Verletzungen im Gehirn sind notorisch schwierig zu heilen. Nun sollen Hydrogele die idealen Bedingungen schaffen, damit sich Stammzellen zu neuen Neuronen bilden und die Wunde schließen. Lest hier, wie das geht.
Forscher aus Bochum und Dortmund haben eine künstliche Zellumgebung erzeugt, die die Regeneration von Nerven begünstigen könnte. Normalerweise heilen Verletzungen im Gehirn oder Rückenmark sehr schwer, weil sich flüssigkeitsgefüllte Hohlräume und Narben bilden, die die Regeneration des Gewebes verhindern. Ein Ansatzpunkt der medizinischen Forschung ist daher, die Hohlräume mit einer Substanz zu füllen, die neuralen Stammzellen optimale Bedingungen bietet, um sich zu teilen und zu differenzieren. Das Team der Ruhr-Universität Bochum und der Technischen Universität Dortmund zeigte, dass positiv geladene Hydrogele das Überleben und die Weiterentwicklung von Stammzellen begünstigen können.
Dr. Kristin Glotzbach und Prof. Andreas Faissner vom Bochumer Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie kooperierten mit Prof. Ralf Weberskirch und Dr. Nils Stamm von der Fakultät Chemie und Chemische Biologie der Technischen Universität Dortmund. Die Ergebnisse beschreibt das Team in der Zeitschrift ACS Biomaterials Science and Engineering.
Die Wissenschaftler arbeiteten mit neuralen Stammzellen aus Gehirnen von Maus-Embryonen, die sie auf positiv geladenen Hydrogelen kultivierten. „Unser Ziel war es, eine künstliche Umgebung für Zellen zu schaffen, die der natürlichen Zellumgebung im Gehirn nachempfunden ist“, sagt Glotzbach. „Zellen besitzen eine negativ geladene Ummantelung, auch perizelluläre Matrix genannt. Dadurch haften sie besonders gut an positiv geladenen Substraten.“ Das Besondere an den eingesetzten Hydrogelen war, dass sich ihre positive Ladung in unterschiedlicher Stärke präzise einstellen ließ.
Wie die Versuche zeigten, begünstigten die positiv geladenen Hydrogele das Überleben der Zellen und beeinflussten ihr weiteres Schicksal. Hafteten die Stammzellen auf Hydrogelen mit hoher positiver Ladung, so entwickelten sich die Zellen bevorzugt zu Nervenzellen weiter. Auf weniger positiv geladenen Gelen entstanden dagegen aus den Stammzellen überwiegend Gliazellen, die wichtige Hilfsfunktionen für die Nervenzellen übernehmen.
Beeinflussen zu können, ob sich Stammzellen zu Nerven- oder Gliazellen ausdifferenzieren, wäre von Vorteil. „Je nach vorliegender Verletzung müssen unterschiedliche Zelltypen ersetzt werden“, erklärt Glotzbach. Nicht nur die Regeneration von Nervenzellen ist wichtig. „Bei bestimmten Krankheiten werden auch Gliazellen angegriffen, die man dann ersetzen möchte. Beispielsweise bei der Multiplen Sklerose wird die Isolierung der Nervenzellen zerstört, die von Oligodendrozyten gebildet wird.“
Gaben die Forscher zu den positiv geladenen Hydrogelen noch den Wachstumsfaktor FGF2 hinzu, konnten sie die Überlebens- und Teilungsrate der Zellen zusätzlich steigern. Allerdings differenzierten sie sich dann langsamer in Nerven- und Gliazellen aus.
„In zukünftigen Studien möchten wir die positiv geladenen Gele mit Peptiden oder Bestandteilen von extrazellulären Matrixmolekülen ausstatten und die natürliche Umgebung der Zellen so noch besser simulieren“, sagt Glotzbach. Die Wissenschaftler wollen außerdem mit dreidimensionalen Gelen experimentieren, die Höhlungen nach Gehirnverletzungen ausfüllen könnten.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Ruhr-Universität Bochum. Die Originalstudie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: National Cancer Institute, Unsplash