GLP-1-Agonisten und SGLT-2-Hemmer haben die Diabetes-Therapie revolutioniert und Insulin als Mittel der Wahl verdrängt. Welche Vorteile sie bringen und warum der HbA1c-Wert keine große Rolle mehr spielt, lest ihr hier.
„Die meisten Patienten mit Typ-2-Diabetes benötigen kein Insulin“, erklärt Prof. Wolfgang Holtmeier in der DocCheck-CME-Veranstaltung „Im Dreiklang: Pankreas, Herz und Nieren“. Der Facharzt für Gastroenterologe macht deutlich: „Damit würden Sie nur Öl ins Feuer gießen! Denn Patienten stecken im Teufelskreis der Insulinresistenz – und der muss durchbrochen werden!“
Immer mehr Menschen sind übergewichtig oder sogar adipös. Damit steigt auch weltweit die Prävalenz von Typ-2-Diabetes mit den entsprechenden Folgeerkrankungen. Heißt im Umkehrschluss: Über den Hebel der Gewichtsabnahme könnte man viele Probleme der Patienten in den Griff bekommen – der Blutdruck sinkt, Entzündungen nehmen ab und, ganz wichtig, die Insulinresistenz verbessert sich.
Die Insulinresistenz, ein Zustand, bei dem die Zellen des Körpers nicht mehr richtig auf Insulin reagieren, spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung von Typ-2-Diabetes. Dieser Mechanismus führt dazu, dass der Körper mehr Insulin produzieren muss, um den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren. Ein Teufelskreis entsteht. „Würden Sie ihrem Patienten mit Typ-2-Diabetes also Insulin geben?“, fragt Holtmeier und liefert gleich die Antwort mit: „Nein, natürlich nicht. Das zusätzliche Insulin würde das Gewicht des Patienten weiter in die Höhe treiben und die Insulinresistenz verschlimmern.“
„Beim Typ-2-Diabetes besteht selten ein Insulinmangel“, so Holtmeier weiter. Daher müssten die meisten Patienten in der Regel auch kein Insulin spritzen. Ob Typ-2-Diabetiker genug Insulin produzieren, lässt sich über die Messung des C-Peptids herausfinden, das Rückschlüsse auf die Insulinproduktion geben kann. Aber wie therapiert man denn nun einen manifesten Typ-2-Diabetes? Hier bringt Holtmeier die zwei neuen „Wunderwaffen“ GLP-1-Analoga und SGLT-2-Hemmer ins Spiel, die „die Therapie revolutioniert haben!“
Aber der Reihe nach: Nach Ausschöpfung der nicht-medikamentösen Therapie sollten Ärzte zunächst die Risiken für kardiovaskuläre oder renale Ereignisse ihrer Patienten abschätzen. Als First-Line-Therapie kommt bei den meisten Patienten Metformin in Frage. Ein „gesunder“ Diabetiker bekommt zusätzlich – basierend auf den individuellen Bedürfnissen – entweder GLP-1-Analoga, DPP-4-Inhibitoren, SGLT-2-Hemmer oder Sulfonylharnstoffe.Credit: DDG-Praxisempfehlungen, Therapie des Typ-2 Diabetes, Diabetol Stoffwechs 2023; 18 (S2): 162ffGLP-1-Analoga binden an die GLP-1-Rezeptoren auf den Zellen der Bauchspeicheldrüse und verstärken so die Wirkung des natürlichen GLP-1-Hormons. Bei den GLP-1-Agonisten, wie Semaglutid oder Dulaglutid, gibt es keine Gefahr der Hypoglykämie, da die Wirkung Blutzucker-unabhängig abläuft. Sie werden einmal wöchentlich subkutan verabreicht und führen letztlich zur Gewichtsreduktion. „GLP-1-Agonisten haben das Potential, Suchtverhalten und Abhängigkeiten zu verbessern“, meint Holtmeier. Der Nachteil ist, dass es nach dem Absetzen wieder zur Gewichtszunahme kommt. Außerdem ist zu beachten, dass die Dosis langsam gesteigert werden muss, sonst drohen Übelkeit und Erbrechen.
Anders funktionieren die DPP-4-Inhibtoren (z. B. Sitagliptin), die den Abbau von GLP-1 hemmen und oral eingenommen werden. Wichtig ist, dass beide Substanzklassen nicht kombiniert werden dürfen, da das Risiko einer Hypoglykämie besteht.
SGLT-2-Hemmer wirken, indem sie die Funktion eines spezifischen Transportproteins in den Nieren blockieren, das für die Rückresorption von Glukose aus dem Urin in den Blutkreislauf verantwortlich ist. Wie auch bei den GLP-1-Analoga besteht keine Gefahr für Unterzuckerung. Allerdings müsse man Patienten immer auf die „sick day rule“ hinweisen, so Holtmeier: „Fühlt sich der Patient schlecht, etwa wegen einer Infektionskrankheit, sollte er die Therapie mit Metformin und SGLT-2-Hemmern pausieren.“ Sonst bestehe das Risiko einer euglykämischen Ketoazidose.
Ein Risiko-Patient bekommt neben Metformin auch SGLT-2-Hemmer und / oder GLP-1-Analoga – „beides dürfen Sie auch zusammen geben“, sagt Holtmeier. „Diese Kombination würde ich immer ausprobieren, bevor ich Insulin gebe.“ Bei der Therapieentscheidung spiele der HbA1c-Wert inzwischen übrigens eine eher untergeordnete Rolle, so der Experte. Die Auswahl der Medikamente sollte in erster Linie der Organprotektion dienen und nicht der HbA1c-Senkung.
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