Wissenschaftler haben einen Regulationsmechanismus entdeckt, der bei der Herstellung von Eiweißen eine Rolle spielt. Dieser Mechanismus, der nur bei höheren Organismen vorkommt, könnte neue Wirkungsmöglichkeiten für Antibiotika eröffnen.
Ribosomen gehören evolutionsbiologisch zu den ältesten Enzymen. Dr. Tatyana Budkevich vom Institut für Medizinische Physik und Biophysik der Charité untersuchte gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern des Instituts verschiedene Zustände von Ribosomen mit Hilfe der Kryo-Elektronen-Mikroskopie. Bei dieser Methode werden die Ribosomen zunächst schockgefroren, um ihren ursprünglichen Zustand zu erhalten. Aus vielen zweidimensionalen Projektionsbildern, aufgenommen aus verschiedenen Richtungen, konnte dann über computergestützte Verfahren der Bildverarbeitung die dreidimensionale Struktur der Ribosomen rekonstruiert und visualisiert werden. Auf diese Weise identifizierten die Wissenschaftler einen neuen Regulationsmechanismus, der durch eine Änderung der Ribosomen-Architektur ausgelöst wird. Dabei drehen sich die beiden Untereinheiten des Ribosoms gegeneinander, sodass genau an der Stelle, wo die Aminosäuren an das Ribosom binden und zu einer Eiweißkette verknüpft werden, ein Spalt entsteht. Diese Öffnung vereinfacht die Bindung der Aminosäuren an das Ribosom und verbessert möglicherweise die Schnelligkeit und die Präzision der Eiweißproduktion. Allerdings scheint dieser Mechanismus nur in Zellen vorzukommen, die einen Zellkern besitzen, sogenannten eukaryotischen Zellen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass bakterielle Ribosomen und die von Eukaryoten zwar ähnlich sind, sich aber in entscheidenden Funktionsschritten doch stärker unterscheiden, als bislang vermutet“, sagt Dr. Tatyana Budkevich. „Eukaryotische Ribosomen besitzen mehr Freiheitsgrade bezüglich der Rotation ihrer Untereinheiten“, fügt sie hinzu. Insbesondere für die Konzeption von neuen Antibiotika sind solche Unterschiede essentiell. Denn nur an Punkten, an denen sich menschliche Ribosomen von bakteriellen unterscheiden, können Wirkstoffe ansetzen, ohne starke Nebenwirkungen zu erzeugen. „Der identifizierte Regulationsmechanismus, also die Öffnung zwischen Aminosäure und Ribosom, könnte genau solch ein Unterschied sein, um die Herstellung von gezielteren Medikamenten zu ermöglichen“, so Dr. Budkevich. Originalpublikation: Regulation of the mammalian elongation cycle by ribosomal subunit rolling: a eukaryotic-specific conformational change Tatyana V. Budkevich et al.; Cell, doi: 10.1016/j.cell.2014.04.044; 2014