Ärzte und Apotheker stehen angesichts steigender Zahlen von Rückenschmerzpatienten vor neuen Herausforderungen. Studien zeigen, dass klassische Therapien nicht unbedingt fruchten. Gerade Paracetamol und Glukokortikoide stehen in keinem guten Licht.
Deutschland hat immer noch „Rücken“: Zu diesem Fazit kommen Versorgungsforscher der Techniker Krankenkasse im neuen „Gesundheitsreport 2014“. Untersuchungen zufolge ging jeder zehnte Krankschreibungstag auf entsprechende Leiden zurück. Auf Deutschlands Gesamtbevölkerung hochgerechnet, bedeutet das sage und schreibe 40 Millionen Fehltage pro Jahr. Betroffene suchen zuallererst Hilfe in öffentlichen Apotheken.
Um zu klären, inwieweit Patienten mit Rückenschmerzen von Paracetamol profitieren, hat Christopher M. Williams, Sydney, die PACE-Studie (Paracetamol für Low-Back Pain) initiiert: eine randomisierte, placebokontrollierte Studie mit mehr als 1.652 Patienten. Alle Teilnehmer litten an akuten Rückenschmerzen. Von ihnen erhielten 549 Paracetamol als Bedarfsmedikation (maximal 4.000 Milligramm pro Tag). Weitere 550 nahmen das Pharmakon regelmäßig ein (maximal 3.990 Milligramm pro Tag in drei Einzeldosen über bis zu vier Wochen). Eine Gruppe mit 553 Personen erhielt lediglich Scheinpräparate. Williams definierte die Zeit bis zur Schmerzlinderung oder zur Schmerzfreiheit als primären Endpunkt. Sekundäre Endpunkte waren verschiedene Parameter der Lebensqualität wie erholsamer Schlaf oder Bewegungseinschränkungen. Gleichzeitig wiesen Ärzte alle Patienten an, sich nach Möglichkeit nicht zu schonen. Als Follow-up wurden drei Monate veranschlagt.
Die Resultate ernüchtern Ärzte und Apotheker gleichermaßen: Parcetamol schnitt nicht besser ab als Placebo. Bis zum primären Endpunkt vergingen unter Verum bei regelmäßiger Einnahme 17 Tage – im Vergleich zu 16 Tagen unter Placebo. Hier gab es keinen signifikanten Unterschied. Diese Erkenntnis galt auch für Tabletten pro Tag: 4,0 bei regelmäßiger Einnahme, 3,9 bei der Bedarfsmedikation, und 4,0 bei Placebo. Medikamente mit Wirkstoff enthielten dabei 665 Milligramm pro Tablette. Auch bei der Analyse sekundärer Endpunkte zeigte Paracetamol keinen Mehrwert. Grund genug, über die Sinnhaftigkeit entsprechender Medikationen nachzudenken und mittelfristig Empfehlungen anzupassen. In der „Nationalen VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz“ für Deutschland heißt es momentan: „Bei leichtem bis moderatem akutem nichtspezifischem Kreuzschmerz kann ein Behandlungsversuch mit Paracetamol unternommen werden. Der Behandlungserfolg ist kurzfristig zu überprüfen.“
Bei älteren Menschen steckt hinter wenig charakteristischen Beschwerden manchmal eine Spinalkanalstenose. Ziehende Schmerzen an der Vorder- oder Rückseite der Beine kommen mit hinzu, falls sich Betroffene bewegen. Hier handelt es sich um eine Verengung des Wirbelkanales, die meistens im Bereich der Lendenwirbelsäule auftritt. Orthopäden verabreichen Glukokortikoide plus Lidocain. Sie hoffen, dass das Kortikoid Schwellungen und Entzündungen verringert, wobei es bislang nur schlechte Daten gab. Grund genug für Janna Friedly, University of Washington, die LESS-Studie (Lumbar Epidural Steroid Injections for Spinal Stenosis Multicenter Randomized, Controlled Trial) zu initiieren. Von 400 Patienten mit degenerativ bedingter Spinalstenose erhielten je 200 ein Glukokortikoid plus Lidocain beziehungsweise nur das Lokalanästhetikum. Alle Applikationen fanden unter fluoroskopischer Kontrolle statt. Sechs Wochen später hatten sich körperliche Beeinträchtigungen und Schmerzen deutlich verringert. Signifikante Unterschiede zwischen beiden Gruppen gab es aber nicht. Allerdings traten unter Kortikoid plus Lidocain deutlich häufiger Nebenwirkungen auf als unter Lidocain selbst, nämlich bei 29 versus 17 Prozent aller Patienten. Gunnar B.J. Andersson von der Universität Chicago appelliert in einem Editorial, Ärzte sollten angesichts von zehn bis elf Millionen Injektionen pro Jahr allein in den USA Betroffene besser über Nutzen und Risiken aufklären.
Bleibt als Fazit: Menschen, die länger mit Rückenschmerzen kämpfen, sollten orthopädisch eingehend untersucht werden. Ausreden wie die vermeintliche Wetterfühligkeit zählen nicht, das beweisen mittlerweile sogar wissenschaftliche Arbeiten: Daniel Steffens von der University of Sydney hat 993 Patienten mit entsprechenden Leiden in eine Studie aufgenommen. Sie führten über ihre Beschwerden Buch. Gleichzeitig wurden meteorologische Daten erfasst, allen voran Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Winde, Niederschläge sowie Temperaturen. Signifikante Zusammenhänge konnte Steffens aber nicht identifizieren. Er schränkt ein, seine Resultate könnten möglicherweise auf australische Verhältnisse beschränkt sein. Orthopäden aus Deutschland berichten immer wieder, dass nasskalte Bedingungen die Beschwerden verschlimmern – Grund genug für eine weitere Studie.