Die kontrollierte Weitergabe von Cannabis ist beschlossene Sache. Ab dem 1. April 2024 sind der Besitz von 25 Gramm zum Eigenkonsum sowie 3 Pflanzen im Eigenanbau erlaubt. Ärzte halten das für gefährlich.
Nicht weniger als eine „Trendwende in der Drogenpolitik“ sei in Deutschland am vergangenen Freitag (23. Februar 2024) eingeläutet worden, so Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Mit dem im Bundestag beschlossenen Gesetz (404 Ja vs. 226 Nein bei 4 Enthaltungen) endet zwar tatsächlich eine jahrzehntelange politische Diskussion – Kritik kommt aber nach wie vor von vielen Seiten.
Fakt ist: Das Epidemiologische Suchtsurvey 2021 stellt dem Konsumverhalten der Deutschen in Bezug auf Cannabis ein alarmierendes Zeugnis aus. So stieg der Konsum bei jungen Erwachsenen von 12,7 % auf 25 %. 8,6 % der 18- bis 25 Jährigen gaben sogar an, häufiger als zehnmal im Jahr Cannabis zu sich zu nehmen. Mit Blick auf die Gesamtbevölkerung zeigte die Studie, dass 4,5 Millionen Deutsche regelmäßig Cannabis konsumieren – jeder vierte davon in problematischen Mengen.
Parallel dazu können Ärzte seit 2017 medizinisches Cannabis zu therapeutischen Zwecken verschreiben – unabhängig von ihrer Fachrichtung. Als Medikament kann es beispielsweise in der Behandlung von Epilepsie bei Kindern genutzt werden. Seit 2021 werden Cannabidiol-Präparate gegen Krampfanfälle beim Dravet-Syndrom, Lennox-Gastaut-Syndrom oder bei strukturellen Epilepsien bei tuberöser Sklerose genutzt.
Zumindest ein Problem geht Lauterbach mit dem Gesetz nun an. „Der stetig steigende Konsum muss enden. Wir schützen Kinder und Jugendliche durch Aufklärung besser vor gefährlichem Cannabis-Konsum, indem wir den Schwarzmarkt zurückdrängen. Cannabis bleibt unter 18 verboten. Wir verhindern, dass weiter gesundheitsschädliche Substanzen mit Beimengungen und toxischen Konzentrationen verkauft werden. Mit diesem Gesundheitsschutz-Ansatz holen wir Cannabis aus der Tabuzone. Nur so kann es gelingen, glaubwürdig über Gefahren und Risiken des Cannabiskonsums, insbesondere für Kinder und Jugendliche, aufzuklären“, so der Minister.
Konkret sieht der Plan vor, dass:
Daneben soll auch die Stellung des Medizinalcannabis durch ein eigenes Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) verbessert werden. Ein breites Bündnis aus Medizinern und der Cannabiswirtschaft betonte zuletzt, dass „eine optimale Versorgungslage für Patientinnen und Patienten jedoch nur gewährleistet werden [kann], wenn der Genehmigungsvorbehalt vollständig abgeschafft wird, um Patientinnen und Patienten unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten Zugang zu ihrer notwendigen Therapie zu gewähren.“ Da außerdem verschreibende Ärzte vor Regress geschützt werden müssten, „fordern die unterzeichnenden Verbände den Gesetzgeber auf, die notwendigen Anpassungen im Rahmen der anstehenden Regulierungen, im Rahmen des Medizinalcannabisgesetzes, oder im Rahmen des Bürokratieabbaus im Gesundheitswesen vorzunehmen.“
Der Blick auf die Gegnerschaft des Gesetzes offenbart ein heterogenes Bild – so lehnen beispielsweise die Strafverfolgungsbehörden oder der deutsche Richterbund das Gesetz ab. Ein eigens erarbeitetes Gutachten des Bundeskriminalamts zu den Auswirkungen legte die unzureichende Ausarbeitung des Gesetzes dar.
Doch auch Mediziner sind auf den Barrikaden. Ärztepräsident Klaus Reinhardt wies auf die Gefahr für Jugendliche und Kinder hin. Denn Cannabis könne nun mal abhängig machen und zu schweren Entwicklungsschäden führen: „Diese Schäden sind dauerhaft und bleiben lebenslang wirksam. So steigen das Risiko von nachhaltigen kognitiven Funktionsdefiziten sowie das Auftreten von Psychosen, Depressionen oder Angststörungen signifikant“, sagte der BÄK-Präsident.
Rückenwind erhält er dabei vom Internationalen Suchtstoffkontrollrat der Vereinten Nationen (INCB) und vom ständigen Ausschuss der Europäischen Ärzte (CPME). Während der INCB vor den Folgen warnt und auf Beispiele anderer Länder verweist, legt der CPME in einer aktuellen Analyse die schweren gesundheitlichen Folgen der Legalisierung dar.
Ob das Gesetz den gewünschten Effekt erziele, werde in festem Turnus geprüft. Laut Ministerium werden „Die Auswirkungen des Gesetzes auf den Kinder- und Jugendschutz […] wissenschaftlich evaluiert. 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes erfolgt eine erste Evaluation der Auswirkungen des Konsumverbots auf den Kinder- und Jugendschutz im ersten Jahr. Zwei Jahre nach Inkrafttreten wird ein Zwischenbericht zu Auswirkungen des Gesetzes, einschließlich der Auswirkungen auf die cannabisbezogene organisierte Kriminalität unter Einbeziehung der Expertise des Bundeskriminalamtes, vorgelegt. Vier Jahre nach Inkrafttreten erfolgt eine umfassende und abschließende Evaluation des Gesetzes.“
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