Es gibt neue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen einer seltenen Form der Muskelkrankheit und Autoimmunerkrankungen. Was es damit auf sich hat, erfahrt ihr hier.
Forscher an den Universitätskliniken Dresden und Bonn sowie von der Universität Bonn wollen klären, warum Personen mit myotoner Dystrophie 2 eine höhere Neigung zur Entwicklung von Autoimmunerkrankungen haben. Ihr Ziel war es, die Entstehung der Krankheit zu verstehen. Die Ergebnisse der Studie eröffnen neue, potenzielle therapeutische Ziele. Sie wurden jetzt im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.
Myotone Dystrophie 2 (DM2) ist eine Form der Muskeldystrophie. Die Betroffenen leiden unter Muskelschwäche, die vor allem im Bereich der rumpfnahen Muskulatur ausgeprägt ist, sowie anhaltender Muskelsteifigkeit und Schmerzen. Obwohl DM2 bei etwa einem von 10.000 Menschen in Deutschland auftritt, gibt es keine gezielten Therapien. In ersten Studien beobachteten Prof. Claudia Günther und ihr Team, dass Personen mit DM2 mehr unter Autoimmunerkrankungen leiden als die Allgemeinbevölkerung. Der zugrundeliegende Mechanismus für die Symptome war bisher jedoch unbekannt.
Zusätzlich zu den höheren Raten von Autoimmunität beobachtete Günthers Team eine ungewöhnliche Gensignatur in Zellen, die von DM2-Patienten stammen. „In den Patientenzellen waren Gene hochreguliert, die normalerweise für die Bekämpfung von Viren zuständig sind“, so Erstautorin Sarah Rösing, Doktorandin in der Dresdner Arbeitsgruppe von Günther.
„Wir haben schnell erkannt, dass dies eine wichtige Entdeckung ist. Diese Art der Immunantwort ist zwar gut, um Virusinfektionen zu bekämpfen, aber eine chronische Aktivierung ist oft mit Autoimmunität verbunden, sodass wir unbedingt verstehen mussten, woher sie kommt.” Um den Zusammenhang zwischen den erweiterten DNA-Wiederholungen (CCTG)n bei DM2-Patienten, der antiviralen Antwort und Autoimmunerkrankungen aufzuklären, untersuchten Forscher die molekulare Signatur in Zellen von DM2-Patienten.
In enger Zusammenarbeit zeigten die Forscher in Dresden und Bonn, dass in den Zellen von DM2-Patienten die DNA-Wiederholungen (CCTG)n in toxische Nonsense-Proteine übersetzt werden. Deren Bildung führt zu einer chronischen Form von Stress des endoplasmatischen Retikulums (ER) und damit zu einer chronischen Schädigung der Mitochondrien.
„Mitochondrienschäden und ER-Stress in unseren Zellen sind klare Signale, dass etwas nicht stimmt“, kommentiert Prof. Eva Bartok, Leiterin des Teams der Forscher aus Bonn, „diese Art von Stress kann durchaus wie eine Virusinfektion aussehen und eine antivirale Reaktion auslösen“.
Die gestressten Mitochondrien setzen kleine Mengen an DNA in der Zelle frei, die dann vom angeborenen Immunsystem als Gefahrensignal erkannt werden. Denn die cGAMP-Synthase (cGAS) erkennt diese mitochondriale DNA und löst so einen Alarmzustand aus, der durch die Freisetzung von dem wichtigsten antiviralen Mediator, Interferon vom Typ I, vermittelt wird. „Das war unser Aha-Erlebnis“, sagt Günther, korrespondierende Autorin der Publikation. „Wir haben einen Mechanismus und einen Weg erkannt, die uns jetzt neue Möglichkeiten für gezielte Therapien der Krankheit erschließen.“
Die Erkenntnisse bieten neue Möglichkeiten, mit gezielten Therapien die Entstehung der Autoimmunerkrankung bei den Betroffenen zu unterdrücken. „Unsere Daten liefern eine wichtige Grundlage für die Hemmung von cGAS und des Typ-I-Interferon-Signalwegs bei Myotoner Dystrophie 2“, kommentiert Bartok. „Es ist sehr spannend zu sehen, wie die Ergebnisse unserer Grundlagenforschung die Versorgung dieser Betroffenen potenziell verbessern könnten“, schließt Günther.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Technischen Universität Dresden. Die Originalpublikation haben wir euch hier verlinkt.
Bildquelle: Scott Rodgerson, Unsplash