Eine 30-jährige Frau wird von ihrem Hausarzt dem niedergelassenen Internisten zugewiesen, denn eine kürzlich durchgeführte Laboruntersuchungen zeigt eine LDH Konzentration von 382 U/l (Referenzwert: 70-240 U/l). Großes Blutbild, Leberfunktionsparameter, TSH (schilddrüsenstimulierendes Hormon) und Kreatinin sind unauffällig. Die Patientin fühlt sich gut und klagt über keine aktuellen oder vergangene Gesundheitsprobleme. Im Einzelnen verneint sie Gewichtsverlust, Fieber (weder anhaltend noch zyklisch), Nachtschweiß oder Auslandsaufenthalte vor der Feststellung der LDH-Erhöhung. Sie nimmt keine regelmäßigen Medikamente oder Drogen ein, hat keine Vorerkrankungen und ist Mutter von zwei gesunden Kinder. Ihrer Aussage zufolge ist die LDH-Enzymaktivität schon "jahrelang" erhöht. Eine umfassende Diagnostik wurde bislang nicht durchgeführt. Die körperliche Untersuchung, Elektrokardiogramm und Abdomensonographie zeigen keine abnormen Befunde, außer einer asymptomatischen Cholezystolithiasis, welche die LDH-Erhöhung jedoch nicht erklären kann. Unter Verwendung einer großlumigen Nadel wird die Blutuntersuchung durch eine Venenpunktion ohne Stauschlauch wiederholt. Die Hämolyseparameter Haptoglobin und Bilirubin liegen im Normbereich, das Bludbild einschließlich Retikulozytenzahl ist unauffällig. Direkter und indirekter Coombs-Tests sind negativ. Gerinnungsstudien, Infektionsserologie, Autoantikörperuntersuchungen, Muskelparameter, Serum-Elektrophorese, Immunphänotypisierung, Immunglobulinkonzentrationen, Elektrolytkonzentrationen (insbesonders Kalium), Rheumaserologie, Leberwerte und Nierenwerte zeigen keine relevanten Auffälligkeiten. Einzig die Folsäurekonzentration ist leicht erniedrigt und im Verdacht auf eine subklinische ineffektive Hämatopoese wird ein Folsäurepräparat verschrieben. Eine Kontrolluntersuchung nach einigen Wochen zeigt eine weiterhin erhöhte LDH bei nun normaler Folsäurekonzentration. Eine Computertomographie von Thorax und Abdomen zeigt keine Hinweise auf Malignome oder latente Infektionen.
Nach eine ausführlichen Literaturrecherche wird das Vorliegen eines macro-LDH Enzymkomplexes vermutet: Diese sogenannten Makroenzyme entstehen, wenn Serumenzyme Komplexe mit anderen Serumproteinen, insbesondere Immunglobulinen, bilden. Es resultieren Komplexe mit höherer Molekularmasse als die unkomplexierten Enzyme. Die erhöhte Enzymaktivität in Labortests, vor allem bei AST, Lipase und CK, kann auf eine verlängerte Serumhalbwertszeit zurückgeführt werden. Infolgedessen führen Makroenzyme zu falsch hohen Laborwerten und damit zu Fehlinterpretationen. Es wird davon ausgegangen, dass ein macro-LDH Komplex ungefährlich ist und auch in gesunden Personen vorkommen kann.
Als diagnostische Nachweise bieten sich eine Fällungsreaktion mit Polyethylenglykol (PEG 6000) oder eine LDH-Isoenzymelektrophorese an. Beide Verfahren bestätigten das Vorliegen eines macro-LDH Enzymkomplexes im Patientenserum.
Im vorliegenden Fall wurden umfangreiche labor- und radiologische Untersuchungen durchgeführt, bevor die Möglichkeit einer macro-LDH in Betracht gezogen wurde. Generell zeichnen sich Makroenzymzustände durch anhaltend erhöhte Serumenzymaktivitäten aus. Folglich scheint es sinnvoll, frühzeitig die Möglichkeit von Makroenzymen bei Patienten zu berücksichtigen, bei welchen erhöhte Serumenzymwerte nicht zum klinischen Kontext passen.
Da die Prävalenz von Makroenzymen noch unklar ist, bleibt es fraglich, ob es sinnvoll ist, umfangreiche diagnostische Tests (Labor und Bildgebung) bei ansonsten gesunden Patienten zurückzuhalten oder zu verzögern. Besonders die PEG-Fällungsmethode kann als Erstlinientest in einer Ordination durchgeführt werden und eignet sich zur niedrigschwelligen Erkennung wahrscheinlich gutartiger Makroenzymzustände. Das Wesentlichste ist jedoch Makroenzyme als Ursache für erhöhte Serumenzymaktivitäten vor allem für AST, Lipase, Amylase, CK und LDH im Kopf zu haben.