Hausärzte sind die ersten Ansprechpartner für Patienten – auch wenn sie unheilbar krank sind. Doch diese Gespräche sind nicht immer leicht. Wir stellen euch Strategien vor, wie ihr eure Patienten auf dem letzten Weg begleiten könnt.
Herr Kunz hat Lungenkrebs im Stadium 4, Metastasen in der Wirbelsäule und im Gehirn. Sein Onkologe hat ihm mitgeteilt, dass er nur noch wenige Monate zu leben hat und auch sein Hausarzt vertritt diese Prognose. Dennoch sitzt Herr Kunz kurz darauf bei ihm in der Sprechstunde und erzählt, er habe noch mehrere Jahre zu leben und sein Onkologe hätte ihn nur aufgegeben. Wie sollte der Hausarzt darauf reagieren? Dieser Frage sind Ärzte im Journal The New England Journal of Medicine (NEJM) nachgegangen.
Patienten, die sich nicht richtig auf ihr bevorstehendes Lebensende vorbereiten, haben in der Regel in den letzten Monaten eine schlechtere Lebensqualität, werden erst spät in Hospize eingewiesen oder versterben gegen ihren Willen im Krankenhaus. Gleichzeitig ist erwiesen, dass die Lebensqualität höher ist, je früher mit der palliativen Begleitung begonnen wird. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Hausärzte wissen, wie sie unheilbar kranke Menschen frühzeitig und gut unterstützen können.
Die Erkenntnis, dass ihr Tod unmittelbar bevorsteht, ist für die meisten Patienten schwer zu verarbeiten. Eine häufige Reaktion ist, zwischen der realistischen Einschätzung der Situation und extremen Optimismus hin und her zu schwanken. Für die behandelnden Ärzte ist es schwer bis unmöglich, über den prognostizierten Verlauf und mögliche Therapien zu sprechen, wenn der Patient sich in der Phase des extremen Optimismus befindet. Ein Beispiel ist der zu Anfang genannte Patient, der seine prognostizierte Lebenserwartung schlicht nicht anerkennt und dementsprechend nicht die Notwenigkeit sieht, Vorkehrungen für seinen bevorstehenden Tod zu treffen.
Doch selbst wenn der Patient früh wichtige Entscheidungen über sein Ableben trifft, haben Studien gezeigt, dass sich die Präferenz zum Umgang mit der Krankheit und dem Tod im Verlauf oft ändern. Der Hausarzt muss also konstant mit dem Patienten im Austausch bleiben, um die getroffenen Pläne gegebenenfalls neu zu bewerten.
Hausärzte sind in der Verantwortung, medizinische Informationen klar und deutlich zu vermitteln. Auch die erweiterte S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankungen fordert Ärzte dazu auf, gezielt Wörter wie „Sterben“ und „Tod“ zu verwenden, damit dem Patienten unmissverständlich klar wird, dass es sich um sein Lebensende handelt. Gleichzeitig sollen und wollen Hausärzte empathisch sein und den Patienten emotional begleiten. Diese Balance zu schaffen, ist nicht einfach.
Die Leitlinie empfiehlt Hausärzten, sich an dem SPIKE-Modell zu orientieren, um sowohl Fachlichkeit als auch Emotionalität zu vereinbaren. Das Modell besteht aus 6 Komponenten:
Die Autoren des NEJM-Beitrags stellen nun konkrete Strategien vor, die helfen sollen, besonders den Punkt Explorations of Emotions so gut wie möglich umzusetzen. Denn nur so könne man herausfinden, welche Bedürfnisse der Patient hat und wie er am besten zu behandeln ist. Da Patienten ganz unterschiedliche kulturelle, religiöse und persönliche Hintergründe haben, muss jede palliative Begleitung individuell angepasst werden. Die Strategien stellen wir euch in der folgenden Liste vor.
Credit: DocCheck, erstellt mit BioRender. Basierend auf Jackson et al.
Das Wichtigste an palliativer Begleitung ist laut den Autoren allerdings, diese Gespräche regelmäßig zu wiederholen. Dem Patienten muss die Zeit und der Raum gegeben werden, zwischen verschiedenen emotionalen Zuständen zu schwanken (wie Realismus und extremem Optimismus) und verschiedene Prioritäten zu haben. Studien haben gezeigt, dass gut begleitete Patienten nach einiger Zeit eine stabilere realistische Einstellung annehmen und besser mit ihrer eigenen Sterblichkeit umgehen können.
Die Begleitung von unheilbar kranken Patienten ist komplex, zeitaufwändig und kräftezehrend. Nicht jeder Hausarzt kann dies für all seine Patienten leisten – dann kommt das Palliativteam ins Spiel, welches speziell für die Betreuung am Lebensende ausgebildet ist. Dennoch erzählt Hausarzt Dr. Franz-Josef Schirmer gegenüber DocCheck: „Grundsätzlich finde ich es wichtig, dass diese Aufgabe in unserer Hand bleibt. Denn gerade jemand, der den Patienten doch am besten kennt – über lange Jahre hinweg – der kann mit dem Patienten am besten die Entscheidungen am Lebensende treffen.“
Auch in der genannten Leitlinie steht, dass der Hauptansprechpartner der Hausarzt ist. Doch Schirmer merkt an: „Das geht nur, wenn ich nur ein bis zwei solcher Patienten im Monat habe. Denn es ist schon sehr kräftezehrend und es geht auch schonmal ein Wochenende drauf, wenn man dafür unterwegs ist.“ Deshalb sei das Palliativteam eine sinnvolle Ergänzung: „Das Gute ist, dass man es sich selbst aussuchen kann. Es gibt das Palliativteam, wenn es einem zu viel wird, aber wenn man es selbst machen will, kann man es machen.“
Bildquelle: Jordan Steranka, Unsplash