Über Jahrzehnte hinweg hatte die pharmazeutische Industrie kein großes Interesse, Therapien gegen Ebola zu entwickeln. Angesichts der größten bislang registrierten Epidemie ist guter Rat teuer. Ärzte setzen auf experimentelle Medikamente - ein riskantes Unterfangen.
Seit Februar 2014 breiten sich Ebola-Viren über Guinea, Liberia und Sierra Leone aus, mittlerweile ist auch Nigeria betroffen. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO ließen sich bis zum 8. August 1.134 Erkrankungsfälle und 622 Todesfälle virologisch bestätigen. Hinzu kommen 1.779 Infektionen mit 961 Todesfällen, die wahrscheinlich auf das Konto des Virus gehen. Epidemiologen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) im US-amerikanischen Atlanta sprechen bereits jetzt von der größten bislang erkannten Epidemie. Sie haben in Blutproben das Zaïre-Ebolavirus (ZEBOV) nachgewiesen. Etwa 54 Prozent aller Erkrankten versterben, wobei Mortalitäten je nach Land stark schwanken. So werden für Guinea 74 Prozent, für Liberia 53 Prozent und für Sierra Leone etwa 41,5 Prozent angegeben.
Im tropischen Afrika sind Ebola-Epidemien leider nicht ungewöhnlich. Dass die Epidemie 2014 derart rasch um sich greift, hat laut WHO-Experten mehrere Gründe. Einwohner der westafrikanischen Länder sind äußerst mobil, was der weiteren Ausbreitung Vorschub geleistet hat. Auch sind Gesundheitseinrichtungen nicht auf hoch infektiöse Patienten vorbereitet. Neben finanziellen und politischen Gründen kommt erschwerend hinzu, dass Infektionen erstmals auftraten. Immer wieder steckten sich Ärzte oder Pflegekräfte an. Quarantänemaßnahmen greifen auch nur begrenzt. Nach aktuellem Kenntnisstand haben die ZEBOV-Stämme jedoch keine erhöhte Kontagiosität im Vergleich zu anderen seit 1976 registrierten Ausbrüchen. Angesichts dieser Zeitspanne ist es umso erstaunlicher, dass es keine Therapien und wenig geeignete diagnostische Möglichkeiten gibt. „Wir sprechen nur über eine kleine Zahl an Fällen“, erklärt Thomas W. Geisbert, Ebola-Forscher an der University of Texas Medical Medical Branch in Galveston. Große Konzerne haben kaum Interesse, riskante Investitionen zu tätigen und Präparate zu entwickeln. Geisbert: „Wem sollen sie diese verkaufen?“ Hohe Sicherheitsstandards erschweren Tests zusätzlich – weltweit sind nur wenige Labors entsprechend ausgerüstet. Mittlerweile kommen Innovationen aus einer ganz anderen Richtung: Kleine Biotech-Firmen und militärische Labors wie das United States Army Medical Research Institute of Infectious Diseases (USAMRIID) sind zur Speerspitze gegen Ebola geworden.
Jetzt haben US-Gesundheitsbehörden ein Verfahren zugelassen, um Ebola-Infektionen nachzuweisen. Das DoD EZ1 Real-time RT-PCR Assay geht ursprünglich auf Arbeiten amerikanischer Militärs zurück und hat den Sprung vom Labor in die Praxis gemeistert. Laut FDA sei der Einsatz im Krisengebiet ab sofort legitim.
Sollten Tests auf Ebola hindeuten, bleiben derzeit nur experimentelle Therapien. Generell ist es möglich, aus dem Blut von Patienten nach überstandener Infektion Seren zu gewinnen. Forscher halten dies für keinen gangbaren Weg. Sie suchten erfolgreich nach Antikörpern, die sich im Labor produzieren lassen: Kürzlich haben Ärzte zwei US-Patienten mit ZMapp™ behandelt. Dieser Antikörper-Cocktail besteht aus ZMAb von Defyrus (Toronto) und MB-003 von Mapp Biopharmaceutical (San Diego). US-Medienangaben zufolge soll sich der Gesundheitszustand beider Infizierter rasch verbessert haben. Experten äußerten sich zurückhaltend. „Ich denke, wir sollten sehr vorsichtig sein und keine Schlüsse über die Rolle von ZMapp™ ziehen, bis wir mehr Details erfahren“, so Geisbert. „Es ist nicht realistisch, zu erwarten, dass ernste klinische Symptome in einer Stunde verschwinden.“ Forscher hatten ZMAb und MB-003 lediglich an Primaten getestet, ein riskantes Unterfangen. Darüber hinaus gibt es weitere Probleme: Kentucky Bioprocessing stellt Antikörper mit transgenen Tabakpflanzen her. Dieser langwierige Prozess lässt sich nicht beliebig nach oben skalieren.
Entsprechende Achillesfersen soll es bei TKM-Ebola von Tekmira Pharmaceuticals nicht geben. Hier handelt es sich um synthetisch herstellbare Nukleinsäuren. Sie stoppen über RNA-Interferenzen virale Replikationsvorgänge, indem sie das Enzym RNA-Polymerase ausschalten. Erste Arbeiten gehen auf USAMRIID-Forscher zurück. Geisbert präsentierte Resultate mit nicht menschlichen Primaten bereits 2010. Blieb als Herausforderung, dass Nukleinsäuren im Körper nicht stabil sind. Tekmira ist es gelungen, Moleküle mit Lipid-Nanopartikeln an den Ort des Geschehens zu transportieren. Anfang 2014 begannen Phase-I-Studien, die von Aufsichtsbehörden jedoch gestoppt wurden. Welche Probleme hier auftraten, gaben beide Seiten nicht bekannt. Jetzt hat die FDA ihre restriktive Haltung korrigiert – zumindest für die aktuelle Situation.
Ob Firmen und Aufsichtsbehörden Lehren aus der Ebola-Epidemie ziehen und ihre Forschung intensivieren, wird sich beim Thema Immunisierung zeigen. Nach wie vor gibt es keine Vakzine auf dem Markt – trotz experimenteller Ansätze mit DNA-Molekülen, Adenoviren, Vesicular-stomatitis-Indiana-Viren oder künstlichen Filovirus-Partikeln. Nur mit Impfungen können Ausbrüche der Krankheit langfristig verhindert werden.