Zur Therapie nach Schlaganfällen mit ungeklärter Emboliequelle empfehlen Leitlinien Acetylsalicylsäure. Eine Studie testete jetzt Apixaban gegenüber ASS an Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren für kardiale Thromboembolien.
Etwa 15–20 % der Schlaganfälle haben eine unklare Ätiologie, ein Großteil davon wird als ESUS (Embolic Stroke of Undetermined Source) eingestuft. Diese Embolien werden unter anderem auf okkultes Vorhofflimmern (VHF) zurückgeführt. Nach einem ESUS ist das Rezidivrisiko besonders hoch, bisher fehlt aber eine evidenzbasierte Therapieempfehlung. Studien zur Sekundärprävention, die direkte orale Antikoagulanzien (DOAC wie z. B. Dabigatran, Rivaroxaban) versus Acetylsalicylsäure (ASS) verglichen, verliefen bisher neutral bzw. negativ.
Nun wurden auch die Ergebnisse der neurologisch-kardiologischen ATTICUS-Studie publiziert, die erstmals DOAC und ASS in einer ESUS-Population verglich, die noch zusätzliche Risikofaktoren für kardiale Thromboembolien aufwies. Studienziel war, die Effektivität und Sicherheit von Apixaban versus ASS bei diesen Risikopatienten zu evaluieren. Primärer Endpunkt waren neue ischämische Läsionen im zerebralen MRT im Zeitraum von 12 Monaten, quasi als Surrogatparameter für ischämische Schlaganfälle. Der kombinierte sekundäre Effektivitätsendpunkt umfasste Schlaganfallrezidive, systemische Embolien, Myokardinfarkte und Tod.
Die zugrunde liegende Hypothese der Studiengruppe lautete, dass der Faktor-Xa-Inhibitor Apixaban gegenüber ASS die Inzidenz neuer ischämischer Läsionen reduzieren könne. Die Studienteilnehmer mussten als Einschlusskriterium mindestens einen prädiktiven Faktor für das Auftreten von VHF aufweisen. Als VHF-Prädiktoren galten die Vergrößerung des linken Vorhofs (> 45 mm), ein spontaner Echokontrast oder eine verminderte Flussgeschwindigkeit ≤ 0,2 m/s im linken Vorhofohr, 24 Stunden Holter-EKG mit einer oder mehr atrialen Hochfrequenzepisoden sowie ein klinischer CHA2DS2-VASc Score ≥ 4 oder ein offenes Foramen ovale. Ein weiteres wichtiges Kriterium war das durchgehende kardiale Rhythmusmonitoring aller eingeschlossenen Patienten.
Die Studienteilnehmer wurden 1:1 randomisiert und erhielten über 12 Monate entweder zweimal täglich 5 mg Apixaban oder einmal täglich 100 mg Aspirin. Im Falle einer VHF-Detektion wurde in der ASS-Gruppe innerhalb von 14 Tagen eine MRT durchgeführt und die Behandlung von ASS auf Apixaban umgestellt. Insgesamt wurden 353 Patienten von 16 deutschen Stroke Units zwischen Januar 2016 und August 2020 in die Studie eingeschlossen. Der primäre Endpunkt (neue ischämische Läsionen im MRT) war bei 325/352 Teilnehmern auswertbar; die Dropout-Rate betrug 7,7 % und war in den Gruppen nicht signifikant unterschiedlich.
Der primäre Endpunkt wurde in beiden Gruppen vergleichbar häufig erreicht, unter Apixaban bei 13,6 % (23/169 Betroffene) versus 16 % (25/156 Betroffene) in der ASS-Gruppe. VHF wurde bei 40 Studienteilnehmern der Apixaban-Gruppe und bei 49 der ASS-Gruppe beobachtet (kumulative 1-Jahres-Inzidenz). Der kombinierte sekundäre Endpunkt trat bei 13 Patienten der Apixaban-Gruppe und bei 15 in der ASS-Gruppe auf. Schwere und klinisch relevante Blutungen traten bei 5 respektive 7 Patienten auf. Wie Studienleiter Prof. Sven Poli erklärt, hatte die ATTICUS-Studie letztlich nicht genügend statistische Power, um ein positives Ergebnis zeigen zu können. Auch gab er zu bedenken, dass – wie andere Studien gezeigt haben – der Effekt der DOAC oft erst nach einem Jahr zum Tragen komme.
Trotz des formal negativen Ergebnisses bringt die Studie, so Poli, wichtige Erkenntnisse über den Zusammenhang von Risikofaktoren und dem Auftreten von Vorhofflimmern bei Patienten mit ESUS. „Wir haben gesehen, dass bei älteren Betroffenen die Vorhofflimmerrate über 40 % betrug. Bei den über 75-Jährigen mit atrialen Tachykardien lag sie sogar über 70 %. Daher liegt die Hypothese nahe, dass diese Patientengruppe von einer frühzeitigen Antikoagulation profitieren könnte.“ Die Studienleiter planen nun, diese Hypothese in einer größeren Studie, die auf klinische Endpunkte gepowert ist, zu überprüfen.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
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