Ausgerechnet eine tierische trans-Fettsäure soll gegen Krebs helfen. Darauf deutet zumindest eine aktuelle Studie hin. Was ist dran?
Ernährungsinterventionen als Baustein der Krebstherapie werden seit langem erforscht. Kurative, das Tumorwachstum inhibierende Wirkungen einzelner Nährstoffe/Nähstoffgruppen ließen sich bislang kaum ableiten. Nun liefert die Forschung Hinweise, dass ausgerechnet eine tierische trans-Fettsäure ein potenter Wirkverstärker antitumoraler Therapien sein könnte.
Für die Prävention, Genese und Progression von Krebserkrankungen spielt Ernährung, im Kontext mit weiteren Faktoren der persönlichen Lebensführung, eine wichtige, wenn auch schwer zu quantifizierende Rolle. Ernährungsroutinen, die den Aufbau von proinflammatorisch aktivem Viszeralfett fördern (zu viel Zucker, ungünstige Fette und Energie), stehen hier ebenso im Fokus, wie karzinogene Inhaltsstoffe, die als Zusätze in hochverarbeiteten Lebensmitteln auftauchen oder durch unvorteilhafte Zubereitungsarten entstehen. Acrylamidbildung bei der Kohlenhydratüberhitzung, heterozyklische aromatische Amine (HAA) sowie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Benzpyren beim „Übergrillen“ von Fleisch und beim Erhitzen von Pökelwaren gebildete Nitrosamine seien hier genannt.
Bei einem Großteil der Tumorpatienten werden Ernährungsanpassungen primär im Kontext mit der zehrenden Tumorkachexie erforderlich. Nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft betrifft das etwa jeden zweiten Betroffenen im Laufe seiner Erkrankung. Der dann häufige Zwiespalt zwischen dem Wunsch zu essen und der Unfähigkeit, es zu tun, erfordert eine sehr sensible und individuelle Betreuung. Vor diesem Hintergrund ist es nur allzu verständlich, dass Forschungen, die nicht primär die akute Verbesserung der Lebensqualität im Fokus haben, sondern die hemmende Wirkung von Nahrungsbestandteilen auf das Tumorwachstum untersuchen, weniger in der klinischen Praxis präsent sind. Minder bedeutsam sind sie deshalb aber nicht.
Die ernährungsphysiologische Bedeutung der Fettsäuren ist ein ebenso komplexes wie kontrovers diskutiertes Thema. Die zu oberflächliche Beurteilung – ungesättigte Fettsäuren sind gut, gesättigte und trans-Fettsäuren sind böse – ist ohne Berücksichtigung von Mengen und Gewichtungen wenig hilfreich. Stellvertretend seien hier die nicht konsistenten Ergebnisse von Einzelstudien und Metaanalysen genannt, die keine Evidenz für eine kardiovaskuläre Risikosteigerung durch gesättigte Fettsäuren belegen können. Für trans-Fettsäuren hingegen gibt es derzeit keine studienbasierte Entwarnung.
Umso mehr lässt es aufhorchen, wenn eine auch in unbehandelten Nahrungsmitteln vorkommende trans-Fettsäure über eine Verbesserung der T-Zell-Funktion antitumorale Wirkungen entfaltet. Dies zumindest ist das Ergebnis einer kürzlich publizierten Studie mit humanen Krebszelllinien und In-Vivo-Interventionen an Mäusen – nicht die erste Arbeit, die eben dieser trans-Fettsäure ein günstiges Urteil im Kampf gegen Krebs ausstellt.
Trans-Fettsäuren (TFA) sind ungesättigte (C-C-Doppelbindungen enthaltende) Monocarbonsäuren, in denen sich an mindestens einer Doppelbindung die Substituenten in trans-Konfiguration („an entgegengesetzten Seiten“) befinden. Der Gefäßgesundheit abträgliche, die Risiken für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhende Wirkungen von TFA sind besonders durch ihre Bildung bei der industriellen Fetthärtung in die Schlagzeilen gekommen. Native Pflanzenöle gelten besonders wegen ihres Gehalts an mehrfach ungesättigten, in der günstigen cis-Konfiguration vorliegenden Fettsäuren als „Gefäßputzer“. Werden sie jedoch industriell durch partielle Hydrierung gehärtet, entstehen als Nebenprodukte besagte TFA.
Zahlreiche Hersteller – insbesondere in der Margarineproduktion – haben bereits vor etwa 10 Jahren reagiert und begonnen, in der Lebensmittelindustrie die TFA-reichen teilgehärteten Öle durch Pflanzenölmischungen aus voll- sowie ungehärteten Ölen mit sehr niedrigem TFA-Gehalt zu ersetzen. Mit einer im April 2021 in Kraft getretenen EU-Verordnung, die einen Maximalwert für industriell erzeugte TFA von 2 % vorschreibt, ist das Problem der übermäßigen TFA-Aufnahme via verarbeitete Lebensmittel innerhalb der EU weitgehend gelöst. Dennoch ist das Problem im wahrsten Wortsinn nicht vom Tisch, da zwei weitere Quellen für individuell hohe TFA-Zufuhr nach wie vor Bestand haben.
Zum einen entstehen TFA auch beim Erhitzen von mehrfach ungesättigten Fettsäuren ab Temperaturen von etwa 130 °C – die beim Braten und Frittieren schnell erreicht werden. Zum anderen finden sich im Fett von Wiederkäuern biogene TFA, die in deren Pansen durch mikrobielle Hydrierung von mehrfach ungesättigten Nahrungsfettsäuren gebildet werden. Der Verzehr von Rind- und Lammfleisch sowie von Milch und Milchprodukten ist somit in unseren Breiten der maßgebliche Faktor für die Aufnahme von natürlichen TFA. Da die TFA-Gehalte in den einzelnen Produkten in einem Bereich zwischen etwa 2 und 9 % des Gesamtfettgehaltes (DGE-Angaben) schwanken, ist die individuelle TFA-Aufnahme von Art, Menge und Häufigkeit des Verzehrs konkreter Einzelprodukte abhängig – „Dosis facit venenum“!
Die aktuelle Studienlage zeigt das Bild einer deutlichen, womöglich kausalen Assoziation zwischen einer (zu) hohen alimentären Aufnahme von TFA mit dem Anstieg des LDL- und Absinken des HDL-Spiegels im Blutserum, samt der anhängigen Risikosteigerung für arteriosklerotische Folgeerkrankungen. Bereits 2013 wies das Bundesinstitut für Risikobewertung in einer Stellungnahme darauf hin, dass bei einer TFA-Aufnahme oberhalb von 2 % der Nahrungsenergie das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen ansteigt und daher höchstens 1 % der Nahrungsenergie über TFA zugeführt werden sollte. Nicht zuletzt dank genannter EU-Verordnung und des Verzehrrückgangs natürlicher TFA-Lieferanten wird die speziell von TFA ausgehende Gefahr für die Bevölkerungsgesundheit im Vergleich zu anderen gesundheitsgefährdenden Ernährungsroutinen („zu viel, zu süß, zu fett“) als eher niedrig eingeschätzt. Nichtsdestoweniger ist die Mahnung vor zu hohem TFA-Verzehr nach wie vor gültig.
Von den im Fett von Fleisch und Milchprodukten von Wiederkäuern vorhandenen TFA macht besonders eine TFA mit 30 bis 50 % den Löwenanteil aus. Es handelt sich um die langkettige (C18) einfach ungesättigte trans-Vaccensäure (TVA), die im Rahmen der Forschungen zur Wechselwirkung zwischen Nahrungsinhaltsstoffen und Krebs durch eine 2019 von Jian Song und Kollegen vom Universitätsklinikum in Shenzhen, China veröffentlichte Arbeit erstmals für positive Schlagzeilen sorgte. In Zellkulturen von Nasopharynxkarzinomen hemmte zugesetzte TVA die Krebszellproliferation und triggerte deren Apoptose.
Als ursächlichen Mechanismus identifizierten die Wissenschaftler eine verminderte Phosphorylierung des Apoptose-vermittelnden Proteins BAD („Bcl-2 associated agonist of cell death protein“). In seiner aktiven Form bindet und deaktiviert BAD eine Reihe Apoptose-hemmender Proteine, sodass die Apoptose stimuliert wird. Die Regulation der BAD-Aktivität erfolgt durch Phosphorylierung/Dephosphorylierung. Phosphoryliertes BAD kann nicht mehr an die anti-apoptotischen Proteine binden, sodass die Zelltodrate sinkt. In den Zellkulturexperimenten hemmte TVA diese BAD-Phosphorylierung in den Krebszellen. Dadurch kann BAD quasi ungehindert die anti-apoptotischen Proteine blockieren und somit die Krebszellapoptose forcieren – so die Conclusio der chinesischen Forschungsgruppe.
Im November 2023 hat ein Forschungsverbund von Onkologen und Hämatologen der Universitäten Atlanta und Chicago, die sich seit längerem mit den Wirkungen von im Blut zirkulierenden Nährstoffen und Metaboliten auf die Karzinogenese und die Wirksamkeit von Krebstherapien befassen, neue Studienergebnisse zur antitumoralen TVA-Wirksamkeit publiziert. Die Wissenschaftler erstellten zunächst eine Datenbank mit etwa 900 bekannten, im Blut zirkulierenden Nährstoffen und Nährstoff-Metaboliten. Im Anschluss wurden diese Verbindungen auf ihre Fähigkeit hin gescreent, die antitumorale Immunantwort zu beeinflussen. Dabei kristallisierte sich besagte TVA als besonders effektiv heraus, was sich in Interventionsstudien an Krebszellkulturen sowie in vivo in Mausmodellen verschiedener Tumorarten bestätigte. In Mauskohorten, die eine TVA angereicherte Diät erhielten, war die Proliferation von Melanom- und Kolonkarzinomzellen im Vergleich Kontrollkohorten ohne TVA-Fütterung signifikant reduziert. Überdies war in den TVA-Interventionskohorten die Tumor-Infiltrationsrate mit zytotoxischen CD8+ T-Lymphozyten erhöht.
Um dem Mechanismus der T-Zellaktivierung durch TVA auf die Spur zu kommen, führte das Forschungsteam Genom- und Protein-Phosphorylierungsanalysen durch. Sie ergaben, dass TVA über den Oberflächenrezeptor GPR43 an die CD8+ T-Zellen andockt. Normalerweise wird dieser Rezeptor durch die Bindung kurzkettiger Fettsäuren wie Propion- und Buttersäure aktiviert, die beim Ballaststoffabbau durch Dickdarm-Mikrobiota entstehen. Genau diese Wechselwirkung mit GPR43 ist es, über die kurzkettige Fettsäuren aus dem Ballaststoffabbau ihren günstigen Einfluss auf die Entzündungsregulation im Immunsystem entfalten. Bindet hingegen die langkettige TVA an den GPR43-Rezeptor, wird den neuen Erkenntnissen zufolge der multifunktionale CREB-Signalweg aktiviert, der das Zellwachstum, die Differenzierung und Stabilität der C8+ T-Zellen unterstützt.
Abschließend analysierten die Wissenschaftler Blutserum-Proben von menschlichen Lymphompatienten, die mit einer CAR-T-Zelltherapie behandelt wurden. Dabei zeigte sich, dass die Seren von Patienten, die gut auf die Therapie ansprachen, höhere TVA-Serumwerte aufwiesen als Non-Responder. Last but not least bestätigten In-Vitro-Interventionsexperimente mit humanen Leukämiezellkulturen das Potenzial von TVA, die Krebszell-tötende Wirkung von Immuntherapeutika zu unterstützen.
In Anbetracht des durch Krebs geschaffenen Leids ist es gerechtfertigt, jedem seriösen Hoffnungsschimmer nachzugehen. Die bislang raren Studien zur positiven Beeinflussung therapeutischer Maßnahmen durch Inhaltsstoffe natürlicher Nahrung mahnen vor verfrühter Euphorie. Allein aufgrund der vorgestellten Arbeiten, Krebspatienten therapiebegleitend eine höhere alimentäre TVA-Zufuhr in Form von rotem Fleisch und Milchprodukten zu empfehlen, wäre durch die aktuelle Datenlage in keiner Weise gedeckt.
Seriöse Therapie bedeutet auch personifizierte Einzelsubstanzdosierung auf Basis datengedeckter Evidenz. Nichtsdestoweniger liefern die Arbeiten hoffnungsvolle Anregungen, TVA und möglicherweise weitere natürliche Nahrungskomponenten in Form von Nahrungsergänzungsmitteln als Adjuvantien zur Unterstützung von Krebstherapien weiter zu erforschen. „TVA hat ein hohes Potenzial, als diätetisches Element die klinischen Ergebnisse verschiedener therapeutischer Ansätze wie Immuncheckpoint-Inhibitoren, T-Zell-Engager-, CAR-T- und T-Zell-Rezeptor-Therapien zu verbessern“, schreiben die Studienautoren in ihrer Conclusio – kombiniert mit dem ebenso bekannten wie richtigen Hinweis: „Further studies are warranted“. Auf diese darf man gespannt sein.
Bildquelle: Kai Dahms, Unsplash