Die Hormontherapie in den Wechseljahren bleibt ein schwieriges Thema. Weder komplette Ablehnung noch bedenkenloses Verordnen ist angebracht, meine ich als Gynäkologin. Ein Überblick.
Die Hormonersatztherapie, kurz HRT (Hormone Replacement Therapy), hilft zwar zuverlässig gegen Wechseljahresbeschwerden, ist aber eine der am meisten umstrittenen Therapien. Man findet unter Kollegen, auch generationsabhängig, unterschiedliche Sichtweisen – von sehr großzügiger Verordnung bis zur restriktiven Verweigerung. Richtig eingesetzt bietet eine HRT einen enormen Benefit, bei Nichtbeachtung von Risiken drohen Gefahren.
Klimakterische Beschwerden beeinträchtigen je nach Ausprägung das subjektive Lebensgefühl und die individuelle Leistungsfähigkeit. Man kann die Beschwerdeintensität ungefähr dritteln: Ein glückliches Drittel hat kaum Beschwerden und benötigt keine Therapie. Ein weiters Drittel hat starke vasomotorische Symptome (VMS) wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche, begleitet von Schlafstörungen, depressiven Verstimmungen, Libidoverlust, Gelenkbeschwerden sowie vaginaler und ophthalmologischer Trockenheit. Oftmals ist ein normales Arbeits- und Privatleben ohne Therapie nicht möglich. Dazwischen liegt etwa ein Drittel an Patientinnen, deren Beschwerden zwar deutlich, aber weniger beeinträchtigend sind. Hier ist die Therapieempfehlung mitunter schwierig.
Die Indikation für eine HRT ist dann gegeben, wenn klimakterische Beschwerden eine klinisch relevante Beeinträchtigung der Lebensqualität verursachen. Alternativ sollten zuvor Isoflavone und Cimicifuga-Präparate eingesetzt werden, bei Beschwerden aus dem psychosomatischen Bereich entsprechende Therapieformen.
Generell geht man davon aus, dass bei gesunden Frauen eine HRT eine geeignete und sichere Option zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden ist – vorausgesetzt, man beginnt vor dem 60. Lebensjahr oder innerhalb von 10 Jahren nach Einsetzen der Menopause. Experten raten immer von generellen Laborbestimmungen ab. Sie werden nur bei klinisch oder therapeutisch nicht eindeutigen Situationen empfohlen. Sonderfälle sind die prämature Ovarialinsuffizienz (POI: Menopause < 40. Lebensjahr) und eine frühe natürliche oder iatrogen herbeigeführte Menopause (Menopause zwischen dem 40.–45. Lebensjahr). Hier stellt eine zu erwartende Hormonmangelsituation die Indikation für eine HRT. Daneben bietet eine HRT noch eine nachweisliche osteoprotektive Wirkung und wird deshalb in der Osteoporoseprophylaxe und -therapie eingesetzt.
Als Kontraindikationen gelten:
Im ersten Behandlungsjahr ist das thromboembolische Risiko am höchsten. Im Vergleich zur oralen Therapie wird bei der transdermalen Estradioltherapie das thromboembolische Risiko als gering bis kaum eingeschätzt. Durch den positiven Einfluss auf Gefäßwand und Fettstoffwechsel wirkt das Estradiol bei frühzeitigem Therapiebeginn der Entwicklung einer Atherosklerose entgegen. Bei vorbestehenden kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen kann eine neu begonnene HRT einen ungünstigen Einfluss haben. Zur sekundären Prävention von koronaren Herzerkrankungen ist eine HRT nach derzeitigem Wissenstand daher nicht geeignet. Bei der transdermalen Applikation ist nach aktueller Datenlage das Apoplexrisiko nicht erhöht.
Situationen, die eine sorgfältige Überwachung erfordern, sind:
Sexualsteroide können das Wachstum von hormonabhängigen Tumoren beeinflussen. Bei Frauen unter mehrjähriger Therapie mit Estrogen-Gestagen-Kombinationen wird ein geringer Anstieg der Mammakarzinominzidenz beobachtet. Möglicherweise reduziert eine Östrogenmonotherapie zunächst das Mammakarzinomrisiko, erhöht es aber nach einer über 15-jährigen Therapie. Die Datenlage zur Entwicklung eines Ovarialkarzinoms unter HRT ist, laut dem jüngsten Arbeitstreffen von Experten des Züricher Gesprächskreises, derzeit noch nicht ausreichend belegt.
Frauen mit Uterus müssen zum Schutz des Endometriums immer ein Gestagen in Kombination mit einem Östrogen einnehmen. Bei hysterektomierten Patientinnen ist eine alleinige Östrogentherapie möglich. Eine langfristige kombinierte Einnahmedauer über 10 Jahre kann mit einer Risikoerhöhung für ein Endometriumkarzinom vergesellschaftet sein. In Beobachtungsstudien wurde eine Absenkung des Risikos für ein Kolon- und Rektumkarzinom unter HRT verzeichnet.
Hormone werden üblicherweise oral, transdermal (Gel, Pflaster, Spray) oder vaginal verabreicht. Auch die intrauterine Hormonspirale ist eine Applikationsmöglichkeit.
Transdermale Oströgenapplikationen besitzen den Vorteil, dass das thromboembolische und zerebrovaskuläre Risiko minimiert ist. Man beginnt mit der geringsten Östrogendosis und steigert je nach Klinik. In der beginnenden Perimenopause werden die menstruellen Zyklen unregelmäßiger und die ersten vasomotorischen und atrophischen Beschwerden treten auf. Ein- und Durchschlafstörungen sowie Gereiztheit bis hin zu depressiven Verstimmungen erschweren das tägliche Leben. Oftmals helfen zunächst Phytopräparate und eine vaginale Östrogenisierung lindert die Trockenheit. Halten die Beschwerden an, sind Gestagene in der zweiten Zyklushälfte eine gute Stabilisierungshilfe. Bevorzugt wird die zyklische Gabe eines bioidentischen Gestagens, etwa Progesteron.
Eine weitere Option im perimenopausalen Übergang ist eine kontinuierliche Gestagenmonotherapie mit etwa 4 mg Drospirenon, insbesondere bei Antikonzeptionswunsch. Nehmen die klimakterischen Beschwerden im Verlauf zu, empfehlen Experten eine ergänzende transdermale Estradioltherapie als Gel oder Spray. Letzteres könnte auch in Kombination mit einer höher dosierten Hormonspirale (Mirena®) erfolgen. Beide Vorgehensweisen sind Therapiemöglichkeiten im Off-Label-Use.
Danach wäre der Übergang in eine klassische HRT, in zyklischer (21 Tage Östrogene, 10–14 Tage Gestagene) oder sequenzieller (kontinuierliche Östrogengabe, 10–14 Tage Gestagene) Form möglich. Bei postmenopausalen Patientinnen ist die kontinuierliche Kombinationstherapie (Östrogene und Gestagene) bzw. kontinuierliche Monotherapie (Östrogenen) nach Hysterektomie Mittel der Wahl.
Bevorzugt werden bioidentische Präparate, wie transdermales Estradiol und vaginal oder oral verabreichtes Progesteron. Es sind aber auch alle anderen Substanzen und Applikationsformen möglich. Für Risikopatientinnen, bei denen eine hormonelle Therapie kontraindiziert ist, wird es in Kürze eine spannende Alternative geben: „Das Präparat Fezolinetant wird voraussichtlich ab Februar in Deutschland unter dem Namen Veoza® zugelassen sein“, so Prof. Michael Ludwig, bekannter Hormonexperte und Fachbuchautor. Mit dem Neurokinin-3-Rezeptor Antagonisten stünde eine potente, nicht-hormonelle Alternative bei vasomotorischen Beschwerden zur Verfügung.
Prinzipiell sollte eine HRT sorgfältig überwacht werden. Dabei werden anamnestische Risikokonstellationen evaluiert, der Blutdruck bestimmt, Mammographiebefunde regelmäßig erhoben und die weiterhin bestehende Notwendigkeit einer Therapie geprüft. Es existiert keine Maximalangabe an Jahren, nach der eine Hormontherapie beendet werden sollte. Prinzipiell gilt auch hier das Motto: So lange wie nötig, aber so kurz wie möglich.
Um ein sanfteres Absetzen zu ermöglichen, empfehlen Experten das langsame Ausschleichen. „Bei gesunden Frauen mit persistierenden VMS ist die Fortsetzung der Hormontherapie über das Alter von 60 Jahren hinaus eine Option, wenn eine entsprechende Beratung erfolgt ist und die Risiken regelmäßig evaluiert und neu bewertet werden. Die Langzeitanwendung einer Hormontherapie bzw. die Anwendung bei Frauen über 60 Jahren ist jedoch nicht geeignet, um das Risiko für andere Erkrankungen wie KHK oder Demenz zu senken“, so Prof. Vanadin Seifert-Klauss von der Frauenklinik rechts der Isar der TU München.
Eine Hormontherapie ist kein Lifestyle-Produkt, sondern klar indiziert bei klinisch relevanten klimakterischen Beschwerden. Zum therapeutischen Nutzen werden auch positive Auswirkungen auf die Knochendichte herangezogen. Ein perimenopausaler Beginn ist von Vorteil, spätestens aber innerhalb von 10 Jahren nach der Menopause bzw. vor dem 60. Lebensjahr. Patientinnen mit vorzeitiger oder früher Menopause profitieren von einer HRT. Generelle Hormonbestimmungen werden nicht empfohlen, sondern sind speziellen klinischen und therapeutischen Fragestellungen vorbehalten.
Vorsicht ist geboten in thromboembolischen, kardio- und zerebrovaskulären Risikokonstellationen. Bei schweren Leberfunktionsstörungen und bei Malignomen der Brust, der Gebärmutter und der Zervix (Adenokarzinom), sollte keine Hormontherapie erfolgen. Als Alternative wird das nicht-hormonelle Fezolinetant mit Spannung erwartet.
Eine leichte Erhöhung des Mammakarzinomrisikos und möglicherweise, nach langjähriger Verabreichung, auch des Endometriumkarzinoms wird beschrieben. Die Datenlage für das Ovarialkarzinom ist uneinheitlich. Das Risiko für ein Kolon- und Rektumkarzinom scheint sich unter einer HRT zu verringern. Eine regelmäßige Überprüfung von Risikokonstellationen und der bestehenden Therapienotwendigkeit, sorgt für entsprechende Sicherheit der anvertrauten Patientinnen.
Bildquelle: Pablo García Saldaña, unsplash