Eine Apotheke braucht dringend ein Medikament, kann es aber nicht besorgen. Jetzt bei allen Apotheken im Land schnell und unkompliziert nachfragen – in Österreich ist das bereits möglich.
Die Herausforderungen der Arzneimittelversorgung sind bereits seit Jahren grenzüberschreitend in Apotheken spürbar. In Österreich und Deutschland zeigen innovative Ansätze, dass auch lokale Lösungen einen kleinen oder größeren Beitrag zur Bewältigung von punktuellen Medikamentenengpässen leisten können. Mit dem MediFinder geht man in Österreich ganz offiziell und kammerseitig neue Wege, während in Deutschland die Plattform Just Check it mit ihrer kostenlosen Arzneimittel-Tauschbörse ganz ohne offizielle Unterstützung agiert.
Über 6.800 Apotheker in Österreich stehen seit Jahren vor dem Problem, dass dringend benötigte Medikamente eingeschränkt oder gar nicht verfügbar sind, ganz ähnlich wie in Deutschland. Derzeit sind laut dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen etwa 600 Arzneimittel betroffen, darunter Antibiotika, Blutdruckmedikamente und Schmerzmittel. Die Leidtragenden sind die Patienten, die auf eine zuverlässige Versorgung angewiesen sind. Die Apotheken in Österreich setzen alles daran, diese Engpässe zu kompensieren, oft durch den Austausch mit Kollegen in der Umgebung. Hier setzt der MediFinder an.
Der MediFinder ist eine offizielle digitale Austauschplattform, von der alle österreichischen Apotheken profitieren können. Sie ermöglicht es, Suchanfragen nach fehlenden Medikamenten sowohl schnell als auch denkbar unbürokratisch zu tätigen. Die Suche kann dabei sowohl auf einzelne Bundesländer als auch auf den gesamten österreichischen Raum ausgedehnt werden. Die Kontaktaufnahme zwischen den abgebenden und anfragenden Apotheken erfolgt anschließend per Mail oder Telefon, um die Bereitstellung der benötigten Medikamente zu koordinieren.
„Mit dem MediFinder haben wir ein zusätzliches Instrument geschaffen, das es uns Apothekerinnen und Apothekern ermöglicht, Engpässe schnell zu schließen“, erklärt Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer (ÖAK). Der MediFinder steht seit Mitte Dezember allen österreichischen Apothekern zur Verfügung, die sie über die Kammer-App kostenfrei nutzen können. Trotz dieser positiven Entwicklung in Österreich betonen Mursch-Edlmayr und Thomas W. Veitschegger, Präsident der Oberösterreichischen Apothekerkammer, dass weitere Schritte auf EU-Ebene notwendig sind, um Medikamentenengpässen langfristig auf einer breiteren Ebene entgegenzuwirken.
In Deutschland geht die Plattform Just Check it bereits seit Ende 2022 innovative Wege, um Medikamentenengpässen zu begegnen. Der digitale Service ermöglicht Apotheken – genau wie in Österreich – den Austausch dringend benötigter Arzneimittel untereinander. Die Plattform funktioniert als technischer Vermittler und teilnehmende Apotheken können mit einer anonymen Teilnehmer-ID Suchanfragen starten. Pro Woche und Apotheke sind hier nur maximal fünf Suchanfragen möglich, pro PZN maximal drei anfragbare Packungen auf einmal. Die Plattform ermöglicht also einen schnellen und unbürokratischen Austausch zwischen Apotheken für kleinere Mengen.
Stephan Just, Geschäftsführer von Just Check it, betont, dass die Plattform entwickelt wurde, um adhoc-Anfragen für dringend benötigte Arzneimittel zu bedienen. Die Idee einer solchen Tauschplattform ist in Deutschland leider noch nicht so bekannt wie in Österreich, was bedauerlich ist.
Das Bundesgesundheitsministerium hat zwar diverse Maßnahmen ergriffen, um Medikamentenengpässen in Deutschland zu begegnen, doch ob und wann diese greifen, steht in den Sternen. Daher bleiben viele Apotheken skeptisch. Kurz- bis mittelfristig sind sie jedoch nur in Einzelfällen dazu geeignet, die aktuellen Probleme zu beheben.
Einige Apotheken setzen derzeit vermehrt auf ihr eigenes Netzwerk zur Warenbeschaffung und tauschen untereinander dringend benötigte Waren aus, was in Einzelfällen auch durch die geltenden Regelungen erlaubt ist. Hier erfolgt der Austausch meist über den Großhandel, der die Touren fährt und die Wannen von einer Apotheke mitnimmt und zur anderen liefert. Auch kommt vereinzelt der Postversand vor, wenn die Apotheken räumlich zu weit auseinander liegen oder sie sich nicht den gleichen Großhandel teilen. Die rechtlichen Grundlagen für den Arzneimittelaustausch zwischen Apotheken sind in § 17 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und im Arzneimittelgesetz (AMG) festgelegt. Die Menge macht hierbei den Unterschied: Kleinere Tauschgeschäfte sind erlaubt, größere Mengen erfordern jedoch eine Großhandelserlaubnis.
Die Idee von Arzneimittel-Flohmärkten hat möglicherweise den Präsidenten der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, vor etwa einem Jahr dazu veranlasst, dazu aufzurufen, solches im nachbarschaftlichen Umfeld zu versuchen (DocCheck berichtete). Er behauptete damals sogar, dass auch abgelaufene Medikamente „gefahrlos“ weitergegeben werden könnten. Diese Äußerung stieß jedoch auf erhebliches Unverständnis und massive Kritik aus Fachkreisen. Abgesehen von der pharmazeutischen Bedenklichkeit beinhaltet ein solcher Vorschlag im Gegensatz zu den genannten Tauschbörsen der österreichischen und deutschen Apotheken auch rechtliche Hindernisse, denn gemäß apothekenrechtlichen Bestimmungen dürfen Arzneimittel ausschließlich von Apotheken und Großhändlern abgegeben werden – definitiv nicht von Privatpersonen untereinander.
Die Initiativen von MediFinder in Österreich und Just Check it in Deutschland zeigen, dass lokale und digitale Lösungen die Apotheken in Einzelfällen bei der Bewältigung von Medikamentenengpässen unterstützen können. Sie verdeutlichen aber auch die Notwendigkeit, auf europäischer Ebene gemeinsame Strategien zu entwickeln, um langfristig eine verbesserte Arzneimittelversorgung zu gewährleisten. Ein Medikamententausch kann immer nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sein, niemals eine Lösung für das Grundproblem selbst.
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