Eine schnelle Diagnose bestimmt bei einer Sepsis das Outcome. Die bisher gültigen pädiatrischen Sepsis-Kriterien sind allerdings veraltet. Jetzt gibt es den neuen „Phoenix-Sepsis-Score” – wird damit alles besser?
Bei der Sepsis spielt die schnelle Diagnose und entschiedene Behandlung wie bei kaum einem anderen Krankheitsbild eine entscheidende Rolle für das Outcome der Betroffenen. Diagnose-Scores können dabei helfen, die kostbare Zeit bis zur Diagnosestellung zur verkürzen. Während mit der Entwicklung des qSOFA (quick sepsis related organ failure assesment) und SOFA-Scores in der Erwachsenenmedizin im Jahr 2016 ein Paradigmenwechsel in der Diagnostik der Sepsis stattfand, wurden die pädiatrischen Sepsis-Kriterien fast 20 Jahre lang nicht erneuert und basierten lediglich auf Expertenmeinungen.
Umso erfreulicher ist deshalb, dass im Januar auf dem Cirtical Care Congress in Phoenix (Arizona) eine neue Definition der Sepsis im Kindesalter anhand des sog. Phoenix-Sepsis-Scores vorgestellt wurde. Die Ergebnisse der internationalen Expertengruppe wurden im Journal JAMA veröffentlicht.
Ziel war es, Parameter zu finden, anhand derer sich die Sterblichkeit von Kindern mit vermuteter Infektion möglichst sicher vorhersagen lässt, um frühzeitig notwendige Maßnahmen (Antibiose, Verlegung auf eine ITS etc.) einleiten zu können und gleichzeitig auch eine Überdiagnostik zu vermeiden. Diese spielt dabei sowohl eine negative Rolle in Bezug auf die Übertherapie einzelner Individuen z.B. mit Breitbandantibiotika als auch in Bezug auf die epidemiologische Bewertung und die Forschung im Bereich der pädiatrischen Sepsis und des septischen Schocks.
Bisher wurden zur Diagnose der Sepsis bei Kindern angepasste SIRS-Kriterien verwendet. Dieses Konzept wurde für den Bereich der Erwachsenenmedizin bereits im Jahr 2016 zugunsten des SOFA-Scores verlassen. Während bei den SIRS-Kriterien vor allem die inflammatorische Reaktion des Körpers anhand verschiedener Parameter erfasst wurde, fokussiert der SOFA-Score auf das akute Organversagen im Rahmen einer fehlregulierten Reaktion als wichtigsten Prädiktor für die Mortalität.
Studien, die zeigten, dass sich das Outcome einer Sepsis durch antiinflammatorische Therapien nicht besserte, hatten das Konzept der SIRS infrage gestellt. Für die Erstellung des SOFA-Scores wurden dann erstmals Patientendaten herangezogen, während vormalige Definitionen allein auf Expertenmeinungen basierten.
In Anlehnung an das Konzept des SOFA-Scores hat die Task Force „Definition der pädiatrischen Sepsis” der Society of Critical Care Medicine (SCCM) nun versucht, neue klinische Kriterien auch für die pädiatrische Sepsis und den septischen Schock bei Kindern zu entwickeln und zu validieren.
Dafür lagen die Datensätze von insgesamt 3,6 Mio. Kindern aus zehn Gesundheitssystemen in den USA, Kolumbien, Bangladesch, China und Kenia vor. Sie wurden im Zeitraum zwischen 2010 und 2019 in der Notaufnahme oder stationär behandelt. Von diesen Kindern wurde bei 172.984 in den ersten 24 Stunden eine Infektion vermutet. 1,2 % von ihnen verstarben an einer Sepsis.
Um einzugrenzen, welche Elemente am besten geeignet waren, um Kinder mit hohem Risiko zu identifizieren, wurde maschinelles Lernen verwendet. Die entwickelten Kriterien stützen sich auf die fokussierte Untersuchung von vier Organsystemen, die bei vermuteter Infektion durchgeführt werden sollte: Herz-Kreislauf-System, Atmung, Neurologie und Blutgerinnung. Jedes der Organsysteme wird anhand von Untersuchungsergebnissen mit Punkten bewertet:
Bei Kindern mit einem Phoenix-Sepsis-Score von mindestens zwei Punkten lag die Sterblichkeit im Krankenhaus bei 7,1 % in ressourcenintensiven Einrichtungen und bei 28,5 % in ressourcenarmen Einrichtungen – und damit mehr als achtmal so hoch wie bei Kindern mit Infektionsverdacht, die diese Kriterien nicht erfüllten.
In der Validierung erreichte der Phoenix-Sepsis-Score eine AUROC (area under the receiver operating characteristic curve) von 0,71 bis 0,92. Die Bestimmung der AUROC dient dazu, die Diskriminierungsfähigkeit eines Tests zu bewerten und kann maximal 1 sein. Bei einem Wert von 1 ist die Diagnose sicher, bei einem Wert von 0,5 zufällig. Somit lässt auch der Phoenix-Sepsis-Score Spielraum für Fehldiagnosen und kann das Urteil des behandelnden Teams nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.
Frühgeborene und Neugeborene wurden übrigens aus verschiedenen Gründen von den Kriterien ausgeschlossen, unter anderem wegen der Schwierigkeiten bei der Definition von Organfehlfunktionen, so die Experten. Sie schlugen jedoch vor, mit der Forschung zur Festlegung von Kriterien für diese empfindliche Altersgruppe zu beginnen.
Bildquelle: erstellt mit DALL-E