Von nervig bis existenzbedrohend – Regresse bereiten fast allen Niedergelassenen Kopfschmerzen. Wir haben bei euch nachgefragt, wo genau die Probleme liegen und wie es besser gehen könnte.
Bei vielen niedergelassenen Ärzte muss man die Wörter „Wirtschaftlichkeitsprüfung“ und „Regress“ nur erwähnen, um ein Stöhnen oder Augenverdrehen zu ernten. Denn die meisten von ihnen mussten sich schon mindestens einmal mit einer solchen Prüfung auseinandersetzen – und machten dabei keine gute Erfahrung. Wir haben bei euch nachgefragt, was ihr bisher erlebt habt, was euch am meisten ärgert und welche Besserungen ihr euch wünscht.
An unserer Umfrage haben sich insgesamt 50 Menschen beteiligt, knapp die Hälfte (48 %) von ihnen waren Fachärzte und fast ein Drittel (32 %) Hausärzte. Die restlichen Teilnehmer ordneten sich als Apotheker (4 %), PTA (2 %), Student (2 %) oder sonstiges (12 %) ein.
Von den Fach- und Hausärzten gaben nur 20,5 % an, noch nie mit einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu tun gehabt zu haben. Der Rest musste sich schon mindestens einmal mit einer Einzelfall- oder statistischen Prüfung befassen oder eine Stellungnahme schreiben. 17,9 % hatten sowohl mit einer statistischen als auch Einzelfallprüfung zu tun und 25,6 % machten schon mehrere verschiedene Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch. Auch unter den restlichen Teilnehmern (Apotheker, PTAs, Studenten, sonstiges) haben 75 % bereits eine solche Prüfung erlebt.
Und eine solche Prüfung kann schnell sehr zeitaufwändig werden. Während bei einer Einzelfallprüfung der Zeitaufwand noch zwischen 0,2–5 Stunden angegeben wurde, waren es bei einer Stellungnahme schon oft um die 20 Stunden. Und Ärzte, die sowohl mit einer Einzelfall-, als auch statistischen Prüfung zu tun hatten, gaben an, zwischen 20–100 Stunden dafür benötigt zu haben. Ähnlich sieht es aus bei Ärzten, die schon mehrere Prüfungsverfahren durchgemacht haben – 100 Stunden Zeitaufwand war auch hier keine seltene Antwort. Ein Facharzt schrieb: „Je nach Umfang gehen pro Prüfung 1–4 Wochenenden komplett drauf.“
Es ist also wenig überraschend, dass eine häufige Antwort auf unsere Frage, was genau euch stört, der hohe – unbezahlte – Arbeitsaufwand war. Ein Facharzt schrieb: „Jede Prüfung kostet viel Geld (für einen vorsorglichen Rechtsanwalt) und mindestens 1 Lebensjahr. Die Familie leidet ebenfalls darunter.“ Ein anderer Facharzt geht an die Sache anders heran: „Einfach abhaken, ein Widerspruch ist nicht wirtschaftlich, da nur mit Rechtsanwalt möglich“ – das geht aber natürlich nur, wenn der Regress bezahlbar ist. Im Angesicht des hohen Arbeitsaufwands stellten einige Ärzte auch die Wirtschaftlichkeit der Wirtschaftlichkeitsprüfungen in Frage. Ein Arzt schrieb dazu: „Da wird ein Stab von fünf Mitarbeitern drauf angesetzt, es gibt viel Schriftverkehr und eine Sitzung, wo Leute mehr als 100 km weit anreisen, um festzustellen, dass man noch ca. 200 € über der Grenze liegt. Extrem wirtschaftlich!“
Neben dem hohen Zeitaufwand wurden auch oft Unverhältnismäßigkeit und Unsachlichkeit bemängelt. Eine Person berichtet beispielsweise von ihrem ehemaligen Chef: Ein Dermatologe, der in einem Gebiet mit überdurchschnittlich vielen älteren Menschen arbeitet, mit dem nächsten Dermatologen 50 km weit entfernt. Dadurch lagen seine Behandlungskosten über dem Durchschnitt, weshalb er sich regelmäßig mit Wirtschaftlichkeitsprüfungen auseinandersetzten musste. Schließlich gab er den Kampf und seinen Kassensitz auf. Offenbar kein Einzelfall, wie eine Hausärztin berichtet: „2023 bekam ich einen festgesetzten Regress in Höhe von 48.000 € wegen zu viel verordneter Heilmittel im Jahr 2021 aufgrund einer Durchschnittsprüfung. Sollte dieser Regress tatsächlich fällig werden, gebe ich auf.“ Eine Fachärztin kommentierte diese Art des Durchschnitt-Vergleichs: „Sind die Patienten älter und multimorbid, bist du der Depp.“
Mehrere Ärzte stören sich auch daran, dass ihnen unterstellt wird, nicht zu wissen, wie man ihre Patienten am besten behandelt. Eine Fachärztin erzählt: „Ich hatte einen Regress über die Maxim zur Therapie bei Akne – die Diagnose wurde bezweifelt. Wer wenn nicht der behandelnde Arzt kann die Diagnose stellen?“ Ein anderer Umfrage-Teilnehmer stört sich auch daran, dass der Fokus weg von der Gesundheit des Patienten und hin zur Wirtschaftlichkeit gelenkt wird. Er kommentiert: „Es ist sehr unangenehm, sich rechtfertig zu müssen, ob eine Leistung wirtschaftlich ist. Manchmal kann man das vorher gar nicht wissen.“
Und dann gab es noch ein paar Beispiele, bei denen es nachgewiesenermaßen nicht mit rechten Dingen vorging. Ein Facharzt berichtet von einem Fall, wo eine Medikamentenregressberatung für das 2. Quartal eines Jahres angesetzt wurde. Die Grundlage dafür war eine neue Prüfvereinbarung, die erst am Ende dieses 2. Quartals unterschrieben, aber noch nicht veröffentlicht worden war. Sie war also noch gar nicht für das 2. Quartal gültig. Um sich dagegen zu wehren, musste er einen Eilantrag bei dem Landessozialgericht einreichen. Er bekam recht, aber der Stress und der Arbeitsaufwand waren enorm.
Viele Ärzte haben angemerkt, dass sie es sehr schwer finden, Recht zu bekommen – selbst wenn sie zweifellos im Recht sind. Sie fühlen sich von den Krankenkassen und den Berufsverbänden im Stich gelassen und bemängeln eine fehlende, kostengünstige Rechtsberatung.
Der Unmut ist also groß. Auf die Frage, wie zufrieden sie mit dem aktuellen System sind, gaben nur 6 % der Befragten an, dass sie die aktuelle Art der Kontrolle gut finden. 36,6 % gaben aber auch an, dass sie zwar nicht zufrieden sind, aber auch nicht wüssten, wie es besser gehen sollte. Doch 52 % hatten da schon Ideen.
Ein häufig genannter Punkt war der Wunsch nach einem Frühwarnsystem. Gerade im Zusammenhang mit der Digitalisierung solle die Verwaltungssoftware so angepasst werden, dass sie eine Warnung gibt, wenn man Gefahr läuft, unwirtschaftlich zu handeln. In diesem Zusammenhang wünschen sich die Ärzte auch klarere, transparentere Regeln, damit sie besser abschätzen können, wann eine Behandlung als unwirtschaftlich gelten könnte.
Außerdem forderten viele Ärzte, dass die Prüfungen hauptsächlich durch Ärzte und medizinische Fachleute durchgeführt werden und nicht „Laienstatistiker mit BWL-Kenntnissen“ hinzugezogen werden, wie ein Facharzt es ausdrückt. Damit einhergehend wünschen sie sich auch, dass mehr Freiraum für die individuelle Patienten-Population einzelner Praxen gelassen werde. Damit sollen Fälle wie der oben genannte Dermatologe, der auf Grund seiner überdurchschnittlich alten Patienten das Handtuch warf, vermieden werden.
Zuletzt gab es noch einige Ärzte, die sich eine komplette Abschaffung der Wirtschaftlichkeitsprüfung wünschen. Einige fordern auch, dass diese Prüfung direkt zwischen Krankenkassen und Patienten ablaufen soll und der Arzt komplett außen vor gelassen wird.
Bildquelle: erstellt mit Midjourney