Überweisen Hausärzte Patienten wirklich zu oft an Fachärzte – oder sollten Fachärzte lernen, mehr auf die Expertise der Allgemeinmediziner zu vertrauen? Wir haben in der Community nachgefragt.
Immer wieder hört man von Hausärzten, die sich von anderen Fachärzten nicht ernstgenommen fühlen. Fachärzte hingegen bemängeln, dass Hausärzte viel zu schnell Überweisungen ausstellen. Wir wollten wissen, wie ihr das im Berufsalltag erlebt und haben in einer Umfrage nachgehakt. Hier sind die Ergebnisse.
An unserer Umfrage haben insgesamt 180 Personen teilgenommen, 42 % waren Hausärzte/Allgemeinmediziner, 29 % Fachärzte, 8 % Studenten, 6 % PTAs oder Apotheker und 14 % ordneten sich keiner der genannten Gruppen zu. Bei der Frage nach Spannungen zwischen Haus- und Fachärzten wird schnell deutlich: Der Frust bei den Hausärzten ist groß. 64,5 % gaben an, bereits erlebt zu haben, dass ihre Expertise von Fachärzten unterschätzt wurde. Auf der anderen Seite berichteten 43,1 % der Fachärzte, schonmal Probleme in der Zusammenarbeit mit Hausärzten gehabt zu haben.
Die Hausärzte berichten, dass ihre (Verdachts-)Diagnosen, Überweisungen und Medikamentenpläne zuweilen von Fachärzten nicht ernstgenommen werden. Ein Hausarzt schreibt „Mir wird nicht zugetraut, eine Situation richtig zu bewerten.“ Dazu käme, dass Krankenhausärzte bei einer Entlassung oft eine Überweisung an Fachärzte empfehlen, selbst bei Dingen, die auch ein Hausarzt behandeln kann.
Weiter beklagen sie sich über fehlende Termine bei Fachärzten, selbst wenn sie einen Fall als dringend einstufen: „Man kommt mit Terminwünschen als Bittsteller“, so ein Hausarzt. Dazu käme, dass Patienten, die von sich aus einen Facharzt aufgesucht hätten, zurück zum Hausarzt für eine Hausarztvermittlungsfall-Überweisung geschickt werden – „danke für die Mehr-Arbeit“, kommentiert ein anderer Hausarzt.
Es handelt sich also um eine Reihe von Konflikten. Schaut man aber etwas genauer hin, wird schnell klar: Hausärzte fühlen sich oft nicht von Fachärzten respektiert. Zu oft werde nicht auf ihre Expertise vertraut und wenn sich die Einschätzung doch als richtig herausstellt, gäbe es keine Entschuldigung. Viele Hausärzte erleben Fachärzte auch als herablassend. Ein Hausarzt erzählt beispielsweise von „Belehrungen im Arztbrief, die sich von selbst verstehen.“ Ein anderer berichtet, dass „mit den Worten ‚das macht dann der Hausarzt‘ unliebsame Tätigkeiten (z. B. zusätzliche Diagnostik oder Befunderläuterungen) abgewälzt werden.“
Die Spannungen zwischen Hausarzt und Facharzt sind bereits im Studium zu spüren. Ein Student erzählt: „Im Krankenhaus wird oft abfällig über die hausärztlichen Kollegen geredet, dass die eigentlich keine Ahnung hätten.“ Ein Hausarzt ergänzt: „Während der Weiterbildung hieß es dann, dass der Facharzt für Allgemeinmedizin ja kein richtiger Facharzt sei und auch im Krankenhaus wurden wir angehenden Allgemeinmediziner schlechter bewertet.“
Wenig überraschend beklagen sich die Fachärzte ihrerseits über unnötige oder unvollständige Überweisungen und falsche Einschätzungen. Zudem bemängeln sie, dass Hausärzte in der Nachbehandlung zum Teil schludern: Befunde würden nicht richtig gelesen und Empfehlungen nicht umgesetzt. Auch in der Vorbehandlung wünschen sich manche Fachärzte mehr Einsatz vom Hausarzt: „Manche Hausärzte beginnen nicht mal mit der Behandlung, wenn sie es könnten“, schreibt ein Facharzt. Ein Facharzt aus der Klinik ergänzt: „Wir bekommen häufig Patienten, die sich der Hausarzt nicht selbst ansehen möchte oder wo er sich nicht mit den niedergelassenen Kollegen auseinandersetzten möchte.“ Auch hier geht es also vor allem darum, dass sich Fachärzte nicht respektiert fühlen.
Diese Frage wird sich natürlich nicht definitiv beantworten lassen. Klar ist, dass sich beide Seiten mehr Respekt im Umgang miteinander wünschen. Hausärzte würden zudem gern mehr Vertrauen in ihre Expertise spüren. Interessanterweise scheint dies nicht nur ein Hausärzte-Problem zu sein – auch PTAs und Apotheker wünschen sich, dass Ärzte ihnen mehr zuhören. Ein Apotheker sagt über Haus- wie Fachärzte: „Sie sind oft zu wenig kommunikationsbereit und manchmal beratungsresistent.“ Ein anderer Apotheker drückt es schärfer aus: „Die Zusammenarbeit ist schlecht, sie halten sich für etwas Besseres, obwohl sie keine Ahnung von Medikamenten und den Nebenwirkungen haben.“
Es scheint also, dass die Frage nicht lauten sollte „überweisen Hausärzte zu häufig an Fachärzte“, sondern „wird die jeweilige Expertise respektiert“. Und dort gibt es offenkundig an allen Fronten Verbesserungsbedarf. Ein Student erzählt gar: „Wer sich für ein interdisziplinäres Miteinander ausspricht, stößt immer wieder auf Gegenwind.“
Bildquelle: erstellt mit DALL-E