Apothekeninhaber reagieren entsetzt auf das aktuelle BGH-Urteil, mit dem Skonti auf Rx-Medikamente verboten werden. Lest hier, warum das vor allem die Existenz der kleinen Betriebe bedroht.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in der vergangenen Woche eine Entscheidung gefällt, die ähnlich weitreichend sein könnte, wie das EuGH Urteil 2016. Das deutsche Apothekenwesen zeigt sich daher ähnlich erschüttert. Hintergrund: Es sollen bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln keine Skonti mehr angeboten werden dürfen, die über eine Spanne von 3,15 Prozent hinausgehen. Eine Klage der Wettbewerbszentrale gegen den Importeur Haematopharm führte zu dieser wegweisenden Entscheidung. Die gesetzlichen Preisuntergrenzen bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dürfen durch den pharmazeutischen Großhandel nicht unterschritten werden.
Damit wurde die Revision gegen ein Urteil des Brandenburgischen OLG vom Juni vergangenen Jahres zurückgewiesen. Das am 8. Februar verkündete Urteil des BGH bringt nicht nur eine klare Entscheidung bezüglich der Skonti, sondern auch eine Begründung, die die rechtliche Grundlage verdeutlicht. „Die gesetzliche Zahlungsfälligkeit ist sofort“, so der Vorsitzende Richter laut den mündlichen Verhandlungen. Dies bedeutet, dass eine Zahlung mit der Lieferung sofort fällig ist und ein Zahlungsziel von 30 Tagen eine Abweichung vom Gesetz darstellt. Die Relevanz dieser Feststellung liegt darin, dass die Vertragsparteien selbst die Rechtfertigung für Skonti schaffen, da sie eine Zahlungsfälligkeit von 30 Tagen als Standard festlegen. Ein Rabatt bei früherer als vertraglich vereinbarter Zahlung ändert nichts daran, dass der Zuschlag des Großhandels nicht unterschritten werden darf.
Das Urteil verdeutlicht auch die gesetzlich festgelegten Preise im Rx-Bereich und bestätigt, dass das 70-Cent-Großhandelsfixum nicht rabattiert werden darf. Umstritten war jedoch, welche Rolle Skonti spielen können. Das Brandenburgische OLG vertrat die Auffassung, dass eine Unterschreitung der arzneimittelrechtlichen Preisuntergrenze durch Skonti nicht in Betracht kommt, selbst wenn das Skonto als Vergütung für vorfristige Zahlung angesehen wird. Diese Urteilsbegründung liefert also abschließend die rechtliche Klarheit, jetzt bleiben die potenziellen Auswirkungen abzuwarten. Ebenfalls abzuwarten ist, wann der BGH sich zu Bindungsfristen oder Rechtfertigungsmöglichkeiten für gewährte Skonti äußert. Es bleibt zu klären, ob Skonti weiterhin erlaubt sind, solange der Nachlass insgesamt die Grenze von 3,15 Prozent nicht überschreitet. Die Debatte um Skonti bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist damit also noch nicht komplett abgeschlossen.
Die Konsequenzen für die Apotheken vor Ort sind jedoch gravierend – und alarmierend. Stefan Hartmann, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Apothekerkooperationen (BVDAK), bezeichnet das Urteil sogar als „eine historische-wirtschaftliche Katastrophe“ für die Apotheken. Das zeigt deutlich, wie stark die Apotheken bisher wirtschaftlich von den nun untersagten Skonti abhängig waren.
Schaut man sich die Reaktionen der betroffenen Inhaber in den sozialen Medien an, wird schnell klar, dass deutsche Apotheken vor einer ernsthaften Herausforderung stehen. Hier ist die Rede vom „Armageddon“ der kleinen Apotheken, denn erwartet wird vor allem ein Sterben der kleinen und mittleren Betriebe, da die größeren Player mit mehreren Filialen künftig „die wenigen Skaleneffekte ziehen können, um zu überleben“. Die Treuhand Hannover hatte bereits im Vorfeld gewarnt: Die Folgen für Apotheken könnten „erheblich“ sein. Schätzungen legen nahe, dass eine Apotheke durchschnittlicher Größe bis zu 22.000 Euro an Betriebsergebnissen verlieren könnte. Dies entspricht einem beträchtlichen Anteil des Gesamtergebnisses und könnte für viele existenzbedrohend sein.
Das Urteil trifft auf ein ohnehin bereits angespanntes Umfeld. Die Pharmabranche und insbesondere Apotheken sehen sich seit Jahren mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Die zunehmende Regulierung, der Kostendruck und die Veränderungen im Gesundheitswesen haben die Profitabilität vieler Apotheken erheblich beeinträchtigt. Das BGH-Urteil verschärft diese Situation weiter.
Die Reaktionen aus der Apothekerschaft sind jedenfalls eindeutig: Das Urteil wird als existenzielle wirtschaftliche Bedrohung wahrgenommen. Theo Dingermann, Senior Editor der Pharmazeutischen Zeitung, warnt vor einem „Kollaps der Apotheken vor Ort“. Die Forderung an die Politik ist für ihn klar: das Gleichgewicht im Apothekenwesen wiederherzustellen. Eine Erhöhung des gesetzlich festgelegten Apothekenhonorars und vor allem die Aussetzung des Kassenrabatts wären dringende Maßnahmen. Auch Tatjana Zambo, Präsidentin des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg, zeigt sich von dem Urteil entsetzt: „Der Großteil der Apotheken in Baden-Württemberg und in Deutschland war bereits vor dem Urteil des BGH betriebswirtschaftlich mehr als auf Kante genäht. Der Skonto-Deckel des BGH verschärft für diese Apotheken nun die Situation erneut und dramatisch – hin zu einem unerträglichen und betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellbaren Maß.“
Doch die Konsequenzen werden vermutlich nicht gleich in der kommenden Woche spürbar sein – das Urteil bezog sich ja erst einmal nur auf die Firma Hamaetopharm. Auch der in Apothekenkreisen wohlbekannte Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas betont, dass dieses Urteil für die Apotheken zunächst keine unmittelbaren Folgen hat. Zudem sei unklar, ob der jetzt verhandelte Fall auch für den vollsortieren pharmazeutischen Großhandel gelte, der andere gesetzliche Auflagen zu erfüllen hat, denn gerade die sofortige Zahlung ist beim Großhandel absolut unüblich. Solange also das Schlussplädoyer fehlt und unklar ist, ob eine Revision vor dem EuGH zugelassen wird, wird vermutlich niemandem der Ertrag durch Vertragsanpassungen gekürzt.
Entsprechende Ausstiegsklauseln für solche Fälle existieren dennoch und die Möglichkeit, dass diese Karte gezogen wird, ist möglich und sogar wahrscheinlich. Es ist an der Zeit, dass die Politik diese Probleme ernst nimmt und konkrete Lösungen anbietet. Ansonsten droht nicht nur eine weitere wirtschaftliche Krise in der Apothekenlandschaft, sondern auch eine Gefährdung der Arzneimittelversorgung für die Bevölkerung. Eine umfassende Überprüfung und Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, um die Zukunftsfähigkeit der Apotheken zu sichern, ist dringend nötig.
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