Dass Hülsenfrüchte vollgepackt sind mit wichtigen Nährstoffen, müsste mittlerweile bei jedem angekommen sein. Aber sollten Ärzte sie auch Darmkrebspatienten empfehlen?
Hülsenfrüchte haben etwas Verbindendes. Generationsübergreifend weiß man sie zu schätzen: Die Boomer lieben sie seit Kindertagen im Eintopf und im Gen-Z-Zeitalter haben Bohnen, Linsen und Erbsen als natürliche Superfoods ein Revival erfahren. In der empfohlenen pflanzlich dominierten Ernährung stellen sie einen der wichtigsten Lieferanten für hochwertiges Eiweiß, komplexe Kohlenhydrate einschließlich eines hohen Anteils wasserlöslicher und unlöslicher Ballaststoffe, besonders Oligosaccharide, dar.
Das Einzige, was sensiblen Gedärmen bisweilen Probleme bereitet, ist die dem mikrobiotischen Oligosaccharid-Abbau im Dickdarm geschuldete Blähwirkung. Und genau diese ist es, die nicht wenige vom regelmäßigen Verzehr abhält. Nicht von ungefähr wird im Bevölkerungsdurchschnitt der empfohlene Ballaststoffverzehr von mindestens 30 g pro Tag deutlich unterschritten.
In den letzten Jahren ist besonders der durch Darm-Mikrobiota erfolgende Abbau löslicher Ballaststoffe unter Bildung kurzkettiger Fettsäuren (Essig-, Propion-, Buttersäure) in den Fokus der Forschung geraten. Zu deren studienbasiert ermittelten Positivwirkungen gehören neben gefäß-, herz- und neuroprotektiven Wirkungen auch günstigen Effekte auf die Blutzuckerregulation. Eine Arbeitsgruppe am MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas, hat sich nun im Rahmen der in The Lancet publizierten BE GONE-Studie mit den Mikrobiom-vermittelten Ballaststoffwirkungen auf kolorektal vorbelastete Adipositaspatienten befasst. Kann eine Ernährungsintervention mit einem überall verfügbaren, preisgünstigen Ballaststofflieferanten – in diesem Fall weißen Bohnen – günstige Veränderungen der intestinalen Mikrobiom-Komposition im Hinblick auf karzinogene Risiken induzieren?
Im Rahmen der Studie wurden aus 69 adipös und kolorektal vorbelasteten Frauen und Männern während einer vierwöchigen Abgleichphase 55 Probanden selektiert und unter Berücksichtigung der Medikationen auf zwei Gruppen randomisiert. Die Kontrollkohorte setzte ihre gewohnte Ernährungsweise fort, die Interventionsprobanden ergänzten ihre gewohnte Ernährung unter Erhalt der Gesamtenergieaufnahme um eine nach Menge (1 Tasse) und Produktart standardisierte Portion weiße Bohnen pro Tag. Nach 8 Wochen wechselten Kontroll- und Interventionskohorte ohne Ausschleichphase ihre Studienpositionen (Cross Over). Alle 4 Wochen wurden Stuhl- und Nüchternblut-Proben entnommen, um sie im Hinblick auf intra- sowie interindividuelle Veränderungen im Darm-Mikrobiom und Blut-Metabolom zu analysieren. Als adhärent wurden alle Teilnehmer eingestuft, die an mindestens 5 Tagen pro Woche mindestens 80 % der vereinbarten Bohnenmenge verzehrten. Unter diesen Voraussetzungen beendeten 48 Probanden (95 %) die insgesamt 16-wöchige Studiendauer.
In der jeweiligen Interventionskohorte zeigte sich eine deutliche Verschiebung der sogenannten Alpha-Diversität (Artenvielfalt) mit Zunahme von als nützlich eingestufter Bakterienspezies wie Faecalibacterium, Eubacterium und Bifidobacterium bei gleichzeitiger Dezimierung pathogener Taxa. Die serologischen Analysen zeigten entsprechende Metabolom-Verschiebungen, die mit weitreichenden Effekten auf Adipositas-relevante Immun- und Entzündungsmediatoren assoziiert sind.
Nach Beendigung der Bohnen-Intervention und Rückkehr zur gewohnten Ernährungsroutine bildeten sich die günstigen Mikrobiom- und Metabolom-Anpassungen ebenso schnell zurück, wie sie sich mit Beginn der Intervention entwickelt hatten. „Sobald die Teilnehmer aufhörten, die Bohnen zu verzehren, verpufften die günstigen Effekte rasch, was die Bedeutung unterstreicht, die Patienten aufzuklären, wie sie gesunde Gewohnheiten beibehalten können“, lautet ein Resümee von Studienautorin Dr. Carrie Daniel-MacDougall.
Die Autoren zeigten sich überrascht, wie markant und schnell mit einer präbiotischen Ernährungsintervention günstige Verschiebungen im Darm-Mikrobiom und Blut-Metabolom erreichbar sind. „Die Beobachtung einer Verschiebung der Diversität im Darm-Mikrobiom allein durch eine diätetische Intervention ist selten. Diese Studie stellt die Fähigkeit eines leicht verfügbaren präbiotischen Lebensmittels heraus, solche Veränderungen herbeizuführen“, so Daniel-MacDougall.
Ernährungsumstellungen führen also vergleichsweise schnell zu Veränderungen der Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms, die aber ohne Fortführung der gewählten Ernährungsweise nicht nachhaltig sind. Die therapeutische Bedeutung des regelmäßigen Verzehrs natürlicher Präbiotika-Lieferanten – besonders für die Rezidivprävention kolorektaler Hochrisikopatienten – wird durch die vorliegende Studie herausgestellt. Die große Herausforderung besteht in der Entwicklung von Strategien, die Patienten von der unbedingten Notwendigkeit einer dauerhaften Ernährungsumstellung zu überzeugen, da die Nachhaltigkeit positiver Verschiebungen der Darmbesiedlung sehr direkt von der Beibehaltung adäquater Ernährungsroutinen mit hohem Ballaststoffanteil anhängt. Um die Adhärenz zu erhöhen, halten es die texanischen Wissenschaftler für relevant, weitere präbiotische Lebensmittel im Hinblick auf ihre Wirkungen auf die Darmbesiedlung und mögliche therapeutische Effekte ins Visier zu nehmen.
Dass sich das Darm-Mikrobiom als volatiles, direkt von der aktuellen Ernährungssituation abhängiges symbiotisches System präsentiert, ist keine wirkliche neue Erkenntnis. Auch dass sich die Darmbesiedlung durch drastischere Interventionen wie eine Stuhltransplantation nicht stabil umpolen lässt, wenn in der Folge kein erhaltendes Nährstoffangebot geliefert wird, haben besonders die bislang erfolglosen Versuche, Adipositas via Stuhltransplantation zu therapieren, gezeigt.
Neu ist die vermutlich sekundärtherapeutische Bedeutung präbiotischer Ernährungsinterventionen im Bereich kolorektaler Karzinome, zu der bislang kaum konsistente Erkenntnisse vorliegen. Die bis dato verfügbaren Daten beziehen sich überwiegend auf primärpräventive Wirkungen einer fasserreichen Ernährungsroutine. Die aktuelle Arbeit konzentriert sich auf mögliche therapeutische bzw. die Rezidivierung kanzeröser Darmerkrankungen unterdrückende Wirkung einer einfachen Ernährungsintervention. Die recht kleine Probandenzahl und auf 8 Wochen begrenzte Interventionsdauer müssen bei der Studienbewertung berücksichtigt werden. Auch wenn die Arbeit aus Texas nur bestätigen mag, was die bislang verfügbare Datenlage zur Primärprävention angedeutet hat, liefert sie einen weiteren Hinweis zum Stellenwert von Ballaststoffen für die kolorektale Gesundheit.
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