Ein neues, vollsynthetisches Antibiotikum kann es selbst mit multiresistenten Bakterien aufnehmen. Wie es das schafft, lest ihr hier.
Weltweit gehen schätzungsweise über eine Million Todesfälle jährlich auf das Konto antibiotikaresistenter Bakterien. Forscher sind sich daher einig: Es müssen neue Waffen her. Einem Team der Harvard University um Andrew Myers, Professor für Chemie und Chemische Biologie, könnte jetzt ein wichtiger Schritt gelungen sein, wie sie in Science berichten.
Viele Antibiotikaklassen, wie Tetrazykline oder Makrolide, richten sich gegen bakterielle Ribosomen. Sie sind ein hervorragendes Angriffsziel für Antibiotika, da sie sich strukturell erheblich von Ribosomen in menschlichen Zellen unterscheiden. Das Problem ist allerdings, dass Bakterien sich vor Angriffen auf das Ribosom schützen können und so Resistenzen entwickeln.
Bakterien können Gene exprimieren, die Enzyme namens ribosomale RNA-Methyltransferasen produzieren. Wie der Name schon vermuten lässt, können diese Enzyme Methylgruppen an Ribosomen heften, die es Antibiotika unmöglich machen, daran zu binden. Dadurch verliert das Medikament seine Wirkung. Den US-Forschern ist es nun gelungen, diese Resistenz zu überwinden.
Schematische Übersicht und Nahaufnahme von Cresomycin, das an das bakterielle Ribosom von Thermus thermophilus gebunden ist. Credit: Yury Polikanov/University of Illinois Chicago.Dafür analysierten die Forscher die chemische Struktur gängiger Antibiotika mit dem Ziel, eine neue Struktur zu designen, die stärker an Ribosomen bindet und sich nicht durch Methylgruppen aufhalten lässt. Das Ergebnis ist ein vollständig synthetisch hergestelltes Antibiotikum namens Cresomycin. Das ist insofern besonders, als dass die meisten Antibiotika durch Semisynthese hergestellt werden, wobei ein in der Natur vorkommender Stoff im Labor für die Anwendung als Arzneimittel modifiziert wird. Cresomycin hingegen weist Modifikationen auf, die sich nicht auf herkömmliche Weise produzieren lassen.
Und tatsächlich scheint Cresomycin besser zu wirken als andere Mittel. In Laborversuchen inhibierte es das Wachstum verschiedener Gram-positiver und Gram-negativer Bakterien, darunter auch multiresistente Erreger aus der ESKAPE-Gruppe (u. a. Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa). Auch in Experimenten mit Mäusen konnte das Antibiotikum resistente S.-aureus-Infektionen bekämpfen. Die vielversprechenden Ergebnisse der präklinischen Tests machen nun den Weg frei für erste klinische Untersuchungen.
„Wir wissen zwar noch nicht, ob Cresomycin und ähnliche Medikamente beim Menschen sicher und wirksam sind, aber unsere Ergebnisse zeigen im Vergleich zu klinisch zugelassenen Antibiotika eine deutlich verbesserte Hemmwirkung gegen eine lange Liste pathogener Bakterienstämme, die jedes Jahr mehr als eine Million Menschen töten“, so Studienleiter Myers.
Bildquelle: Aliya Amangeldi, Unsplash