Moorflächen zu schützen ist ein Beitrag zum Klimaschutz. Damit ein Moor trotzdem genutzt werden kann, wollen Forscher nun aus den holzigen Moor-Pflanzen über einen Umweg Tierfutter herstellen.
Moore sind wichtige Kohlenstoffdioxid-Speicher. Um die Klimaziele zu erreichen, werden viele Moore, die ehemals trockengelegt wurden, wieder vernässt. Forscher aus dem Institut für Tierernährung und dem Institut für Lebensmittelqualität und -sicherheit der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) und des DIL – Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik starteten jetzt ein gemeinsames Projekt, in dem sie Pflanzenteile renaturierter Moorflächen verwenden, um Tierfutter für Hunde und Katzen herzustellen.
Die in Mooren anfallende verholzte Biomasse ist als Futter- oder Lebensmittel nicht ohne weiteres nutzbar. Darum geht das Forschungsteam einen Umweg und bereitet die Biomasse als Futter für die Larven der schwarzen Soldatenfliege (Hermetia illucens, Black Soldier Fly, BSF) auf. Am Ende sollen die Insekten als Ganzes oder Bestandteile, wie Proteine oder Fette, als Futter für Hunde oder Katzen zur Verfügung stehen.
Moore wurden über Jahrhunderte trockengelegt, um Torf zu gewinnen und um die Flächen land- oder forstwirtschaftlich zu nutzen. Um die Funktion der Moore als Kohlenstoffdioxidspeicher wiederherzustellen, werden die Flächen wieder vernässt. Eine wirtschaftliche Nutzung ist damit nur noch eingeschränkt möglich. Pflanzen, die im Moor wachsen, müssen gut mit der Nässe umgehen können. Schilf, Torfmoose, Rohrkolben, Erle oder Seggen fühlen sich in der Umgebung wohl und eignen sich beispielsweise, um Dächer zu decken, als Dämmmaterial oder zur Energiegewinnung in Heizwerken. Der Wasserstand bestimmt, welche Pflanzen für die jeweiligen Standorte geeignet sind. Generell gilt: Je höher der Wasserstand des Standortes, desto höher müssen die Pflanzen wachsen und desto verholzter sind sie.
Damit enthalten sie auch mehr Lignin. Lignin verbindet sich mit Hemizellulose und Zellulose zu Lignozellulose und bildet bei verholzten Pflanzen die Zellwand. Der Stoff für die Stabilität der Pflanzen verantwortlich. Substrate mit hohem Lignin- und Zellulosegehalt sind auch für Insekten schlecht verdaulich. „Unsere früheren Forschungsarbeiten haben aber gezeigt, dass Insekten im Gegensatz zu Hunden, Katzen oder zum Menschen lignozellulosehaltige Materialien teilweise verdauen können“, berichtet Prof. Madeleine Plötz, Leiterin des Projekts. „Der Umsatz ist aber oft nicht effizient und das Substrat ist sehr proteinarm. Wir müssen das verholzte Material also so auf- und vorbereiten, dass die Insekten und andere wirbellose Tiere es effizient und möglichst ohne die Gabe von Zusatzstoffen verstoffwechseln können.“
Die Forscher des DIL werden in dem Projekt prüfen, welches Substrat sich eignet, um die Larven der Schwarzen Soldatenfliege zu füttern und untersuchen, ob und wie es vorbehandelt werden muss. Dr. Kashif ur Rehman vom DIL erklärt: „Lignozellulose-Biomasse ist reich an Zellulose, Hemizellulose und Lignin. Diese Bestandteile sind jedoch fest miteinander verbunden, so dass es schwierig ist, Nährstoffe und die enthaltenen Zucker für die weitere Verarbeitung freizusetzen, um sie als Insektenfutter nutzen zu können. Darum ist es entscheidend, das Material vorzubehandeln und die komplexen Strukturen aufzubrechen.“
Das bedeutet, dass entweder Lignin entfernt oder modifiziert oder Hemizellulose abgebaut wird, damit die Zellulose besser zugänglich wird. „Dafür kommen unterschiedliche Methoden in Frage. Wir werden in dem Projekt prüfen, welches Verfahren das beste Ergebnis liefern“, sagt ur Rehman.
An der TiHo werden die Forscher die unterschiedlichen Substrate mit weiteren Wirbellosenarten wie Grillen oder Mehlwürmer untersuchen. Außerdem werden sie aus den Insekten Futter für Heimtiere erstellen und testen. Prof.Christian Visscher, ebenfalls Leiter des Projekts, erklärt: „Der Fokus wird dabei auf Hundefutter liegen, da Insektenfutter hier bislang schon am häufigsten zum Einsatz kommt. Auf Insektenprotein basierende Futtermittel für Haustiere sind vor allem für Hunde oder Katzen interessant, die gegen die gängigen Proteinträger aus der Fleischindustrie Unverträglichkeiten entwickelt haben. Außerdem sind solche Futtermittel natürlich auch für Tierbesitzerinnen und Tierbesitzer interessant, die ihre Haustiere aus ethischer Überzeugung oder aus ökologischen Gesichtspunkten nicht mit Fleischprodukten füttern möchten. Hier kann das Insektenfutter einen Kompromiss zur fleischfreien Fütterung darstellen.“
Die wirtschaftliche Nutzung nasser und wiedervernässter Moore nennt sich Paludikultur. Genutzt werden nur oberirdische Pflanzenteile, der Torfkörper bleibt unangetastet. Als Lebens- oder Futtermittel sind die Pflanzenteile nicht geeignet. Ur Rehman sagt: „Moorflächen zu schützen ist ein Beitrag zum Klimaschutz. Für viele Menschen bedeutet dieser Schritt aber, dass sie ihre Flächen nicht mehr wie bisher nutzen können. In den vergangenen vier Jahrhunderten wurden sie mit viel Aufwand trockengelegt. Mit diesem Projekt möchten wir einen Beitrag leisten, den Menschen, eine Perspektive zu bieten, die ihre Flächen wegen der Klimaziele umnutzen müssen.“
Die Entwicklung einer Insektennahrung aus lignozellulosereichem Pflanzenmaterial ist ein innovativer Ansatz mit mehreren Vorteilen und möglichen Anwendungen. Lignozellulosehaltige Biomasse entsteht nicht nur in Mooren, sondern ist auch ein häufiges Nebenprodukt in der Landwirtschaft. Sie ist reichlich vorhanden und eine nachhaltige Quelle als Insektenfutter. Die Nebenprodukte könnten als Insektenfutter genutzt und in einen Kreislauf eingebracht werden. Die Insekten wandelt die lignozellulosehaltige Biomasse in Proteine und andere wertvolle Nährstoffe um. Ein weiterer Vorteil – auch in der Nutzung von der Biomasse aus Moorflächen – ist, dass nur eine geringere Konkurrenz zu anderen Nahrungsmittelpflanzen besteht.
Der Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der TiHo Hannover.
Bildquelle: Maksim Shutov, unsplash