Bei der Versorgung von Typ-1-Diabetes fehlen noch viele Aspekte im Behandlungsprogramm. Das sieht auch der G-BA so – und überarbeitet die Richtlinien zum zugehörigen DMP.
Disease-Management-Programme (DMPs) sind strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch kranke Menschen, die auf Erkenntnissen der evidenzbasierten Medizin beruhen: Patienten mit bestimmten chronischen Krankheiten können sich bei ihrer Krankenkasse in ein DMP einschreiben, damit sie über Einrichtungsgrenzen hinweg nach einheitlichen Vorgaben behandelt werden. Die Anforderungen an ein DMP regelt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der DMP-Anforderungen-Richtlinie (DMP-A-RL).
Im Auftrag des G-BA identifizierte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun aktuelle evidenzbasierte Leitlinien zum Diabetes mellitus Typ 1 und glich deren Empfehlungen mit der DMP-A-RL ab. Hierzu werteten die Wissenschaftler des IQWiG insgesamt 1.271 Empfehlungen aus 28 Leitlinien aus, zu denen unter anderem auch eine aktuelle internationale Leitlinie zum Diabetischen Fußsyndrom (IWGDF 2023) und die aktuelle Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG 2023) zählten.
Das Fazit der Auswertung: Zu vielen Versorgungsaspekten der derzeit geltenden DMP-A-RL für das DMP Diabetes mellitus Typ 1 finden sich in den aktuellen Leitlinien ergänzende und abweichende Inhalte. Der nun vorgelegte Abschlussbericht des IQWiG dient dem G-BA als wissenschaftliche Grundlage für die Aktualisierung der DMP-Richtlinie Diabetes mellitus Typ 1.
Typ-1-Diabetes ist eine chronische Erkrankung, bei der die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse durch Immunzellen unwiederbringlich zerstört werden. Typische Symptome des Typ-1-Diabetes sind häufiger Harndrang, Gewichtsverlust, ein starkes Durstgefühl sowie Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Bei sehr stark erhöhten Blutzucker-konzentrationen kann es auch zu Bewusstseinsstörungen oder zur Bewusstlosigkeit kommen. Typ-1-Diabetes 1 kann in jedem Lebensalter auftreten; die Manifestation der Erkrankung findet aber am häufigsten vor Beginn der Pubertät statt.
Wird die Erkrankung nicht behandelt, kann dies zu schwerwiegenden und irreversiblen Folgeschäden an den kleinen und großen Blutgefäßen sowie an den Nervenbahnen führen und endet zumeist tödlich. Typische Begleit- und Folgeerkrankungen betreffen vor allem die Augen, die Nieren sowie das Nervensystem. Zudem haben die Betroffenen ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das DMP Diabetes Typ 1 soll sicherstellen, dass die Betroffenen eine Versorgung erhalten, die solche Folgeschäden und Verschlechterungen der Krankheit so weit wie möglich verhindert und die Lebensqualität verbessert. Im Dezember 2022 waren in Deutschland rund 260.000 gesetzlich Krankenversicherte im DMP Diabetes mellitus Typ 1 eingeschrieben.
Die inhaltlichen Anforderungen an ein DMP werden regelmäßig auf ihre Aktualität hin überprüft. Die aktuelle Recherche des IQWiG zeigt, dass sich in den vergangenen Jahren viele der ausgewerteten 1.272 Empfehlungen in den berücksichtigten 28 medizinischen Leitlinien zu Diabetes mellitus Typ 1 in Bezug auf wichtige Versorgungsaspekte weiterentwickelt haben. Daher sollte die geltende DMP-Richtlinie aktualisiert werden.
Diskrepant sind unter anderem die Empfehlungen zu den Versorgungsaspekten: Eingangsdiagnose, Therapieziele, Insulinsubstitution und Stoffwechselselbstkontrolle, diabetische Neuropathie oder auch zum diabetischen Fußsyndrom. Zudem haben die Wissenschaftler folgende zusätzliche Versorgungsaspekte, die bisher nicht in der DMP-A-RL thematisiert werden, identifiziert: Ernährung, körperliche Aktivität, Fettstoffwechselstörungen und digitale medizinische Anwendungen.
Aufgrund eingegangener Stellungnahmen zum Vorbericht hatte das IQWiG seine Leitlinien-Synopse vor Veröffentlichung das Abschlussberichts noch einmal überarbeitet und ergänzt: So ersetzten die Wissenschaftler die Leitlinie IWGDF 2019 durch die aktuelle Version IWGDF 2023. Da in der IWGDF 2023 einige Empfehlungen umformuliert bzw. neue Empfehlungen hinzugekommen sind sowie ein Kapitel zum Charcot-Fuß neu in die Leitlinie aufgenommen wurde, ergaben sich hieraus auch Änderungen in den Empfehlungen des Abschlussberichts. Genauso nahm das Wissenschaftsteam im Abschlussbericht auch die aktuellen Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG 2023), der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW 2023), der Endocrine Society (ES 2023), der Gesellschaft für Transitionsmedizin (GfTM 2021) und der International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD 2022) neu auf.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). Die Originalpublikation haben wir euch hier verlinkt.
Bildquelle: Mesut Cicen, Unsplash