Die Korrelation beim Glioblastom zwischen genetischer Mutation und molekularem Subtyp ist nicht gut verstanden. Nun züchteten Forscher aus menschlichen Stammzellen Glioblastom-ähnliche Organoide, um dieser Frage auf den Grund zu gehen.
Das Glioblastom ist der bösartigste und gefährlichste unter den Hirntumoren. Zahlreiche Studien haben die große Heterogenität der Glioblastomzellen aufgezeigt. Doch das inzwischen umfangreiche molekulare Wissen konnte bislang kaum dazu beitragen, die Behandlung der Erkrankung zu verbessern.
Um wirksame zielgerichtete Therapien zu entwickeln, müssen Forscher zunächst genau verstehen, welche genetischen Mutationen in den Krebszellen vorliegen und welche Auswirkungen diese auf das Wachstum und das Verhalten der Zellen haben. Für solche Untersuchungen werden Modelle benötigt, an denen die Vorgänge nachgestellt und mögliche Wirkstoffe erprobt werden können. Die häufig genutzten PDX-Modelle, bei denen patientenindividuelle Tumorzellen auf Mäuse übertragen werden, sind wenig geeignet, um den Einfluss einzelner Mutationen zu untersuchen, da sie einen sehr heterogenen genetischen Hintergrund haben. Das gilt auch für die klassischen, aus Patientenzellen gezüchteten Tumor-Organoide.
Wissenschaftler um Hai-Kun Liu haben einen Ausweg ersonnen: Sie nutzen Organoidmodelle, die aus menschlichen induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) gezüchtet wurden. Die Forscher bezeichnen ihre Konstrukte als „GLO“ – für Glioblastoma-like Organoids. Um die Eigenschaften der Glioblastome zu imitieren, wurden in den Stammzellen mithilfe der Genschere CRISPR-Cas diejenigen Tumorsuppressor-Gene ausgeschaltet, die typischerweise in Glioblastomen ausgefallen sind. So gelang es, eine Reihe von GLOs zu züchten, die den wichtigsten Mutationsspektren bei Glioblastom-Patienten vollständig entsprechen.
„Die wichtigsten bekannten molekularen Subtypen des Glioblastoms werden in erster Linie über die RNA-Expression oder das DNA-Methylierungsmuster definiert, und es gibt keine eindeutige Korrelation zwischen genetischen Mutationen und molekularen Subtypen“, erklärt Liu. „Die GLOs sind ideal, um die Wechselwirkungen zwischen krebsspezifischen Genmutationen und molekularen Eigenschaften zu entschlüsseln.“
So konnte sein Team beispielsweise an den GLOs nachweisen, wie die bei Glioblastomen häufige Mutation im Gen NF1 Ursache für die Ausprägung des mesenchymalen Subtyps der Tumoren ist. Außerdem entdeckten die Forscher, dass der Lipid-Stoffwechsel, insbesondere der Phosopholipid-Metabolismus, während der Entwicklung der Hirntumor-Organoide aktiviert wird. Dies steht im Einklang mit den früheren Erkenntnissen der Forscher zur Aktivierung der Lipid-Reprogrammierung in Glioblastom-Stammzellen. Die Veränderungen im Lipidstoffwechsel erwiesen sich als charakteristisches Merkmal der Glioblastome und rücken eine Reihe bislang unbeachteter Zielstrukturen für neue Therapieansätze in den Fokus. So konnten die Forscher beispielsweise zeigen, dass der Lipidsenker Lomitapid das Wachstum bestimmter GLOs signifikant hemmt.
„Im Vergleich zu anderen Organoid-Techniken haben die GLOs den Vorteil, dass sie von einer induzierten pluripotenten Stammzelle mit präzise definierten Mutationen abstammen. Sie haben sich als geeignetes Modell erwiesen, um herauszufinden wie genetische Mutationen die funktionelle Heterogenität der Glioblastomzellen und das Ansprechen auf Medikamente bestimmen“, erklärt Liu.
Er und sein Team wollen noch weitere Zelltypen in die GLOs integrieren, etwa Immunzellen und/oder normale Nervenzellen, um die Situation im Glioblastom in Zukunft noch besser nachzustellen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums. Die Originalpublikation haben wir euch hier verlinkt.
Bildquelle: Drew Hays, Unsplash