrt, auch mit Blick auf Erkrankungen des Bewegungsapparats liefern Bettruhestudien wertvolle Erkenntnisse. Eine aktuelle Arbeit untersucht die Auswirkungen körperlicher Inaktivität auf den Abbau von Typ-II-Kollagen.
Wie wirkt sich Bettlägerigkeit auf den Knorpel der Gelenke aus? Ein interdisziplinäres Forscherteam um Dr. Anna-Maria Liphardt vom Uniklinikum Erlangen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat durch eine Bettruhestudie hierzu neue Erkenntnisse gewonnen. Solche Studien sind ein wichtiges Instrument nicht nur für die Raumfahrtforschung, sondern geben auch Aufschluss darüber, welche Auswirkungen körperliche Inaktivität auf Menschen mit einer Erkrankung des Bewegungsapparats haben kann. Die gewonnenen Erkenntnisse können zur Entwicklung von Behandlungen beitragen. Die Arbeit wurde in der Fachzeitschrift Osteoarthritis and Cartilage veröffentlicht.
Die Forschergruppe um Liphardt, Arbeitsgruppenleiterin am Lehrstuhl für Innere Medizin III, untersuchte in einer Cross-over-Studie mit 12 gesunden männlichen Probanden, wie sich die Konzentrationen von Markern für Typ-II-Kollagen im Blut und die Ausscheidung dieses wichtigen Strukturbestandteils des Knorpels durch den Urin während einer 21-tägigen Bettruhe veränderte. Zunächst wurden die Daten der Teilnehmer während einer Dauer von 6 Tagen vor der Bettruhe ermittelt, in der sie ganz normal aktiv waren. Daran schlossen sich 21 Tage strikte Bettruhe an, mit einer um 6 Grad gesenkten Kopfseite des Bettes. Nur zum Essen und aus Hygienegründen durften die Teilnehmer diese Position kurzzeitig leicht verändern. Nach der Bettruhe wurden sie 6 Tage lang weiter überwacht, während sie zu normaler Aktivität zurückkehrten.
Während der 3 unterschiedlichen Studien-Kampagnen mit 21-tägiger Bettruhe erhielten die Teilnehmer entweder keine weitere Intervention, ein sogenanntes resistives Vibrationstraining über ein horizontales Vibrationstrainingsgerät oder resistives Vibrationstraining in Kombination mit einer Nahrungsergänzung in Form von Molkenprotein und Bikarbonat.
Schon nach wenigen Tagen Bettruhe stiegen die Konzentrationen der Marker für den Abbau von Typ-II-Kollagen im Blut an. Das Gleiche galt für die Ausscheidung von Typ-II-Kollagen über den Urin. Einige der Marker blieben auch noch in den 6 Tagen nach der Bettruhe im Vergleich zum Ausgangswert erhöht. Nahrungsergänzung und Vibrationstraining wirkten dem Abbau von Typ-II-Kollagen nur minimal entgegen.
Die Forscher schließen daraus, dass die Nichtnutzung des Bewegungsapparats – egal, ob durch Erkrankung oder Verletzung – vermutlich zu einer Veränderung des Gleichgewichts im Gelenkknorpelstoffwechsel führt. Dies könnte möglicherweise die Belastungsfähigkeit des Knorpels verringern. „Weitere Studien sollten daher die näheren Auswirkungen auf den Knorpel im Blick haben und Gegenmaßnahmen entwickeln, damit Patientinnen und Patienten bei längerer Inaktivität, zum Beispiel durch wiederkehrende Krankenhausaufenthalte, keine weiteren Schäden davontragen“, sagt Liphardt. Das FAU-Forschungsteam will diese Fragen im Rahmen einer 60-tägigen Bettruhestudie der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA) mit einer Besatzung der Internationalen Raumstation (ISS) in Frankreich gemeinsam mit Prof. Anja Niehoff von der Deutschen Sporthochschule Köln und internationalen Kooperationspartnern weiter untersuchen. Die Studie wird vom Institut für Raumfahrtmedizin und Physiologie (MEDES) durchgeführt.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
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