Orale Verhütungsmittel können sich auf das Depressionsrisiko und die Suizidalität auswirken. So weit, so bekannt – aber warum genau ist das so?
Die Verwendung von oralen Verhütungsmitteln, die eine synthetische Form von Progesteron (Gestagen) enthalten, kann bei Frauen mit Depression und Suizidgedanken zu einem erhöhten Risiko für suizidales Verhalten führen. Forscher des Netherlands Institute for Neuroscience haben nun den Mechanismus entdeckt, der diesem Prozess zugrunde liegt. „Wir hoffen, dass dies Ärzte dazu veranlasst, sich nach dem möglichen Vorhandensein von Depression und Suizidgedanken zu erkundigen und gegebenenfalls ihre Empfehlungen für Verhütungsmittel oder die Behandlung der Wechseljahre zu ändern.“
Jährlich sterben weltweit etwa 700.000 Menschen durch Suizid. Dennoch bleibt es ein Tabu, darüber zu reden und ein schlecht verstandenes Gesundheitsproblem. Unter der Leitung von Prof. Dick Swaab hat Dr. Lin Zhang ihre Forschung darauf ausgerichtet, die Mechanismen hinter dem Suizid zu entschlüsseln. Der Zusammenhang mit Progesteron wurde zu ihrem neuesten Forschungsziel.
Progesteron spielt eine Rolle im Fortpflanzungssystem der Frau, kann aber auch als Stresshormon wirken. Letzteres wird oft vernachlässigt. „Alle stressbedingten Substanzen können zum Suizidrisiko beitragen“, erklärt Swaab. „Wegen des Zusammenhangs mit Stress, Depression und Suizid wollten wir mehr darüber erfahren, wie Progesteron das Gehirn beeinflusst.“
Zhang untersuchte Gehirnproben, die sie von der Netherlands Brain Bank erhalten hatte und die sich in Alter, Geschlecht, Diagnose und Todesursache unterschieden. Ihre Untersuchungen ergaben, dass der Nucleus infundibularis am empfindlichsten auf Progesteron reagiert.
Bei Patienten mit Depression, die durch Suizid starben, fand Zhang eine erhöhte Anzahl von Zellen, die eine opiatähnliche Substanz produzieren. Dieser Anstieg war darauf zurückzuführen, dass sie den Progesteronrezeptor mitexprimierten. „Es ist bekannt, dass die Einnahme von Opiaten das Risiko für Suizid erhöht. Das Gehirn reagiert empfindlich auf opiatähnliche Substanzen, weil es diese Substanzen auch selbst herstellt. Progesteron erhöht also wahrscheinlich die Aktivierung des Opioidsystems, was schließlich zu einem erhöhten Suizidrisiko führt“, so Swaab.
Gestagenhaltige Arzneimittel werden häufig zur Empfängnisverhütung oder zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden verschrieben. Klinische Untersuchungen zeigen, dass das Suizidrisiko bei Arzneimitteln, die natürliches Progesteron enthalten, vernachlässigbar ist, während dies bei der synthetischen Form nicht der Fall ist, da diese stärker ist.
Gynäkologen haben dieses Wissen in ihre Standardpraxis aufgenommen, indem sie ihre Patientinnen auf Depression und Suizidgefährdung untersuchen, bevor sie das eine oder das andere verschreiben. „Wir hoffen, dass diese Erkenntnis Ärzte dazu veranlasst, explizit nach Anzeichen von Depression oder Suizidgedanken zu fragen und gegebenenfalls eine alternative Option vorzuschlagen.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Netherlands Institute for Neuroscience – KNAW. Hier findet ihr die Originalpublikation.
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