In der Apotheke erlebe ich viele skurrile E-Rezept-Geschichten. Die Krönung des Wahnsinns: ein Fax mit dem Foto einer Versichertenkarte. Warum das E-Rezept zum echten Problem werden könnte.
Erst einmal: der Start des E-Rezepts bei uns war besser als befürchtet, auch wenn so manches Erlebnis bestenfalls nur noch für Kopfschütteln sorgt. Wir erleben hier tagtäglich die Höhen und Tiefen dieser digitalen Revolution im Gesundheitswesen. Eines steht fest: Das E-Rezept hat vielerorts nicht nur die Medikamentenverordnung, sondern auch die Nerven der Kunden auf den Kopf gestellt.
Häufig betritt nicht nur die ältere Kundschaft, gesegnet mit einer Portion Technik-Verwirrung, die Apotheke mit einem bunten Mix aus Missverständnissen. Da wären diejenigen, die ohne ihre Versichertenkarte erscheinen – überzeugt davon, dass man sie jetzt ja nur noch einmal im Quartal benötigt. Das gilt aber nur für den Arztbesuch, nicht bei uns.
Dicht gefolgt von denjenigen, die uns wortlos die Karte hinlegen, nur damit wir sie in den Connector stecken, um dann zu festzustellen, dass sich darauf kein E-Rezept befindet. „Aber gestern hat Ihre Kollegin doch gesagt, sie bestellt es für mich!“ Verwirrung pur. Vielleicht einfach mal sagen, dass das Rezept schon abgerufen wurde und man nur noch zum Abholen kommt (und dafür braucht man die Karte nicht schon wieder)? Andere würden gerne die beim Arzt bestellten Medikamente für den Nachbarn mitnehmen – natürlich ohne die Versichertenkarte („Ach, die brauche ich jetzt jedes Mal?“).
Die Übernahme des E-Rezeptes gestaltet sich besonders in Stoßzeiten und bei bestimmten Krankenkassen schwierig. Manchmal träumt meine Kollegin schon von einer Jeopardy-Wartemelodie, um uns die Wartezeit zu versüßen. Kunden, die – trotz Anweisung der Praxis erst am Nachmittag ihre Medikamente zu holen – stante pede bei uns aufschlagen, gehören genauso zur Tagesordnung, wie Ärzte, die Arzneimittel ohne Arztausweis ordern, weil „der noch in der Praxis im Gerät“ steckt.
Auch befreundete PTA erzählen mir inzwischen von ihren Anekdoten. Ein Kollege wurde tatsächlich mit Traubenzucker beworfen, weil eine Kundin die Warterei satthatte und der Meinung war, er sei am Versagen der Technik schuld. Kein Wunder, dass sich derzeit viele Apothekenmitarbeiter beruflich umorientieren.
Das eigentliche Drama offenbart sich jedoch im fehlenden technischen Verständnis, das nicht nur bei den Kunden, sondern auch bei diversen Arztpraxen anzutreffen ist. Ein Fax mit dem Foto einer Versichertenkarte zur Übernahme des E-Rezeptes erlebte eine PTA vergangene Woche in diesem Zusammenhang als Krönung des Wahnsinns. Man könnte fast meinen, wir befinden uns in einem absurden Theaterstück. Die PTA dachte sogar ernsthaft darüber nach, ein Foto mit Medikamenten als Antwort zurückzufaxen.
Anstrengend wird es, wenn manche Praxen vergessen zu kommunizieren, dass sie nur einmal am Tag signieren. Das Resultat: Patienten, die dreimal vorbeikommen, nur um festzustellen, dass ihr Rezept noch nicht abrufbar ist. Ein frustrierender Teufelskreis, der durch klare Kommunikation vermieden werden könnte.
Auch die Inflexibilität mancher Praxen ist ein Ärgernis. In Ausnahmefällen, in denen bettlägerige, alte Kunden nicht mal eben mit ihrem Rezept in die Apotheke spazieren können, wird sich beharrlich geweigert, ein Papierrezept auszudrucken – selbst, wenn es um die dringende Versorgung dieser vulnerablen Patientengruppe geht. Soll nun wirklich jede Apotheke den Weg zweimal machen – einmal hin, um die Karte zu holen und dann wieder zurück, um später die Medikamente mit dem Boten zu bringen? Das ist nicht nur ineffizient, sondern grenzt an Unmenschlichkeit.
Trotz aller Vorteile des E-Rezepts für mobile und fitte Patienten steht außer Frage, dass es für die Heimversorgung und ältere Patienten, die nicht mehr so agil sind, zur totalen Vollkatastrophe werden kann. Manche Gesundheitskarten befinden sich zudem in den Händen von Angehörigen, die sie nicht herausgeben wollen, aus Angst, dass sie verloren gehen.
Es ist an der Zeit, dass alle Akteure im Gesundheitswesen – von den Arztpraxen bis zu den Apotheken – sich zusammensetzen und Lösungen finden. Das E-Rezept sollte das Gesundheitssystem doch verbessern, nicht in eine logistische Sackgasse führen. Kommunikation und Flexibilität sind das Gebot der Stunde, um sicherzustellen, dass die Patienten die Versorgung erhalten, die sie benötigen, ohne dabei im bürokratischen Dschungel verloren zu gehen. Dass es ruckeln würde zu Beginn, war klar. Die Vorstadtapotheke ist hier noch ganz gut weggekommen, wenn ich höre, was woanders an der Tagesordnung ist. Hoffen wir, dass es so bleibt!
Bildquelle: erstellt mit DALL-E