Fast jede 4. Diagnose in der Klinik ist fehlerhaft. Wo liegen die Probleme – und was kann man dagegen tun?
Bislang haben sich nur wenige Studien mit Diagnosefehlern bei hospitalisierten Patienten beschäftigt. Wie viele es tatsächlich sind, weiß niemand so genau: Während Meta-Analysen entsprechender Studien auf Raten von 10 % oder weniger hindeuten, liegt die Zahl in Autopsie-Studien bei bis zu 25 %. Jetzt ist eine neue Studie in JAMA zu dem Thema erschienen – sie lässt vermuten, dass Diagnosefehler bei hospitalisierten Erwachsenen ziemlich häufig sind.
Forscher um Andrew D. Auerbach haben in ihrer retrospektiven Kohortenstudie eine Stichprobe von über 2.400 Patienten an 29 US-Unikliniken und medizinischen Zentren analysiert. Diese Patienten wurden entweder auf die Intensivstation verlegt oder verstarben während ihres Klinikaufenthalts. Bei 23 % dieser Patienten konnte nachträglich ein diagnostischer Fehler festgestellt werden (95 % KI: 20,9–25,3). Davon führten 17,8 % zu vorübergehenden oder dauerhaften Schäden oder sogar zum Tod (95 % KI: 15,9–19,8).
Die häufigsten diagnostischen Fehler waren dabei Probleme mit Tests, wie z. B. Verzögerungen bei der Bestellung oder Durchführung benötigter Tests oder die fehlerhafte Interpretation eines Tests durch den Arzt. Dass die Wahl und Interpretation von Tests als Fehlerursache eine große Rolle spielte, überraschte die Studienautoren und zeige wie komplex Testanforderungen bei schwerkranken Patienten sein können.
Zudem gab es häufig Probleme bei der Beurteilung eines Patienten, wie etwa Verzögerungen bei der Diagnosestellung, Nichterkennen von Komplikationen oder eine nicht optimale Priorisierung potenzieller Diagnosen. Auch Zugangs- und Präsentationsfehler traten auf, wie etwa eine falsche Triage und Versäumnisse bei der Versorgung.
In einem begleitenden Editorial schreiben Grace Zhang von der University of California San Francisco und Cary Gross von der Yale School of Medicine in New Haven, Connecticut, dass übermäßige Arbeitsbelastung der Ärzte zusammen mit „Lücken in der Ausbildung des medizinischen Personals“ zu diesen Fehlern beitragen könnten. „Obwohl diese Ergebnisse bemerkenswert sind, ist es wichtig zu betonen, dass dies eine ausgewählte Stichprobe der schwer kranken Patienten im Krankenhaus war.“
Für die Studienautoren ist indes klar: Viele dieser Probleme geben den Anstoß für Interventionen. Schon jetzt könnten „Diagnose-Time-Outs“ Ärzten bei der Bewertung eines Patienten helfen, etwa indem man Check-Listen mit kurzen Fragen durchgeht. Zukünftig könnte zudem Künstliche Intelligenz dazu genutzt werden, um diagnostische Tests besser interpretieren zu können.
Quellen:
Auerbach et al. Diagnostic Errors in Hospitalized Adults Who Died or Were Transferred to Intensive Care. JAMA Intern Med, 2024. doi: 10.1001/jamainternmed.2023.7347
Zhang & Gross. Protecting Patients by Reducing Diagnostic Error. JAMA Intern Med, 2024. doi: 10.1001/jamainternmed.2023.7334
Bildquelle: Igor Omilaev, unsplash