Kinder- und Jugendärzte atmen auf – das Kopfschütteln hat ein Ende. Die STIKO gibt eine offizielle Impfempfehlung für Meningokokken B. Doch eine andere Empfehlung macht mich skeptisch.
Auch die elendigen Erklärungen und Diskussionen mit den Krankenkassen über Kostenübernahmen sind dank der Empfehlung nun passé: Die STIKO hat in ihrem aktuellen Bulletin (das nun immer im Januar erscheint) endlich die Impfung gegen Meningokokken B für Säuglinge empfohlen, ebenso wie die Nachholimpfung bis zum 5. Lebensjahr.
An der wissenschaftlichen Einschätzung hat sich nichts geändert: Eine Meningokokken-B-Infektion ist unverändert bedrohlich und in vielen Fällen letal verlaufend, viele Länder (z. B. Großbritannien) haben die Impfung schon lange in ihren Impfplan implementiert. Aber der Impfschutz ist ein individueller, d. h. der Schutz des Einzelnen ist hervorragend, für die Epidemiologie wird die Impfung jedoch keinen großen Unterschied machen. Es wird immer Einzelfälle von Meningokokken-B-Infektionen geben, die Verbreitung wird sehr wahrscheinlich durch die Einführung einer generellen Impfung nicht beeinflusst.
„Ziel der neuen Impfempfehlung ist die Reduktion der Morbidität invasiver MenB-Erkrankungen und der resultierenden Folgen (Hospitalisierung, schwere Komplikationen, Behinderung und Tod) bei Säuglingen und Kleinkindern. Aufgrund der potenziell schweren Symptomatik, möglichen Folgeschäden und der hohen Letalität hat die Reduktion invasiver MenB-Erkrankungen trotz deren Seltenheit eine hohe Bedeutung für die Bevölkerung“, so die STIKO.
Lange hatte die STIKO mit einer solchen Einschätzung auf sich warten lassen. Es wurde bereits vermutet, dass die Entscheidung erst mit der geplanten Neustrukturierung der Kommission möglich wäre.
Konkret empfiehlt die STIKO, alle Säuglinge im Alter von 2 Monaten erstmals gegen Meningokokken B zu impfen, gefolgt einer Zweitimpfung mit 4 Monaten und einer dritten mit 12 Monaten (2-4-12 Schema). Eine Folgeimpfung ist nicht geplant.
Für ältere Kinder empfiehlt die STIKO eine Nachholimpfung bis zum 5. Lebensjahr. Hier folgt die Kommission den Fachinformationen des Impfstoffherstellers und impfen Kinder über dem 6. Lebensmonat nach einem Schema 1-3-6 (-12) Monaten, Kinder ab einem Jahr nach einem Schema 1-3-12 (-23) Monaten. Kinder nach dem zweiten Geburtstag benötigen nur noch zwei Impfungen im Abstand von einem Monat.
Enttäuschend ist, dass es keine empfohlene Nachholimpfung im gesamten Kindes- und Jugendalter bis zum 18. Geburtstag gibt – wissen wir doch, dass der zweite Infektionsgipfel nach den Säuglingen bei Jugendlichen zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr liegt. Vielleicht wird dies aber noch weiterentwickelt, folgend der Strategie bei anderen Impfempfehlungen.
Bleibt die Impfung gegen die Subtypen Meningokokken ACWY. Hier sind gute Impfstoffe verfügbar. Aktuell ist diese als Reiseimpfung für den asiatischen oder afrikanischen Raum vorgesehen. Da es bereits eine Impfung gegen Meningokokken C gibt, wäre die Empfehlung der Kombination meines Erachtens konsequent.
Die STIKO hat ihre Impfempfehlung im Januar-Bulletin veröffentlicht, Versicherten der Privatversicherung oder Beihilfe sollte damit ab sofort eine Kostenübernahme garantiert sein. Für die gesetzlichen Krankenkassen benötigt es noch ein wenig Verfahrenszeit – meist zwei bis drei Monate: Erst nach Veröffentlichung in der „Richtlinie über Schutzimpfungen“ des Gemeinsamen Bundesausschusses kann gegen Meningokokken B dann auf Kosten der Kassen geimpft werden.
In der Praxis heißt das für uns, für zwei Monate Erklärungen abzugeben bzw. geplante Mengingokokken-B-Impfungen (bisher als IGEL-Leistung) zu verschieben, bis der „normale“ Abrechnungsweg möglich ist.
Sehr intensiv diskutiert wird in Fachkreisen die Empfehlung der STIKO, parallel zu den MengB-Impfungen Paracetamol zu geben – dreimal insgesamt, alle acht bis 12 Stunden (z. B. als 75 mg Suppositorien oder in Saftform). Dies senke laut Studien die Fieberreaktion des Organismus auf die Impfung und damit das Wohlbefinden des Säuglings und die Akzeptanz der Impfung.
Für viele kinder- und jugendärztliche Kollegen kommt diese Empfehlung überraschend, waren wir doch bisher stets bemüht, den Eltern einen vernünftigen, vor allem nicht inflationären Umgang mit Fiebersenkern zu vermitteln. Eine prophylaktische Paracetamol-Gabe könnte nun die Furcht vor Fieber wieder schüren. Ob die Umsetzung der STIKO-Empfehlung zur Routinegabe praktikabel ist, wird der Alltag zeigen.
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