Zytokinblockierende Therapien bei Psoriasis vulgaris können bisher nur per Spritze oder Infusion verabreicht werden. Jetzt haben Forscher erstmals ein orales Medikament an Patienten getestet.
Ein vielversprechender Ansatz zur Behandlung chronischer Entzündungserkrankungen sind moderne, zielgerichtete Therapien, die Entzündungsbotenstoffe (Zytokine) oder deren Signalwege hemmen und so die Entzündung eindämmen, ohne in andere Prozesse einzugreifen. Dadurch sind sie in der Regel wirkungsvoller und verträglicher als ältere, nicht zielgerichtete Therapien. Doch die zugelassenen, auf einer Zytokinblockade beruhenden Medikamente haben bisher alle einen Nachteil: Sie können nur per Spritze oder Infusion gegeben werden.
Nun haben Forscher erstmals ein neues Medikament erfolgreich an Patienten mit Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris) getestet, das gezielt das Zytokin IL-23 blockiert und oral gegeben werden kann. Die Ergebnisse dieser Phase-II-Studie haben die Forscher unter Beteiligung des Kieler Dermatologen Professor Sascha Gerdes, vor Kurzem im New England Journal of Medicine publiziert.
„Wir konnten zeigen, dass das neue, als Tablette eingenommene Medikament bei Psoriasis vulgaris in den getesteten Dosierungen wirkt und die Nebenwirkungen gering sind. Das heißt konkret: Die Symptome, wie Hautrötung und -verdickung, Schuppung und Juckreiz sind innerhalb weniger Wochen deutlich zurückgegangen und in vielen Fällen auch komplett verschwunden“, berichtet Gerdes, stellvertretender Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel.
„Damit haben wir erstmals eine wirksame, auf einer Zytokinblockade basierende Therapie, die oral verabreicht werden kann. Das gibt es in der gesamten Entzündungsmedizin noch nicht“, so Gerdes.
„Diese bisherigen zytokinblockierenden Therapien basieren auf relativ komplexen Antikörpern oder Fusionsproteinen, also großen Eiweißmolekülen. Diese können nicht oral aufgenommen werden, da sie im Mund und Magen direkt zerkleinert würden und so unwirksam werden“, erklärt Gerdes. „Der von uns getestete neue Wirkstoff blockiert gezielt den IL-23-Rezeptor und damit den entzündungsfördernden IL-23-Signalweg.
Das Besondere ist, dass er deutlich kleiner ist als die bisherigen zugelassenen Wirkstoffe und dadurch – als Tablette eingenommen – beim Weg durch den Verdauungstrakt nicht zerkleinert wird, sondern noch intakt und in ausreichender Menge bei den Entzündungszellen ankommt“, so Gerdes weiter. Die Tablettenform ist nicht nur für die Betroffenen in der Regel angenehmer, sie macht auch individuell unabhängiger, zudem müssen die Tabletten im Gegensatz zu den bisherigen zytokinblockierenden Therapien nicht gekühlt werden.
„Die vorliegende Studie ist ein wichtiger Schritt für die Therapieentwicklung chronischer Entzündungen. Erstmals ist es gelungen, über eine orale Therapie, also eine Tablette, gezielt einen Zytokinsignalweg zu blockieren und dadurch die Entzündung zu bekämpfen. Das ist nicht nur für Psoriasis wichtig, sondern weit darüber hinaus“, betont Prof. Stefan Schreiber, Sprecher des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“. Denn auch bei anderen chronischen Entzündungserkrankungen spielt IL-23 eine entscheidende Rolle.
Mehrere aktuell zugelassene und sehr wirksame Medikamente bei chronischen Darmentzündungen und rheumatischen Erkrankungen blockieren gezielt IL-23, nutzen also einen sehr ähnlichen Wirkmechanismus wie das untersuchte neue Medikament. Bisher können alle diese zugelassenen Mittel nur per Spritze oder Infusion gegeben werden. „Da wir wissen, dass einigen anderen Entzündungserkrankungen die gleichen Mechanismen wie bei Psoriasis zugrunde liegen, ist davon auszugehen, dass der jetzt bei Psoriasis erfolgreich getestete Wirkstoff auch bei diesen Erkrankungen funktionieren könnte“, so Schreiber weiter.
Nachdem die vorliegende Phase-II-Studie nun prinzipiell gezeigt hat, dass das orale Medikament bei Patienten wirkt, sollen die Ergebnisse als nächstes in einer deutlich größeren und länger angelegten Phase-III-Studie bestätigt werden. In dieser letzten klinischen Studienphase vor einer möglichen Zulassung des Medikaments soll in mehreren Studien an mehr als 1.500 Patienten an verschiedenen Studienzentren weltweit über mehrere Jahre hinweg die Wirksamkeit und Verträglichkeit ausführlich und präzise nachgewiesen werden.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Exzellenzclusters Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Elsa Olofsson, Unsplash