Antibakterielle Textilien sollen Menschen mit atopischer Dermatitis helfen. Der klinische Nutzen von Silberbeschichtung konnte aber bisher nicht belegt werden – wie ist der aktuelle Stand?
Die Qual der Kleidungswahl ist bei Menschen mit atopischer Dermatitis nicht nur eine rein optische Angelegenheit. Sie müssen auch auf die besonderen Ansprüche ihrer Haut Rücksicht nehmen. Wollkleidung nehmen Patienten oft als sehr reizend wahr und die Haut juckt noch stärker als sonst. Glatte Fasern wie Seide und Baumwolle sind sanfter zur Haut. Noch eine Stufe weiter gehen Textilien, die nicht nur angenehmer zu tragen sein sollen, sondern vermeintlich auch die Krankheitslast bei Menschen mit atopischer Dermatitis reduzieren. Dazu sollen die Stoffe auf die kutane bakterielle Besiedelung einwirken.
Menschen mit atopischer Dermatitis tragen häufig den Keim Staphylococcus aureus (SA) auf der Haut, was mit einem schwereren Krankheitsverlauf in Zusammenhang gebracht wird. Um eine antibakterielle Wirkung zu erreichen, werden synthetische Fasern mit metallischem Silber oder Silberverbindungen beschichtet. Die Datenlage dazu, ob entsprechende therapeutische Kleidung bei atopischer Dermatitis tatsächlich wirksam ist, ist jedoch schlecht.
Niederländische Forscher der Universität Rotterdam prüften in einer aktuellen Studie die Wirksamkeit antibakterieller Kleidung plus eine standardmäßige topische Behandlung bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis im Vergleich zu einer Standard-Therapiekleidung plus standardmäßigen topischen Behandlung. Sie schlossen in ihre doppelblinde, multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie 159 Patienten jeden Alters ein. Diese wurden auf drei Gruppen randomisiert und sollten ein Jahr lang mindestens nachts je eine der folgenden Kleidungsoptionen tragen:
Einen zusätzlichen Nutzen konnten die Forscher in den Gruppen mit antibakterieller Kleidung nicht feststellen. Ihre Studie zeigt keine Überlegenheit von antibakterieller therapeutischer Kleidung im Hinblick auf die Linderung der Krankheitsschwere oder Symptomstärke. Es wurde auch keine Verbesserung der Lebensqualität gemessen und die Patienten wendeten durch die antibakterielle Kleidung nicht weniger topisches Kortison an. Einen Einfluss auf die Hautbesiedelung durch SA oder auf die Häufigkeit, mit der Patienten Gesundheitseinrichtungen besuchten, ließ sich ebenfalls nicht feststellen.
Bei der Hauptmessgröße, dem Eczema Area and Severity Index (EASI), einem Instrument zur Messung des Schweregrads atopischer Dermatitis, zeichnete sich sogar ein negativer Trend ab. Positiv war einzig der Befund, dass die Studie die Sicherheit von therapeutischer Kleidung bestätigte.
Als mögliche Ursache für das Ergebnis ziehen die Wissenschaftler in Erwägung, dass bereits die Grundbehandlung mit topischen Glukokortikoiden und Emollientien für ausreichende Erleichterung gesorgt haben könnte. Fraglich sei auch, ob die antibakteriellen Eigenschaften therapeutischer Kleidung überhaupt ausreichten, um die bakterielle Besiedelung unter realen Bedingungen zu beeinflussen. In einer Studie wurde nämlich gezeigt, dass die antibakterielle Wirkung von Silberfilamenten davon abhängt, dass diese nass getragen werden. Offenbar ist Feuchtigkeit erforderlich, um das Kontaktbiozid in ausreichender Menge aus den Fasern zu lösen.
Unklar ist zudem grundsätzlich, ob eine Reduzierung der SA-Kolonisierung und eine Wiederherstellung der kutanen Eubiose bei mittelschwerer atopischer Dermatitis überhaupt eine erfolgreiche Behandlungsstrategie ist, um klinische Symptome zu verringern. Autoren eines Cochrane-Reviews konnten keinen relevanten Nutzen von Anti-Staphylokokken-Interventionen bei atopischer Dermatitis zeigen. Es ist laut den Forschern aus den Niederlanden jedoch nicht auszuschließen, dass bestimmte Subpopulationen besonders anfällig für eine SA-Kolonisierung sein könnten und von einer antibakteriellen Therapie profitierten.
Zukünftige Studien sollten sich auf die Identifizierung dieser Patientensubpopulationen und die Bewertung der Wirksamkeit antibakterieller Interventionen bei ihnen konzentrieren.
Bisherige Studien lassen also keine endgültige Schlussfolgerung auf die Wirksamkeit von antibakterieller Kleidung zu. So untersuchten beispielsweise 2013 Wissenschaftler im Rahmen eines systemischen Reviews, ob verschiedene funktionelle Textilien mit antimikrobiellen und juckreizlindernden Eigenschaften als ergänzende Behandlung bei atopischer Dermatitis wirksam und sicher sind. 13 Studien (acht randomisierte kontrollierte Studien und fünf Beobachtungsstudien) wurden eingeschlossen mit folgenden Interventionen:
Silbertextilien waren unter anderem mit einer Verbesserung des Hautzustands, gemessen mit dem SCORAD, einem Symptomrückgang und einem geringeren Bedarf an Notfallmedikamenten verbunden. Einen Unterschied in der Lebensqualität konnten die Wissenschaftler nicht feststellen. Die Verwendung von Seidentextilien besserte ebenfalls den SCORAD und die Symptome ohne Einfluss auf die Lebensqualität oder den Bedarf an Notfallmedikamenten. Bei Verwendung von Borretschöl kam es lediglich zu einer Verbesserung des Hauterythems und in der EVOH-Gruppe wurde nur eine Verbesserung der Ekzemschwere berichtet. Die Autoren sprachen damals von einer allenfalls schwachen Empfehlung für den Einsatz von Funktionstextilien. Eine endgültige Bewertung war ihnen wegen der geringen Anzahl an Studien und der geringen Stichprobengröße nicht möglich.
Die mangelnde Evidenz für die Anwendung reflektiert auch die atopische Dermatitis-Leitlinie von 2023. Demnach sei ein Nachweis dafür, dass bestimmte Textilien die Schwere von atopischer Dermatitis verbessern könnten, bislang in keiner qualitativ hochwertigen Studie erbracht worden. Die Leitlinien-Autoren empfahlen den Patienten, Textilien mit rauen Fasern, etwa aus Wolle, sowie okklusive Kleidung, die zu Überhitzung führen könne, zu meiden. Seide und Baumwolle seien meistens gut verträglich.
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