Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsstand sind anfälliger für Übergewicht. Welche Faktoren noch prägend sind, haben Forscher nun in einer Studie erfasst.
Neben dem Bildungsstand spielen auch ein geringes Haushaltseinkommen und Migrationshintergrund eine Rolle bei kindlicher Adipositas. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher um Prof. Jürgen Steinacker und Dr. Susanne Kobel von der Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin des Ulmer Universitätsklinikums. Ihrer aktuellen Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Archives of Public Health zufolge steigt das Risiko für Übergewicht ebenfalls bei Kindern, wenn Mütter und Väter zu viel auf die Waage bringen – auch weil das Gewicht der Kinder von den Eltern falsch eingeschätzt wird.
„Gesundheitsgerechtigkeit ist ein wichtiges Ziel von Forschung und Politik“, erklärt Steinacker. „Denn globale Ungleichheiten, Kriege, die Globalisierung, erzwungene Migration und Klimawandel sind Probleme, die auch das Recht von Kindern auf optimale Gesundheit und Entwicklung verletzen.“ Da es solche Ungerechtigkeiten nicht nur auf globaler und nationaler, sondern auch auf lokaler Ebene gibt, nahm sein Team das Problem in Baden-Württemberg unter die Lupe.
Die Untersuchung basiert auf einer Evaluation eines Förderprogramms der Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin des Universitätsklinikums. Knapp 1.000 Drei- bis Sechsjährige in beteiligten Kindergärten in Baden-Württemberg waren dafür untersucht worden. Während Größe und Gewicht der Kinder direkt in den Kindergärten gemessen wurde, erfasste man Bildungsstand, Einkommen und etwa das Gewicht von Vätern und Müttern per Elternfragebogen.
In der Studie wurde untersucht, inwieweit Eltern das Gewicht ihrer Kinder korrekt einschätzen und ob dies das Gewicht des Nachwuchses beeinflusst. Zudem wurde analysiert, in welcher Beziehung der Grad der Fehleinschätzung mit sozialen Faktoren wie Einkommen, Bildung, Migrationshintergrund sowie Körpergewicht der Eltern steht. Dazu wurden die Daten des Gesundheitsförderprogramms per Querschnittsanalyse untersucht und miteinander in Beziehung gesetzt. Mithilfe statistischer Methoden wurden Abweichungen zwischen dem objektiv gemessenen Gewicht von Kindern und der Einschätzung durch ihre Eltern, aber auch zwischen einzelnen soziodemographischen Gruppen aufgedeckt.
Die Ergebnisse: „Zum einen sind Kinder häufiger übergewichtig, wenn sie in einer Familie mit geringem Haushaltseinkommen oder Migrationshintergrund aufwachsen oder ein Elternteil selbst Übergewicht hat“, so Kobel. „Noch entscheidender scheint jedoch der Bildungsstatus der Eltern zu sein. Gesundheitsbezogene Risiken treten insbesondere in Familien mit niedrigem Bildungshintergrund auf und das schon bei Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren“, sagt Kobel.
Kinder von Eltern ohne Hochschulabschluss waren doppelt so oft übergewichtig wie diejenigen von Akademikern. Dabei machte es keinen Unterschied, ob beide Elternteile über einen Hochschulabschluss verfügten oder nur einer. Wie die Erstautorin der Studie, Dr. Lina Hermeling, hinzufügt, scheint zudem die korrekte Einstufung des Gewichtsstatus der Kinder durch ihre Eltern von entscheidender Bedeutung für deren Gesundheit zu sein. „Wenn eine Mutter oder ein Vater selbst übergewichtig ist, ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehleinschätzung besonders hoch“, so Hermeling.
„Bildung – nicht in Bezug auf Gesundheit, sondern ganz allgemein – scheint bei der Prävention von Übergewicht eine enorme Rolle zu spielen“, so Steinacker. „Dies sollte in politischen Leitlinien zur Gesundheitsgerechtigkeit unbedingt berücksichtigt werden.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Ulm. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Siora Photography, Unsplash